„Internationale Liga für Menschenrechte“:
Große Koalition bringt Bürgerrechte weiter in Gefahr

Liga-Präsident Rolf Gössner in der morgigen Ausgabe des „FREITAG“ (18.11.2005):
“Koalitionspartner übernehmen kritiklos Schilys staatsautoritäres Erbe
und satteln noch drauf“

„Unter einer Großen Koalition sind die Bürgerrechte weiter in Gefahr, einer vermeintlichen Sicherheit untergeordnet zu werden.“ Zu diesem Ergebnis kommt der Präsident der „Internationalen Liga für Menschenrechte“, Dr. Rolf Gössner, in einem Gastbeitrag für die Berliner Ost-West-Zeitung FREI­TAG. Unter dem Titel „Schilys staatsautoritäres Erbe“ analysiert er jenen Teil der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD, der mit „Deutschland – ein sicheres und freies Land“ überschrieben und in dem auch vom „Recht auf Sicherheit“ die Rede ist. Es sei nicht zu verkennen, „dass die künftige Große Koalition fraglos das staatsautoritäre Erbe Otto Schilys antritt und weiter auf Nachrüstung setzt – etwa mit einer nachträglichen Sicherungsverwahrung auch für Jugendliche und einer neuen Kronzeugenregelung“.

Die höchst umstrittene Kronzeugenregelung ist Ende 1999 aus guten Gründen ausgelaufen. Begründet wurde dies damals mit »Zweifeln an der Glaubwürdigkeit von Kronzeugen«. Der ihnen in Aussicht gestellte Strafnachlass wirke wie ein »Anreiz zu falschen Verdächtigungen und Denunziationen«. „Sollen diese Erkenntnisse nichts mehr gelten, will man erneut mit schmutzigen Deals gegen das Böse zu Felde ziehen?“ fragt Liga-Präsident Gössner in seinem Gastbeitrag, in dem er seine Ablehnung solcher „Zeugen“ so begründet: „Wo der Verrat um des persönlichen Vorteils willen gefordert wird, da sind falsche Bezichtigungen geradezu vorprogrammiert. Der Warencharakter solcher Aussagen liegt in der Natur der Kronzeugenschaft und der Beweiswert eines solchen Staatszeugen sinkt letztlich gegen Null, wie auch die Überzeugungskraft eines darauf gestützten Strafurteils.“

Gerade im Bereich der „Inneren Sicherheit“ und in der Kriminalpolitik sei der gemeinsame Nenner der Großkoalitionäre gefährlich groß. Zwar habe die präventive Sicherungshaft für „gefährliche“ Personen noch abgewendet werden können. Dennoch werde mit problematischen Vorhaben nachgerüstet: So sollen dem Bundeskriminalamt für die Terrorbekämpfung künftig präventive, auch geheimpolizeiliche Befugnisse zur Gefahrenabwehr eingeräumt werden – also schon weit im Vorfeld von möglichen Straftaten und Gefahren. Die »Antiterror«-Ge­setze sollen entfristet werden und keine weitere Evaluierung erfahren. Ebenso sollen die strengen Verfahrensregeln fallen, die bisher zu einem eher maßvollen Einsatz der neuen Eingriffsbefugnisse geführt haben. Die Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten wird weiter aufgeweicht, u.a. mit einer gemeinsamen „Antiterror-Datei“. Eine Entscheidung über den umstrittenen Einsatz der Bundeswehr im Innern, wie er von der CDU/CSU gefordert wird, ist lediglich vertagt worden. Verbesserung des Flüchtlings- und Abschiebeschutzes – bislang Fehlanzeige.

Nach Auffassung der Liga widerspricht es dem Charakter einer liberalen und demokratischen Gesellschaft und einem ebensolchen Rechtsstaat, wenn permanent an der staatlichen Aufrüstungsschraube gedreht wird und dabei Bürgerrechte immer stärker ausgehöhlt werden. „Die Eskalation polizeilicher, geheimdienstlicher oder gar militärischer Antiterror-Reaktionen – deren Effizienz ohnehin recht fraglich ist und die sich oft als kontraproduktiv erweisen – führt letztlich in ein anderes, ein illiberal-autoritäres System“, warnt Gössner im „Freitag“. „Die kritiklose ­Übernahme der Schilyschen Hinterlassenschaften und die Weiterführung seiner staatsautoritären Politik ist angesichts dieser Gefahr in höchstem Maße bedenklich.“

In der pdf-Anlage finden Sie vorab den Artikel von Rolf Gössner, „Schilys staatsautoritäres Erbe“, der morgen, 18.11.05, im FREITAG erscheinen wird.