Fischer Taschenbuch Verlag
** Pressemitteilung ***
Ex-Bundesverfassungsrichter
mahnt
sorgsameren Umgang mit Grundrechten an
Hassemer lobt zum
60-jährigen Verfassungsjubiläum gestiegenes Bewusstsein für Datenschutz /
Striktes Verbot der Verwertung von Folter-Aussagen gefordert
Der frühere Vizepräsident des
Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Winfried Hassemer, hat zu
einem sorgsameren Umgang mit den Grundrechten aufgerufen. „Wir beobachten in
Gesetzgebung und Verwaltung einen allgemeinen Trend hin zu mehr Sicherheit und
Prävention, der häufig zu Lasten der klassischen bürgerlichen Freiheiten geht“,
sagte Hassemer anlässlich der Vorstellung des Grundrechte-Reports 2009 am
Montag in Karlsruhe. Als Beispiel nannte er die zunehmende Beschränkung der
Demonstrationsfreiheit durch immer strengere Versammlungsgesetze.
Kurz vor dem 60. Jubiläum
des Grundgesetzes am 23.5.2009 zog Hassemer ein kritisches, aber auch positives
Fazit der deutschen Verfassungswirklichkeit. „Insbesondere im Bereich des Datenschutzes
erleben wir, dass ein schon fast tot geglaubtes Grundrecht neu an Bedeutung gewinnt,
weil die Bürger durch die Überwachungsskandale in großen Unternehmen
aufgeschreckt werden“, sagte der ehemalige Bundesverfassungsrichter, der von
1991 bis 1996 auch hessischer Datenschutzbeauftragter war.
Klar wandte der
emeritierte Professor für Strafrecht der Universität Frankfurt sich gegen Tendenzen,
zum Zweck der Verfolgung oder Verhütung von Terroranschlägen das Folterverbot
des Grundgesetzes aufzuweichen. „Vor vergifteten Beweismitteln dürfen wir nicht
die Augen verschließen. Wenn es belastbare Anzeichen gibt, dass Zeugenaussagen
in ausländischen Gefängnissen unter Folter erzwungen wurden, dann muss ihre
Verwendung sowohl deutsche Behörden als auch Gerichten strikt verboten sein.“
Für die Herausgeber des
Grundrechte-Reports kritisierte Till Müller-Heidelberg, ehemaliger
Bundesvorsitzender der Humanistischen Union, einen abnehmenden Respekt der
Politik gegenüber dem Grundgesetz. Als Beispiel nannte er die im vergangenen
Jahr durch das Bundesverfassungsgericht verworfene Online-Durchsuchung: „In das
neue BKA-Gesetz wurde die Erlaubnis dazu dann gleich wieder hineingeschrieben,
zusammen mit einem Bündel von fragwürdigen Eingriffsermächtigungen – vom
Belauschen von Berufsgeheimnisträgern bis zur schon tot geglaubten
Rasterfahndung“, sagte Müller-Heidelberg. Ebenso rügte er die Rechtsblindheit
von Ermittlungsbehörden und sogar Gerichten, die immer wieder gegen die
gefestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts etwa zur
Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 Grundgesetz verstießen.
Auch Betroffene kamen zu Wort. So
schilderte ein Totalverweigerer „erzieherische Maßnahmen“ der Bundeswehr, die
darauf hinausgelaufen seien, seine Gewissensentscheidung gegen die Wehrpflicht
zu brechen. Der Anmelder einer Demonstration in Karlsruhe berichtete, wie er zu
einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil Teilnehmer sich an vergleichsweise
marginale Auflagen nicht gehalten hatten: Die Ordner seien der Polizei 15
Minuten zu spät vorgestellt worden, manche Teilnehmer „zu ähnlich gekleidet“
gewesen.
Der im Fischer Taschenbuch
Verlag verlegte, 1997 erstmals erschienene „Grundrechte-Report“ versteht sich
als "alternativer Verfassungsschutzbericht". Neun Bürger- und
Menschenrechtsorganisationen dokumentieren darin jährlich den Umgang mit dem
Grundgesetz.
Grundrechte-Report
2009
Zur Lage der Bürger-und Menschenrechte in Deutschland;
Herausgeber:
T. Müller-Heidelberg, U. Finckh, E.
Steven, M. Assall, M. Pelzer, A. Würdinger, M. Kutscha, R. Gössner und U. Engelfried;
Preis € 9,95; 256 Seiten; ISBN 978-3-596-18373-9; Fischer Taschenbuch
Verlag; Juni 2009. Ab sofort im Handel.
Buchprojekt von:
Humanistische Union • Gustav Heinemann-Initiative • Komitee für
Grundrechte und Demokratie • Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen • PRO
ASYL • Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein • Vereinigung
demokratischer Juristinnen und Juristen • Internationale Liga für
Menschenrechte • Neue Richtervereinigung