Neuer
Grundrechte-Report
VON
URSULA KNAPP
Der frühere Bundesverfassungsrichter
Jürgen Kühling hat die Einschränkung von Grundrechten durch Polizei und Behörden
kritisiert. Diese würden die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht
ausreichend ernst nehmen. Kühling, von 1989 bis 2001 Verfassungsrichter im
Ersten Senat, stellte am Montag in Karlsruhe den neuen Grundrechte-Report vor.
Obwohl Durchsuchungsaktionen und Einkesselungen von Demonstranten für
rechtswidrig erklärt würden, gingen die unverhältnismäßigen Übergriffe weiter,
sagte Kühling. Ohne auf die aktuellen Razzien vor dem G8-Gipfel einzugehen, forderte
er, den Staat bei Übergriffen zu Schadenersatzzahlungen zu verpflichten. Nur
durch Entschädigungen in spürbarer Höhe könne in der Praxis die Beachtung der
Verhältnismäßigkeit durchgesetzt werden. Kühling warnte vor einer "stillen
Erosion" der Grundrechte.
Der
von zehn Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen herausgegebene Report, der in
diesem Jahr bereits zum elften Mal erscheint (Fischer Verlag), versteht sich
als alternativer Verfassungsschutzbericht. Darin wird unter anderem das
Schicksal einer Hamburger Rechtsanwältin beschrieben, die während des
Weihnachtseinkaufs in einen Polizeikessel geriet. Obwohl sie ihre Einkäufe mit
Einkaufszettel vorlegte, wurde sie festgenommen, durchsucht und in Handschellen
abgeführt. Erst nach Stunden kam sie wieder nach Hause. Ihre Festnahme wurde
später für rechtswidrig erklärt, aber das Strafverfahren gegen die Beteiligten
eingestellt. Im konkreten Fall wurden der Frau nach längerem Rechtsstreit 250
Euro Schadensersatz zugesprochen. Kühling monierte, dass Prominente bei der
Verletzung ihrer Bildrechte sehr viel mehr Geld bekommen.
Der
Berliner Politologie-Professor Peter Grottian nannte die von der
Bundesanwaltschaft veranlassten Großrazzien gegen G8-Gegner in der vergangenen
Woche "verfassungswidrig". Dass der Verdacht, linksautonome Globalisierungsgegner
hätten eine terroristische Vereinigung gebildet, keinen Bestand habe, zeigt
sich für Grottian daran, dass trotz der Durchsuchungsaktion mit 900 Beamten bis
heute kein Beleg für die Vorbereitung von Terroranschlägen vorgelegt wurde. Durch
Dämonisierung werde ein "Staatsfeind herbeikonstruiert".
Der neue Grundrechte-Report schildert auch die Aushöhlung des Bankgeheimnisses
durch das belgische Privatunternehmen Swift, das Überweisungen ins Ausland
erfasst und Kontodaten an ein Unternehmen in die USA weiterleitet. Dort gleicht
das CIA regelmäßig die Kontodaten ab, die unverschlüsselt weitergegeben werden.
Moniert wird auch die Missachtung höchstrichterlicher Rechtsprechung bei der
Novellierung von Polizeigesetzen. Trotz der vom Verfassungsgericht festgelegten
hohen Hürden für eine vorbeugende Telefonüberwachung und für Eingriffe in die
Privatsphäre hätten mehrere Länder polizeiliche Eingriffsbefugnisse geschaffen,
die diese Vorgaben ignorierten, darunter Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein
und Hessen.
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KARLSRUHE taz "Die Kooperation der staatlichen Stellen mit dem Bundesverfassungsgericht lässt zu wünschen übrig", klagte gestern der ehemalige Verfassungsrichter Jürgen Kühling. Immer wieder missachte die Polizei, aber auch der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Gerichts, sagte er bei der Vorstellung des Grundrechtereports 2007.
So müsse Karlsruhe immer wieder rechtswidrige polizeiliche Hausdurchsuchungen beanstanden. "Man hat den Eindruck, die Arbeit des Verfassungsgerichts verhallt", kritisierte Kühling. Der frühere Richter schlug deshalb eine neue bürgerrechtliche Strategie vor. Bei Grundrechtsverletzungen sollten hohe Schmerzensgelder eingeklagt werden. "Wenn eine Maßnahme für rechtswidrig erklärt wird, ist das der Polizei egal, aber wenn es für den Staat richtig teuer wird, dann wird die Polizei vielleicht vorsichtiger."
Kühling beschrieb den Fall einer Rechtsanwältin, die als unbeteiligte Passantin auf einer Hamburger Einkaufsstraße in einen Polizeikessel geriet und anschließend mehrere Stunden gefesselt durch die Stadt gefahren wurde. Ein Verwaltungsgericht stellte die Rechtswidrigkeit der Maßnahme fest, doch das Landgericht billigte nur 150 Euro Schmerzensgeld zu. Vor dem Oberlandesgericht erstritt die Anwältin immerhin 500 Euro Entschädigung, doch Kühling hält auch das für lächerlich gering. Für solche demütigenden Exzesse müssten mehrere tausend Euro eingeklagt werden können, "dann klagen auch mehr Betroffene, und dann wird es richtig teuer für den Staat".
Der Grundrechtereport ist ein Gemeinschaftswerk von neun Bürgerrechtsorganisationen, von der Humanistischen Union (HU) bis zu Pro Asyl. Zum elften Mal haben die Herausgeber dieses auch im Buchhandel erhältlichen Taschenbuch zu einen alternativen Verfassungsschutzbericht zusammengestellt. Darin werden nicht extremistische Bürger, sondern die Fehler des Staates angeprangert.
Der Sozialwissenschaftler Peter Grottian kritisierte gestern den Verfassungsschutz, der jahrelang das Berliner Sozialforum bespitzelte. Auch über ihn als Professor sei eine 80 Seiten dicke Akte angelegt worden, weil er Kontakt zu Autonomen hatte. "Ähnlich funktioniert heute die Stigmatisierung der G-8-Gegner", sagte Grottian. Wer irgendeinen Kontakt zu radikalen Kreisen habe - "beim Mittagessen, im Bett oder bei strategischen Diskussionen" -, müsse mit Bespitzelung rechnen. "Das Selbstvertrauen der Herrschenden ist jämmerlich", stellte Grottian fest und forderte die Abschaffung des Verfassungsschutzes oder zumindest seine finanzielle Austrocknung.
Geschildert
wird im Grundrechtereport auch der heikle Fall einer Berliner Muslimin, die im
Internet ein Selbstmordattentat diskutiert haben soll. Sie wurde fortan von
Polizisten beschattet, die ihr teilweise in einem Meter Entfernung folgten.
Ständig wurde sie intensiven Leibesvisitationen unterzogen.
"Polizei-Stalking" nennt dies Jürgen Kühling, der heute als Anwalt
arbeitet. "Eine Beschattung darf nicht wie eine bloße Einschüchterung
wirken." CHRISTIAN
RATH
taz vom 22.5.2007, S. 7, 102 Z. (TAZ-Bericht), CHRISTIAN RATH
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22.05.07 Einerseits setze sich »Trend fort,
Freiheitsrechte einem überzogenen Sicherheitsbedürfnis zu opfern, den Armen
mit sozialer Kälte zu begegnen«, sagte Kühling. Andererseits habe das
Bundesverfassungsgericht auch 2006 »der Ausweitung von Eingriffsbefugnissen
deutliche Grenzen gesetzt«, sei »einem nachlässigen Umgang der Behörden und
Gerichte mit den Grundrechten in zahlreichen Entscheidungen
entgegengetreten«. |
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Bürgerrechtler
beklagen eine zunehmende Mißachtung höchstrichterlicher Urteile gegen
Grundrechtsübergriffe durch Gesetzgeber und Polizei. Dies geht aus dem
Grundrechte-Report 2007 hervor, den neun deutsche Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen
am Montag in Karlsruhe vorstellten.
Darin
üben die Verfasser unter anderem Kritik an den novellierten Polizeigesetzen der
Länder, die insbesondere den strengen Anforderungen des
Bundesverfassungsgerichts an die Telekommunikationsüberwachung nicht gerecht
würden. Auch seien Gefangenen gerichtlich zugesprochene Hafterleichterungen
durch die jeweilige Anstaltsleitung verweigert worden.
Der Grundrechte-Report kommt nach Angaben der Autoren zu dem Ergebnis, daß
staatliche Überwachung, Übergriffe und Ungleichbehandlung weiter für eine
deutliche Kluft zwischen den Ansprüchen des Grundgesetzes und dem tatsächlichen
Umgang mit Grundrechten in Deutschland sorgen. Bundesverfassungsrichter a.D.
Jürgen Kühling bezeichnete den Befund bei der Vorstellung des Berichts als
»insgesamt beunruhigend«. Als Beispiel nannte er den staatlichen Umgang mit
Ausländern und hier insbesondere illegal eingereisten Migranten. Auch diese
hätten Anspruch auf Wahrung ihrer Menschenwürde und staatlichen Schutz ihrer
Grund- und Menschenrechte, betonte Kühling.
Zugleich
verwies der ehemalige Verfassungsrichter auf eine Reihe »flagranter Rechtsverletzungen«
durch die Polizei, darunter Durchsuchungsaktionen, die vom Bundesverfassungsgericht
als rechtswidrig verworfen worden seien. Es gebe allerdings »auch gute Nachrichten«,
hob Kühling hervor. Insbesondere das Bundesverfassungsgericht habe »der Ausweitung
von Eingriffsbefugnissen deutliche Grenzen gesetzt« und sei zugleich »einem
nachlässigen Umgang der Behörden und Gerichte mit den Grundrechten in
zahlreichen Entscheidungen entgegengetreten«. Gleiches gelte für den
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Kritik
üben die Autoren des Reports an einer im Namen des »Krieges gegen den Terror« geschürten
Sicherheitshysterie, in deren Sog unterdessen auch friedliche
Globalisierungskritiker geraten seien.
So
berichtete der Politikwissenschaftler Peter Grottian bei der Vorstellung des
Buches, daß ihn der Verfassungsschutz wegen seines Engagements im Berliner
Sozialforum ausgespäht habe. Der Politologe sprach in diesem Zusammenhang von
Parallelen zur jüngsten Großrazzia gegen Gegner des G-8-Gipfels. »Hier wird
aufgrund fadenscheiniger Vermutungen eine Kontaktschuld konstruiert, die dann
zur Basis unverhältnismäßiger staatlicher Überwachung herangezogen wird«,
kritisierte Grottian.
Der
Grundrechte-Report erscheint seit 1997 jährlich zum Tag des Grundgesetzes am
23. Mai und greift Beeinträchtigungen von Grund- und Menschenrechten durch
staatliche Gewalt auf. Herausgegeben wird das Buch von der Humanistischen
Union, der Gustav-Heinemann-Initiative, dem Komitee für Grundrechte und Demokratie,
dem Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen, Pro Asyl, dem Republikanischen
Anwälte-Verein, der Vereinigung demokratischer Juristen, der Neuen Richtervereinigung
und der Internationalen Liga für Menschenrechte. (AFP/jW)
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Der
Tagesspiegel
500 Euro Schadenersatz für ungerechtfertigte Festnahme? Der
Bürger muss bei Rechtsverstößen mit empfindlichen Geldstrafen rechnen - dem
Staat sollte es nach Ansicht von Ex-Verfassungsrichter Kühling nicht anders
ergehen. Ein illegal Festgenommener könnte dann Schadenersatz einklagen. (21.05.2007,
16:09 Uhr) Karlsruhe
- Bei illegalen Polizeiaktionen soll der Staat nach Ansicht des früheren
Verfassungsrichters Jürgen Kühling den Betroffenen künftig Schadenersatz
zahlen. Wiederholt habe das Bundesverfassungsgericht die Justiz wegen
rechtswidriger Hausdurchsuchungen gerügt, trotzdem komme es nach wie vor zu
solchen Aktionen, sagte Kühling bei der Vorstellung des
"Grundrechte-Reports 2007" in Karlsruhe. Ein wirksames Gegenmittel
wäre eine "anständige Entschädigung", denn eine Durchsuchung sei
eine "ungeheure Demütigung" und ein tiefer Eingriff in die
Privatsphäre. Zum ThemaGrundrechte-Report: Bürgerrechtler
kritisieren "Sicherheitshysterie"
Der
Report gilt als "alternativer Verfassungsschutzbericht". Mit ihm
warnen Menschenrechtsgruppen vor einem Grundrechte-Abbau durch Ausweitung von
Polizeibefugnissen und unzureichenden Rechtsschutz. Kühling nannte den Befund
"insgesamt beunruhigend". Der Trend setze sich fort, "Freiheitsrechte
einem überzogenen Sicherheitsbedürfnis zu opfern und den Armen mit sozialer
Kälte zu begegnen". In eingekesselter Demonstration wiedergefunden Kühling verwies auf einen eklatanten Fall missbräuchlicher Polizeigewalt 2002 in Hamburg, bei dem sich eine Rechtsanwältin auf dem Rückweg vom Weihnachtseinkauf unversehens in einer eingekesselten Demonstration wiederfand. Sie sei durchsucht, gefesselt und stundenlang im Polizeibus durch die Stadt gefahren worden. Vor Gericht habe sie 500 Euro Schadensersatz erstritten. "Gegen solche Übergriffe der Polizei ist kein Kraut gewachsen", sagte Kühling - es sei denn, der Staat müsse mit empfindlichen Entschädigungen rechnen. Ein Autor des Reports moniert die Missachtung höchstrichterlicher Rechtsprechung bei der Novellierung von Polizeigesetzen. Trotz der vom Bundesverfassungsgericht festgelegten hohen Hürden für eine vorbeugende Telefonüberwachung und für Eingriffe in die Privatsphäre hätten mehrere Länder polizeiliche Eingriffsbefugnisse geschaffen, die diese Vorgaben ignorierten, unter anderem Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Schleswig-Holstein. Herausgeber des Grundrechte-Reports sind unter anderem die Humanistische
Union, Pro Asyl und mehrere Juristenvereinigungen. Er erscheint seit 1997
jeweils zum Tag des Grundgesetzes am 23. Mai. (tso/dpa) |
21.05.2007
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Wiederholt habe das Bundesverfassungsgericht die Justiz wegen rechtswidriger Hausdurchsuchungen gerügt, trotzdem komme es nach wie vor zu solchen Aktionen, sagte Kühling bei der Vorstellung des «Grundrechte-Reports 2007» am Montag in Karlsruhe. Ein wirksames Gegenmittel wäre eine «anständige Entschädigung», denn eine Durchsuchung sei eine «ungeheure Demütigung» und ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre.
Der Report gilt als «alternativer Verfassungsschutzbericht». Mit ihm warnen Menschenrechtsgruppen vor einem Grundrechte-Abbau durch Ausweitung von Polizeibefugnissen und unzureichenden Rechtsschutz. Kühling nannte den Befund «insgesamt beunruhigend». Der Trend setze sich fort, «Freiheitsrechte einem überzogenen Sicherheitsbedürfnis zu opfern und den Armen mit sozialer Kälte zu begegnen».
Kühling verwies auf einen eklatanten Fall missbräuchlicher Polizeigewalt 2002 in Hamburg, bei dem sich eine Rechtsanwältin auf dem Rückweg vom Weihnachtseinkauf unversehens in einer eingekesselten Demonstration wiederfand. Sie sei durchsucht, gefesselt und stundenlang im Polizeibus durch die Stadt gefahren worden. Vor Gericht habe sie 500 Euro Schadenersatz erstritten. «Gegen solche Übergriffe der Polizei ist kein Kraut gewachsen», sagte Kühling - es sei denn, der Staat müsse mit empfindlichen Entschädigungen rechnen.
Ein Autor des Reports moniert die Missachtung höchstrichterlicher Rechtsprechung bei der Novellierung von Polizeigesetzen. Trotz der vom Bundesverfassungsgericht festgelegten hohen Hürden für eine vorbeugende Telefonüberwachung und für Eingriffe in die Privatsphäre hätten mehrere Länder polizeiliche Eingriffsbefugnisse geschaffen, die diese Vorgaben ignorierten, unter anderem Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Schleswig-Holstein.
Herausgeber des Grundrechte-Reports sind unter anderem die Humanistische Union, Pro Asyl und mehrere Juristenvereinigungen. Er erscheint seit 1997 jeweils zum Tag des Grundgesetzes am 23. Mai.
1.05.2007
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/10/0,3672,5526858,00.html
Die Grundrechte werden zunehmend missachtet. Vor allem Polizei und Gesetzgeber ignorieren die Urteile des Bundesverfassungsgerichts. Zu diesem Schluss kommt der Grundrechte-Report, den Bürgerrechtler am Montag vorgelegt haben. Ihr Fazit: Staatliche Überwachung, Übergriffe und Ungleichbehandlung sorgen für eine Kluft zwischen den Ansprüchen des Grundgesetzes und der Praxis.
In
dem Report üben die Verfasser unter anderem Kritik an den novellierten
Polizeigesetzen der Länder, die insbesondere den strengen Anforderungen des
Bundesverfassungsgerichts an die Telekommunikationsüberwachung nicht gerecht
würden. Auch seien Gefangenen gerichtlich zugesprochene Hafterleichterungen
durch die jeweilige Anstaltsleitung verweigert worden.
Der
Grundrechte-Report erscheint seit 1997 jährlich zum Tag des Grundgesetzes am
23. Mai und greift Beeinträchtigungen von Grund- und Menschenrechten durch
staatliche Gewalt auf.
Herausgegeben wird das Buch von der Humanistischen Union, der
Gustav-Heinemann-Initiative, dem Komitee für Grundrechte und Demokratie, dem
Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen, Pro Asyl, dem Republikanischen
Anwälte-Verein, der Vereinigung demokratischer Juristen, der Neuen Richtervereinigung
und der Internationalen Liga für Menschenrechte.
Der Grundrechte-Report versteht sich als alternativer Verfassungsschutzbericht.
Der Grundrechte-Report kommt nach Angaben der Autoren zu dem Ergebnis, dass staatliche Überwachung, Übergriffe und Ungleichbehandlung weiter für eine deutliche Kluft zwischen den Ansprüchen des Grundgesetzes und dem tatsächlichen Umgang mit Grundrechten in Deutschland sorgen.
Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Jürgen Kühling bezeichnete den Befund bei der Vorstellung des Berichts als "insgesamt beunruhigend". Als Beispiel nannte er den staatlichen Umgang mit Ausländern und hier insbesondere illegal eingereisten Migranten. Auch diese hätten Anspruch auf Wahrung ihrer Menschenwürde und staatlichen Schutz ihrer Grund- und Menschenrechte, betonte Kühling.
Kühling nannte das Beispiel einer Rechtsanwältin, die zufällig in einen Polizeikessel bei einer Demonstration in Hamburg geraten sei, von der Polizei mehrere Stunden in Gewahrsam genommen und auf dem Rücken gefesselt wurde. Die Rechtsanwältin erstritt in mehreren Instanzen 500 Euro Schmerzensgeld von der Hamburger Polizei. Für widerrechtliche Übergriffe solle gezahlt werden, dann würden die Bürger auch ihr Recht einklagen, forderte Kühling.
Zugleich
verwies der ehemalige Verfassungsrichter auf eine Reihe "flagranter
Rechtsverletzungen" durch die Polizei, darunter Durchsuchungsaktionen, die
vom Bundesverfassungsgericht als rechtswidrig verworfen worden seien. Es gebe
allerdings "auch gute Nachrichten", hob Kühling hervor. Insbesondere
das Bundesverfassungsgericht habe "der Ausweitung von Eingriffsbefugnissen
deutliche Grenzen gesetzt" und sei zugleich "einem nachlässigen Umgang
der Behörden und Gerichte mit den Grundrechten in zahlreichen Entscheidungen entgegengetreten".
Gleiches gelte für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Kritik üben die Autoren des Reports an einer im Namen des "Krieges gegen den Terror" geschürte Sicherheitshysterie, in deren Sog unterdessen auch friedliche Globalisierungskritiker geraten seien. So berichtete der Politikwissenschaftler Peter Grottian bei der Vorstellung des Buches, dass ihn der Verfassungsschutz wegen seines Engagements im Berliner Sozialforum ausgespäht habe.
Der
Politologe sprach in diesem Zusammenhang von Parallelen zur jüngsten Großrazzia
gegen Gegner des G-8-Gipfels. "Hier wird aufgrund fadenscheiniger
Vermutungen eine Kontaktschuld konstruiert, die dann zur Basis unverhältnismäßiger
staatlicher Überwachung herangezogen wird", kritisierte Grottian.
21.05.2007
Menschenrechtsgruppen
warnen vor Abbau der Grundrechte
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Karlsruhe (dpa) Bei illegalen Polizeiaktionen soll
der Staat nach Ansicht des früheren Verfassungsrichters Jürgen Kühling den Betroffenen
künftig Schadenersatz zahlen.
Wiederholt habe das Bundesverfassungsgericht die Justiz wegen rechtswidriger
Hausdurchsuchungen gerügt, trotzdem komme es nach wie vor zu solchen Aktionen,
sagte Kühling bei der Vorstellung des «Grundrechte-Reports 2007» am Montag in
Karlsruhe. Ein wirksames Gegenmittel wäre eine «anständige Entschädigung», denn
eine Durchsuchung sei eine «ungeheure Demütigung» und ein tiefer Eingriff in
die Privatsphäre.
Der Report gilt als «alternativer Verfassungsschutzbericht». Mit ihm warnen
Menschenrechtsgruppen vor einem Grundrechte-Abbau durch Ausweitung von
Polizeibefugnissen und unzureichenden Rechtsschutz. Kühling nannte den Befund
«insgesamt beunruhigend». Der Trend setze sich fort, «Freiheitsrechte einem
überzogenen Sicherheitsbedürfnis zu opfern und den Armen mit sozialer Kälte zu
begegnen».
Kühling verwies auf einen eklatanten Fall missbräuchlicher Polizeigewalt 2002
in Hamburg, bei dem sich eine Rechtsanwältin auf dem Rückweg vom
Weihnachtseinkauf unversehens in einer eingekesselten Demonstration wiederfand.
Sie sei durchsucht, gefesselt und stundenlang im Polizeibus durch die Stadt
gefahren worden. Vor Gericht habe sie 500 Euro Schadenersatz erstritten. «Gegen
solche Übergriffe der Polizei ist kein Kraut gewachsen», sagte Kühling - es sei
denn, der Staat müsse mit empfindlichen Entschädigungen rechnen.
Ein Autor des Reports moniert die Missachtung höchstrichterlicher
Rechtsprechung bei der Novellierung von Polizeigesetzen. Trotz der vom
Bundesverfassungsgericht festgelegten hohen Hürden für eine vorbeugende Telefonüberwachung
und für Eingriffe in die Privatsphäre hätten mehrere Länder polizeiliche Eingriffsbefugnisse
geschaffen, die diese Vorgaben ignorierten, unter anderem Mecklenburg-Vorpommern,
Hessen und Schleswig-Holstein.
Herausgeber des Grundrechte-Reports sind unter anderem die Humanistische Union,
Pro Asyl und mehrere Juristenvereinigungen. Er erscheint seit 1997 jeweils zum
Tag des Grundgesetzes am 23. Mai.
21.
Mai 2007, 18:13 Uhr
Von
Thorsten Jungholt
Grundrechte
Verletzt
die Polizei in Deutschland das Grundgesetz? Ja, sagten Bürgerrechtler und verweisen
auf den Grundrechte-Report. Aus Angst vor dem Terror ignorieren Polizisten
demnach immer wieder Urteile, die die Grundrechte der Bürger schützen sollen.
Aus
Angst vor dem Teror wird in Deutschland mehr gespäht, als das
Bundesverfassungsgericht es für rechtens hält Bürgerrechtler beklagen eine zunehmende Missachtung höchstrichterlicher
Urteile gegen Grundrechtsübergriffe durch Gesetzgeber und Polizei. Im Grundrechte-Report
2007, den neun deutsche Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen heute in
Karlsruhe vorstellten, üben die Verfasser insbesondere Kritik an neuen
Landespolizeigesetzen, die den strengen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts
an die Telekommunikationsüberwachung nicht gerecht würden.
Der
ehemalige Verfassungsrichter Jürgen Kühling nannte den Report „insgesamt
beunruhigend“. Der Trend setze sich fort, „Freiheitsrechte einem überzogenen
Sicherheitsbedürfnis zu opfern“. Kühling warnte vor einer stillen Erosion von
Grundrechten durch immer neue Eingriffsbefugnisse für die Polizei. Obwohl die
Karlsruher Richter dieser Ausweitung in zahlreichen Urteilen deutliche Grenzen
gezogen hätten, setzten sich staatliche Stellen im Zuge der
„Sicherheitshysterie im Namen des Kriegs gegen den Terrorismus“ immer wieder
über höchstrichterliche Entscheidungen hinweg.
Kühling,
von 1989 bis 2001 Verfassungsrichter im Ersten Senat, wies auf eine Reihe „flagranter
Rechtsverletzungen“ durch die Polizei hin, darunter Durchsuchungs- und Festnahmeaktionen.
Betroffene rief er zu Schadenersatzklagen bei rechtswidrigen Hoheitsakten auf.
Nur durch spürbare Strafzahlungen könne in der Praxis die Beachtung der
Rechtsprechung durchgesetzt werden.
Die stellvertretende Parteivorsitzende
der FDP, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, mahnte auch die Politik zu einer
aufmerksamen Lektüre des Grundrechte-Reports. „Die Politik schleift seit Jahren
systematisch und in einer geradezu exzessiven Weise die grundgesetzlichen
Barrieren gegen Grundrechtseingriffe“, sagte die ehemalige Justizministerin
WELT ONLINE. „Mancher Politiker scheint die Verfassung nur noch als Gefängnis
zu begreifen, das einer beanspruchten Allmacht des Staates entgegensteht und
aus dem es nun auszubrechen gilt.“ Herausgeber des Grundrechte-Reports sind
unter anderem die Humanistische Union, Pro Asyl und mehrere Juristenvereinigungen.
21.05.2007
13:02 Uhr |
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Vorstellung des Grundrechte-ReportsBürgerrechtler
kritisieren Missachtung höchstrichterlicher Urteile
Die Autoren des Grundrechte-Reports haben vor einem Abbau der Grundrechte durch erweiterte Polizeibefugnissen gewarnt. Ein ehemaliger Verfassungsrichter wertete den Befund als "insgesamt beunruhigend". |
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Bürgerrechtler beklagen eine zunehmende Missachtung höchstrichterlicher
Urteile gegen Grundrechtsübergriffe durch Gesetzgeber und Polizei. Dies geht
aus dem Grundrechte-Report 2007 hervor, den neun deutsche Menschen- und |
N 24 online
21. Mai 2007
Bei illegalen Polizeiaktionen soll der Staat nach Ansicht des früheren Verfassungsrichters Jürgen Kühling den Betroffenen künftig Schadenersatz zahlen. Wiederholt habe das Bundesverfassungsgericht die Justiz wegen rechtswidriger Hausdurchsuchungen gerügt, trotzdem komme es nach wie vor zu solchen Aktionen, sagte Kühling bei der Vorstellung des "Grundrechte-Reports 2007" am Montag in Karlsruhe. Ein wirksames Gegenmittel wäre eine "anständige Entschädigung", denn eine Durchsuchung sei eine "ungeheure Demütigung" und ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre.
Der Report gilt als "alternativer
Verfassungsschutzbericht". Mit ihm warnen Menschenrechtsgruppen vor einem
Grundrechte-Abbau durch Ausweitung von Polizeibefugnissen und unzureichenden
Rechtsschutz. Kühling nannte den Befund "insgesamt beunruhigend". Der
Trend setze sich fort, "Freiheitsrechte einem überzogenen
Sicherheitsbedürfnis zu opfern und den Armen mit sozialer Kälte zu
begegnen".
Kühling verwies auf einen eklatanten Fall missbräuchlicher Polizeigewalt 2002
in Hamburg, bei dem sich eine Rechtsanwältin auf dem Rückweg vom
Weihnachtseinkauf unversehens in einer eingekesselten Demonstration wiederfand.
Sie sei durchsucht, gefesselt und stundenlang im Polizeibus durch die Stadt gefahren
worden. Vor Gericht habe sie 500 Euro Schadenersatz erstritten. "Gegen
solche Übergriffe der Polizei ist kein Kraut gewachsen", sagte Kühling -
es sei denn, der Staat müsse mit empfindlichen Entschädigungen rechnen.
Ein Autor des Reports moniert die Missachtung höchstrichterlicher
Rechtsprechung bei der Novellierung von Polizeigesetzen. Trotz der vom
Bundesverfassungsgericht festgelegten hohen Hürden für eine vorbeugende
Telefonüberwachung und für Eingriffe in die Privatsphäre hätten mehrere Länder
polizeiliche Eingriffsbefugnisse geschaffen, die diese Vorgaben ignorierten,
unter anderem Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Schleswig-Holstein.
Herausgeber des Grundrechte-Reports sind unter anderem die Humanistische Union,
Pro Asyl und mehrere Juristenvereinigungen. Er erscheint seit 1997 jeweils zum
Tag des Grundgesetzes am 23. Mai. (dpa)
Heise online
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Kühling bezeichnete den Report als "alternativen Verfassungsschutzbericht". Von dem offiziellen unterscheide er sich vor allem durch die Blickrichtung. "Bedroht ist unsere Verfassung eben nicht allein durch Anarchisten, Kommunisten, Neonazis, Islamisten und Fundamentalisten verschiedener Couleur, sondern auch durch die Mächtigen im Lande, durch Behörden, Regierungen und sogar durch die Gesetzgeber in Bund und Ländern", sagte der Anwalt. So warne die Bestandsaufnahme "vor der stillen Erosion von Grundrechten durch fortschreitende Eingriffsbefugnisse der Polizei, durch unzureichenden Rechtsschutz vor Behördenwillkür, durch mangelnde Verteilungsgerechtigkeit im Sozialrecht."
Konkret beschreibt der Report in einer Analyse der kürzlich freigeschalteten Anti-Terrordatei eine damit einhergehende "Guantanamoisierung des Rechts". Das IT-System führe die polizeilichen und geheimdienstlichen Datenbestände zusammen und gewähre damit sowohl den Geheimdiensten als auch Polizeidienststellen entgegen dem Trennungsgebot im Grundgesetz "unbeschränkten Zugriff". So seien die Voraussetzungen für eine Aufnahme bestimmter Informationen in die Datei überaus weit geschnitten und die Anforderungen zur Löschung von Daten recht vage geregelt. Unschuldige Opfer seien damit vorprogrammiert. Insgesamt ergibt sich für Kühling aus dem Report vielfach "das Bild einer Polizei, die in zunehmendem Maße aus präventiven Gründen in Grundrechte eingreift."
Als "Eigentor für Grundrechte" skizziert der Bericht die Fußball-WM 2006. Dabei sei es zu einem "polizeilichen Übereifer" bei der Speicherung von Daten in einer zentralen Datei "Gewalttäter Sport" und vor allem bei der Sicherungsüberprüfung von Personen gekommen, die beruflich mit der WM zu tun hatten. Insgesamt seien rund eine Viertelmillion Personen von den Sicherheitsbehörden durchleuchtet worden. Als "Datenzugriff von geradezu atemberaubendem Ausmaß" bezeichnete Kühling die Weitergabe persönlicher Daten etwa an die CIA durch das Finanznetzwerk SWIFT. Die Reaktion von Politik und Wirtschaft nach dem Bekanntwerden dieser umfassenden und unkontrollierbaren Preisgabe des Bankengeheimnisses führe zu dem Schluss, dass sich SWIFT, die Banken und Bankenverbände, die Politik wie auch Behörden in Europa und im Rest der Welt von den USA bei der Datenbeschaffung erpressen lassen würden.
Für Kühling gibt es aber auch gute Nachrichten jenseits des Trends, Freiheitsrechte einem überzogenen Sicherheitsbedürfnis zu opfern. So hätten insbesondere das Bundesverfassungsgericht sowie verstärkt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Berichtszeitraum der Ausweitung von Eingriffsbefugnissen deutliche Grenzen gesetzt und seien so einem nachlässigen Umgang der Behörden und Gerichte mit den Grundrechten in zahlreichen Entscheidungen entgegengetreten. Der Grundrechte-Report erscheint seit 1997 jährlich zum Tag des Grundgesetzes am 23. Mai. Zu den herausgebenden Organisationen gehören etwa die Humanistische Union, die Gustav-Heinemann-Initiative, das Komitee für Grundrechte und Demokratie, der Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen sowie die Internationale Liga für Menschenrechte. (Stefan Krempl) / (vbr/c't)