- Report                                  1/2004

Informationsbrief der INTERNATIONALEN LIGA FÜR MENSCHENRECHTE

Berlin, im März 2004

 


 

An die Mitglieder und Freunde der
„Internationalen Liga für Menschenrechte“

 

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter!

Sie erhalten heute die erste Nummer des LIGA-REPORTs im Jahr 2004 – es ist die dritte Ausgabe seit meiner Wahl zum Liga-Präsidenten im März 2003. Fast ein Jahr ist seitdem vergangen. Die wieder eingeführten Informationsbriefe sollen Spiegel unserer Aktivitäten und inhaltlichen Positionen zu bürger- und menschenrechtlich relevanten Themen sein. Insofern können sie auch als eine Art Rechenschaftsbericht über die Liga-Arbeit gelesen werden. In den Berichten kann zudem die Entwicklung bestimmter Aktivitäten verfolgt werden, wie jene im Zusammenhang mit der „Folterdebatte“ (s. Beitrag von Kilian Stein und Presseerklärung von 7 Bürgerrechtsorganisationen), dem Israel-Palästina-Konflikt (s. Solidaritätserklärung für israelische Piloten, Mauerbau), den „Nachwehen“ des Irak-Kriegs (Irak-Tribunal, Volksmudjahedin) oder den Menschenrechtsverletzungen im Iran (s. Veranstaltungsbesprechung).

Wie Sie feststellen werden, haben wir auch „heiße Eisen“ nicht gescheut – so etwa mit unserer Stellungnahme zu Polizeiübergriffen auf MigrantInnen und zu den katastrophalen Arbeitsbedingungen von marokkanischen Landarbeitern in der Gemüseproduktion Andalusiens; oder unsere menschenrechtlich motivierte Warnung vor einer Auslieferung der iranischen Volksmudjahedin im Irak an den Iran oder gegen die leidige Verbotsdebatte im Kopftuchstreit. Die mediale Resonanz war recht unterschiedlich. Bezüglich des letztgenannten Themas gibt es auch innerhalb der Liga unterschiedliche Positionen, die wir während der letzten Vorstandssitzung debattiert haben.

Herausragendes Ereignis seit dem letzten LIGA-REPORT war die feierliche Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille im Haus der Kulturen der Welt in Berlin.                                       (Fortsetzung S. 2)

Inhalt

Einleitung....................................................................1

Im Geiste Carl von Ossietzkys. Zur Verleihung
der Ossietzky-Medaille (von Rolf Gössner) ...............2

Foltervorwurf: Anklage gegen Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner (Kilian Stein)..............................4

Israel-Palästina-Konflikt:

Solidaritätserklärung für israelische Piloten ...........4

„Jüdische Stimme für gerechten Frieden
in Nahost“
(EJJP Deutschland) stellte sich vor..........6

Aktion gegen Mauerbau in Palästina......................6

EJJP: Die  „Trennungsmauer“ ist inhuman“.........8

EJJP-Brief an den dt. Außenminister..........................9

Liga-Presseerklärungen (Jan. – Febr. 2004)...........10

> Polizeiübergriffe auf Migranten ............................10

> Verfassungswidriges Kopftuchverbot....................10

> Skandalöse Arbeitsbedingungen marokkan.
   Landarbeiter in der Gemüseproduktion.... .............11

> Zum Tod von Hans Lisken.....................................12

> Keine Zwangsauslieferung
   von Volksmudjahedin in den Iran...........................12

> Foltervorwurf: Anklage gegen Polizeivize ............13

> Schlussstrich unter die Vergangenheit? .................13

Iran: Gedenkveranstaltung für Zahra Kazmi............13
Redebeitrag von Aliyeh Yegane................................14

Irak-Tribunal (Kilian Stein) ...................................15

Menschenrechte + Demokratie in der Türkei
Rolf Gössner im Gespräch mit E. Alicpinar..............16

„Zwinger-Käfige“ im Strafvollzug
Parlamentarische Anfrage und Antwort ...................17

Vom Ende der Vertraulichkeit (R. Gössner)..........18

Termine/Veranstaltungen/Literatur-
und sonstige Hinweise ab...........................................20

Impressum .................................................................23

 

Wie Sie wissen, hat die Liga im Dezember 2003 die Publizistin Gerit von Leitner sowie die Bürgerinitiative Freie Heide mit der Medaille ausgezeichnet (s. den zusammenfassenden Bericht gleich im Anschluss).

Zu Ihrer Information haben wir am Ende noch ein Interview mit der kurdischen Zeitung „Özgür Politika“ zur Situation der Menschenrechte in der Türkei sowie einen Aufsatz aus der Zeitschrift „Computerwoche“ über die besorgniserregende Entwicklung der Telekommunikationsüberwachung nachgedruckt.

Wie jedes Mal, so bitte ich Sie auch heute eindringlich, die Liga – wenn es irgend machbar ist – tatkräftig und mit Spenden zu unterstützen, weil eine aktive und unabhängige Menschenrechtsvereinigung nun mal recht kostspielig ist.

Ihnen und der Liga eine produktive und erfolgreiche Zeit im Kampf um die Menschenrechte.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Rolf Gössner

Bremen/Berlin, im Februar/März 2004

Für direkte Kontakte: Email: goessner@uni-bremen.de, Internet: www.rolf-goessner.de

 

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Rolf Gössner

Im Geiste Carl von Ossietzkys

Zur Verleihung der Ossietzky-Medaille 2003

Aus den zahlreichen Preisen, die jährlich in der Bundesrepublik vergeben werden, ragt eine Auszeichnung besonders heraus: die Carl-von-Os­sietzky-Medaille. Sie wird von der „Internationalen Liga für Menschenrechte“ in Berlin seit über 40 Jahren zum Tag der Menschenrechte verliehen. Es ist eine Auszeichnung für widerständiges politisches Engagement, für Zivilcourage und kritische Aufklärung – eine Auszeichnung, wie sie Mitte Dezember 2003 wieder im „Haus der Kulturen der Welt“ an Personen und Gruppen verliehen worden ist, die sich um Verteidigung, Durchsetzung und Fortentwicklung der Menschenrechte und des Friedens besonders verdient gemacht haben. In den vergangenen Jahren gehörten zu den Ausgezeichneten Hannes Heer und das Team der Ausstellung „Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht“, die Richter und Staatsanwälte für den Frieden, die Samstags-Frauen von Istanbul, Asyl in der Kirche und les Collectifs des Sans Papiers. Im Kriegsjahr 2003 hat sich die Liga gleich für zwei Preisträgerinnen entschieden: für die Historikerin und Publizistin Gerit von Leitner aus Berlin sowie die Bürgerinitiative „Freie Heide“ aus Brandenburg. Das Kriegsjahr 2003 war auch ein Jahr der Massenproteste gegen diesen Krieg. Und gerade vor diesem Hintergrund wollte die Liga mit ihrer Auswahl der Preisträger ein friedens­politisches Zeichen setzen.

Gerit von Leitner wurde mit der Ossietzky-Medaille geehrt, weil sie in ihren Publikationen die individuelle Verantwortung von Wissenschaftlern einklagt, die Mittel zur Kriegsführung entwickeln und bereitstellen. Sie appelliert an ihre spezielle Verantwortung für den Frieden. Und sie erinnert an Schicksale von mutigen Frauen im Wissenschaftsbetrieb, die sich dieser Verantwortung stellten, für eine humane Wissenschaft kämpften und sich dem Militarismus in der Gesellschaft energisch widersetzten.

So werden wir in ihrem Buch „Der Fall Clara Immerwahr“ mit dem Schicksal einer jüdischen Wissenschaftlerin Anfang des vorigen Jahrhunderts konfrontiert. Clara Immerwahr war die Frau des Nobelpreisträgers und Kriegsverbrechers Fritz Haber, dessen Forschungen über die Ammoniaksynthese einerseits dem Wohle der Landwirtschaft diente, aber auch der Kriegswirtschaft. Seine Frau, die in ihrer Arbeit als Chemikerin hinter ihrem Mann zurückzustehen hatte, musste miterleben, wie ihr Mann ein mörderisches Giftgas entwickelte, eine chemische Waffe, die im Ersten Weltkrieg an den Kriegsfronten mit verheerenden Folgen eingesetzt wurde. Haber hatte den völkerrechtswidrigen Einsatz von Giftgas selbst angeregt. Seine Frau protestierte in aller Öffentlichkeit gegen diesen Missbrauch der Wissenschaft – aber sie konnte ihn letztlich nicht verhindern. Sie wurde von Haber deshalb als Vaterlandsverräterin gebrandmarkt und in den Selbstmord getrieben.

Gerit von Leitner hat das Schicksal Clara Immerwahrs aus der Vergessenheit zurückgeholt. Sie zeichnet das Bild einer emanzipierten Frau nach, die an die Verantwortung der Naturwissenschaftler für den Frieden appelliert und gegen die Bedrohung der menschlichen Lebensgrundlagen gekämpft hatte. So vermittelt sie, wie es Eberhard Radczuweit in seiner Laudatio for­muliert, „Erkenntnisse über die Perversion mensch­lichen Erfindergeistes im Zusammenspiel mit wirtschaftlichen und politischen Interessen“.

Erst 1925 wird mit dem Genfer Giftgasprotokoll der Einsatz biologischer und chemischer Waffen geächtet – gleichwohl wurden solche Waffen weiterhin eingesetzt, erinnert sei nur an den US-Einsatz von Napalm und Agent-Orange in Vietnam oder an das Giftgas-Massaker des Saddam-Regimes gegen Kurden in Halabja. Obwohl schon Entwicklung, Produktion und Lagerung solcher Waffen nach der Chemiewaffenkonvention von 1997 verboten sind, werden sie immer noch produziert – nicht nur von Schurkenstaaten. Erst zu Beginn diesen Jahres hat sich die US-Armee eine neuartige Granate patentieren lassen, mit der unter anderem biologische und chemische Kampfstoffe versprüht werden können. Und die US-Armee wurde kürzlich wegen ihres Kampfes gegen den Terror von lästigen Umweltschutzauflagen befreit, so dass sie Reste ihrer Chemiewaffen nicht zu entsorgen braucht, die Luft stärker verschmutzen und die Meere mit Sonar-Frequen­zen verseuchen darf, die Navigation und Kommunikation von Walen und Delphinen stören.

Vor diesem aktuellen Hintergrund leistet Gerit von Leitner mit ihren Publikationen eine Erinnerungsarbeit, die gerade in heutiger Zeit wieder von höchstem Interesse ist, insbesondere für Menschen, die sich dem Kriegs- und Rüstungswahnsinn individuell oder kol­lektiv entgegenstemmen. Und damit ist nicht zuletzt die andere Preisträgerin gemeint: Denn die Bürgerinitiative "Freie Heide" wehrt sich seit Jahren kollektiv gegen die weitere militärische Nutzung des sogenannten Bombodroms – eines über 140 Qua­dratkilometer großen Areals in der Kyritz-Ruppiner Heide bei Wittstock in Brandenburg. Dieses Areal, etwa hundert Kilometer von Berlin entfernt, hatte der sowjetischen Roten Armee vierzig Jahre als Schieß- und Bombenabwurfgelände gedient und soll nach dem Willen der Bundesregierung künftig für die deutsche Luftwaffe und die gesamte NATO die gleiche Funktion erfüllen. Es wäre der größte Luft-Boden-Schießplatz in der Bundesrepublik und europaweit.

Bislang scheiterten die Verteidigungsminister von Volker Rühe bis Peter Struck immer wieder am Widerstand der Anwohner und an den Feinheiten des Verwaltungsrechts. Obwohl mehrere Anliegergemein­den, Naturschutzverbände und Hoteliers gegen die Inbetriebnahme geklagt hatten, ordnete Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD), einst Befürworter einer zivilen Nutzung, im Sommer 2003 den sofortigen Vollzug der militärischen Nutzung an. Einstweilige Verfügungen haben die Inbetriebnahme bislang noch verhindern können.

Die 1992 gegründete Bürgerinitiative stellt sich, nunmehr schon elf Jahre lang, der militärischen Nutzung des Geländes entgegen. Sie betreibt nicht nur den Schutz von Natur und Umwelt, sondern leistet Widerstand gegen den modernen Bombenkrieg, gegen die systematische Ausbildung zum Töten durch Luft­angriffe. Die Mitglieder der Bürgerinitiative ken­nen die Antwort auf die Frage, warum Soldaten der Bundeswehr und anderer NATO-Staaten in der Ruppiner Heide den Abwurf von Bomben erlernen und trainieren sollen. Um sich auf kommende Kriege vorzubereiten – und zwar auf Kriege, die nicht mehr Verteidigungskriege sein werden, wie es im Grund­gesetz festgeschrieben ist, sondern entsprechend der neuen Militärstrategien völkerrechtswidrige Interven­tionskriege in aller Welt.

Im Windschatten des internationalen Terrorismus und im Zeichen des weltweiten Anti-Terror-Kampfes sind sämtliche Prinzipien militärischer Beschränkung aufgeweicht, ist die Unterordnung unter die Regeln des Völkerrechts aufgekündigt worden. Auch gegen diese fatale Entwicklung ist die Widerstandsarbeit der „Freien Heide“ gerichtet – frei nach dem Motto „global denken – regional handeln“. Die Bürgerinitiative versteht sich dabei als Teil der Friedensbewegung und findet Unterstützung quer durch die politischen Lager.

Mit der Ossietzky-Medaille sind also zwei Preisträgerinnen ausgezeichnet worden, die vergleichbare Ziele mit höchst unterschiedlichen Mitteln verfolgen – und das mit viel Kraft und großer Ausdauer. Die gemeinsame Klammer ist ihr Einsatz gegen Militarisierung, Krieg und Rüstungsinteressen – ein Engagement wie aus dem Vermächtnis Carl von Ossietzkys.

(leicht veränderte Fassung eines Beitrages
in „Ossietzky“ 1/2004, S. 32 ff.)

Ende März erscheint die Dokumentation zur Verleihung der Ossietzky-Medaille 2003 mit der Eröffnungs­rede von Rolf Gössner, der Laudatio von Eberhard Radczuweit, den Dankesreden von Gerit von Leitner sowie von Benedikt Schirge und Annemarie Friedrich für die Bürgerinitiative „Freie Heide“. Zu beziehen über das Liga-Büro (s. Impressum).

Berichte zur Medaillen-Verleihung (Auswahl)

Koch, Kontra Krieg und Militär. Carl-von-Ossietzky-Medaille an Bürgerinitiative Freie Heide und Gerit von Leitner, in: NEUES DEUTSCHLAND v. 13./14.12.2003

Berliner Publizistin erhält die Ossietzky-Medaille, in: BERLINER MORGENPOST, BERLINER KURIER v. 14./15.12.2003

Kerber, „Schaut auf diese Dörfer“, in: MÄRKISCHE ALLGEMEINE v. 15.12.2003

 

Die FREIe HEIDe, Empfängerin der letzten Carl-von-Ossietzky-Medaille, bedankte sich mit einer DVD über die Verleihungsfeier im Haus der Kulturen der Welt und schreibt von der "Neujahrsdemo in Schweinrich, die schon Tradition hat und diesmal mit ca.1.500 Teilnehmern einen absoluten Rekord aufgestellt hatte. Vielleicht ist dieser unerwartete Zuspruch auch der C.v.O.-Preisverleihung zu verdanken. Wir freuen uns jedenfalls darüber. Nun gehen unsere Gedanken schon wieder Richtung Ostermarsch 2004 in Fretzdorf..." - zu dem wir also jetzt schon aufrufen möchten.

Inzwischen hat sich mit knapp 3.000 Unterschriften eine Bürgerinitiative für eine europäisches Vogelschutzgebiet Rhinluch der BI FREIe HEIDe und der Unternehmerinitiative PRO HEIDE gegen das „Bombodrom“ angeschlossen.         
(M.R-H.)

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Foltervorwurf

Anklage gegen
Polizeivizepräsident Daschner

Im Liga-Report 2/2003 haben wir zur sog. Folterdebatte Stellung genommen und über die Aktivitäten der Liga im Fall des Polizeivizepräsidenten von Frankfurt a.M., Wolfgang Daschner, berichtet. In dieser Angelegenheit ist nun mit der Erhebung einer Anklage vor einer Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. wegen Verleitung zu einer Nötigung in einem schweren Fall eine wichtige Entscheidung gefallen.

Am Tag der Bekanntgabe durch die Staatsanwaltschaft hat die Liga in einem breiten Bündnis mit sechs anderen Menschen- und Bürgerrechtsgruppen die eine Presseerklärung herausgegeben (s. weiter unten) sowie im Haus der Demokratie eine Pressekonferenz abgehalten, die von einigen Journalisten besucht war. Auch der Sender 3SAT war vertreten.

Auf der Pressekonferenz wies Rechtsanwalt Nils Leopold (HU) darauf hin, dass die Aufhebung der Absolutheit des Folterverbots der Einstieg in eine kaum mehr einzudämmende Folterpraxis sein könnte. Dieser kulturelle Bruch müsse unter allen Umständen verhindert werden. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft sei deshalb zu begrüßen. Das Vorgehen Daschners hält er für eine gezielte Provokation, diesen Zivilisationsbruch herbeizuführen.

Rechtsanwalt Fredrik Roggan (HU) begründete, weshalb die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die Anklage nicht wegen Aussageerpressung zu erheben, juristisch richtig ist. Das Strafgesetzbuch enthalte in § 343 („Aussageerpressung“) insoweit eine Lücke, als darin die Folter zum Zweck der Gefahrenabwehr, wie im Entführungsfall Jakob von Metzler, nicht enthalten ist. Vom Gesetzgeber müsse gefordert werden, diese Lücke zu schließen.

Für die Liga habe ich die Irrwege benannt, die die Staatsanwaltschaft vermieden hat, die aber im weiteren Verlauf des Verfahrens durchaus noch beschritten werden können. Der schlimmste Fall wäre gewesen, wenn die Staatsanwaltschaft das Verhalten Daschners überhaupt nicht als Straftat gewertete hätte, was durchaus in Übereinstimmung mit Tendenzen in der Verfassungsdiskussion stünde, die auf eine Relativierung des Verfassungsgebots der Achtung vor der Würde des Menschen abzielen. (vgl. Liga-Report 2/2003, „Die Würde des Menschen ist antastbar“). Die andere Möglichkeit wäre gewesen, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. Wozu eine Verfahrenseinstellung missbraucht werden kann, hat die Einstellung des Verfahrens gegen den früheren Bundeskanzler Kohl wegen Untreue gezeigt – er kam mit einer der Zahlung einer Geldbuße davon. Keine dieser Gefahren sind mit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft schon gebannt.

Bei dem Gespräch mit den Journalisten wurde die Frage angesprochen, weshalb die sog. Folterdiskussion gerade jetzt entbrannt ist. Hat diese möglicherweise mit der Übernahme internationaler militärischer „Verantwortung“ durch die Bundesrepublik zu tun?

Allen Bürgerrechtsgruppen ist klar, dass es auch weiterhin einer genauen Beobachtung und publizistischen Begleitung des Verfahrens gegen Daschner bedarf. In den nächsten Monaten werden die Bürgerrechtsgruppen bei gegebenem Anlass — Eröffnung oder Nichteröffnung des Hauptverfahrens, gerichtliche Verhandlung — eine Diskussionsveranstaltung zu dieser Problematik durchführen.                                           K.St.

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Israel-Palästina-Konflikt

Solidaritäts-Erklärung von internationalen Menschenrechts- und Juristenorganisationen
zum Brief der 27 israelischen Piloten an den Chef der Luftstreitkräfte Generalmajor Chalutz

Zahlreiche internationale Menschenrechts- und Juristenvereinigungen haben am Wochenende dem Botschafter des Staates Israel in Berlin eine öffentliche Erklärung übermittelt. In dieser Erklärung solidarisieren sich die unterzeichneten Organisationen, unter ihnen die Internationale Liga für Menschenrechte, mit den 27 Piloten der israelischen Luftwaffe, die sich gegenüber dem Chef der Luftstreitkräfte Israels, General Dan Chalutz, weigerten, künftig “Befehle auszuführen, die rechtswidrig und unmoralisch sind wie die Angriffe, die der Staat Israel in den besetzten (palästinensischen) Gebieten unternimmt”, “an Luftangrif­fen auf Wohngebiete teilzunehmen” und “unschuld­igen Zivilisten weiterhin Schaden zuzufügen”.

Der Brief der 27 Piloten an Chalutz ist ein „beeindruckendes Dokument moralischer Aufrichtigkeit und Entschiedenheit“, heißt es in der Solidaritätserklärung. Die Unterzeichner wenden sich gegen alle Versuche israelischer Journalisten und Politiker, diese mutigen Piloten als ”Verräter” und ”Putschisten” zu beschimpfen und sie in ihrer Reputation zu beschädigen. In der Erklärung heißt es wörtlich: „Der Staat Israel und seine Bevölkerung können stolz darauf sein, dass hochrangige Offiziere seiner Luftwaffe blinden Kadaver-Gehorsam ablehnen und die Mitwirkung an Kriegsverbrechen verweigern.“ Dabei stellten die Piloten ebenso wenig wie die Unterzeichner das Recht Israels in Frage, sich gegen terroristische Gewalt, die sich ihrerseits gegen die Zivilbevölkerung richtet,  „mit angemessenen - legalen - Mitteln zur Wehr zu setzen“.

Im Anhang ist die Solidaritätserklärung in vollem Wortlaut mitsamt den unterzeichneten Organisationen und einer Auswahl von Einzelpersonen abgedruckt. Wir bitten um Beachtung.

i.V. Dr. Rolf Gössner, Liga-Präsident

 

Solidaritäts-Erklärung

zum Brief der 27 israelischen Piloten
vom 25. September 2003
an den Chef der Luftstreitkräfte
Generalmajor Dan Chalutz

1. Wir begrüßen mit Hochachtung und großem Respekt den mutigen Schritt der 27 Piloten der israelischen Luftwaffe

- unter anderem Brigadegeneral Yiftav Spector, Oberst Yigal Shohat, Oberst Ran, Oberstleutnant Yoel Piterberg, Oberstleutnant David Yisraeli, Oberstleutnant Adam Netzer, Oberstleutnant Avner Ra’anan, Oberstleutnant Gideon Shaham, Major Haggai Tamir, Major Amir Massad, Major Gideon Dror, Major David Marcus, Major Professor Motti Peri, Major Yotam, Major Zeev Reshef, Major Reuven, Hauptmann Assaf, Hauptmann Tomer, Hauptmann Ron, Hauptmann Yonatan, Hauptmann Allon und Hauptmann Amnon -,

den sie mit ihrem dem Chef der israelischen Luftstreitkräfte, General Dan Chalutz überreichten Brief unternommen haben.

In diesem Brief erklären sie,

- dass sie es künftig ablehnen, ”Befehle auszuführen, die rechtswidrig und unmoralisch sind wie die Angriffe, die der Staat Israel in den besetzten (palästinensischen) Gebieten unternimmt”,

- dass sie es ferner ablehnen, ”an Luftangriffen auf Wohngebiete teilzunehmen” und

- dass sie sich weigern, ”unschuldigen Zivilisten weiterhin Schaden zuzufügen”.

Denn diese Aktionen seien ”rechtswidrig und unmoralisch und eine unmittelbare Folge der anhaltenden Besetzung, welche die israelische Gesellschaft als Ganze korrumpiert”.

2. Der Brief der 27 Piloten ist ein beeindruckendes Dokument moralischer Aufrichtigkeit und Entschiedenheit. Diese Soldaten sind nicht länger bereit, dem überkommenen Grundsatz ”Befehl ist Befehl” selbst dann zu folgen, wenn die Ausführung des Befehls geltendes Kriegsvölkerrecht verletzt.

Diese Soldaten können sich mit ihrer Haltung nicht nur auf die ”Nürnberger Prinzipien” berufen, die 1945/46 von den Gerichten der Alliierten in den Nürnberger und Tokioer Kriegsverbrecher-Prozessen herausgearbeitet und später von der UN-Generalver­sammlung durch nahezu einstimmigen Beschluss als geltendes Völker-Gewohnheitsrecht festgestellt worden sind.

Auch das in den Genfer Konventionen kodifizierte Kriegsvölkerrecht verlangt, dass militärische Angriffe nur gegen Angehörige gegnerischer Streitkräfte geführt und dementsprechend Zivilpersonen und ziviles Eigentum nicht als militärische Ziele behandelt werden dürfen.

Militärische Befehlshaber und Vorgesetzte, die Befehle erteilen, die diese fundamentalen Rechtspflichten missachten oder die solch schwere Rechtsbrüche dulden, begehen Kriegsverbrechen und müssen mit ihrer Bestrafung rechnen.

3. Wir wenden uns gegen alle Versuche israelischer Journalisten und Politiker, die mutigen 27 Piloten als ”Verräter” und ”Putschisten” zu beschimpfen und sie in ihrer Reputation zu beschädigen. Der Staat Israel und seine Bevölkerung können stolz darauf sein, dass hochrangige Offiziere seiner Luftwaffe blinden Kadaver-Gehorsam ablehnen und die Mitwirkung an Kriegsverbrechen verweigern. Dabei stellen sie ebenso wenig wie wir das Recht Israels in Frage, sich gegen terroristische Gewalt mit angemessenen - legalen - Mitteln zur Wehr zu setzen.            Nov./Dez. 2003

 

 

Solidaritäts-Erklärung zum Brief der 27 israelischen Piloten vom 25. September 2003

ErstunterzeichnerInnen:

Dr.Bernd Asbrock für die Fachgruppe Richter/Staatsanwälte in ver.di

ASM  (Association Syndicale des Magistrats, Richtervereinigung), Belgien

Eric David, Professor für internationales öffentl. und  Strafrecht, Freie Universität Brüssel

EJJP-Deutschland (European Jews for a Just Peace - Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost)

RA Dr. Rolf Gössner, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte

Humanistische Union, Bundesvorstand

IALANA,  Vorstand der Deutschen Sektion, (Internat. Association of Lawyers against Nuclear Arms),

Internationale Liga für Menschenrechte , Berlin

Livio Pepino (Richter, Italien), Präsident der Magistratura Democratica 

Juan Ignazio Patrone, (Richter Italien), Präsident MEDEL (Magistrats Européens pour la Democratie et les Libertés),

Miguel Carmona, Vizepräsident MEDEL (Richter, Spanien),

Marie-Anne Swartenbroeckx, Generalsekretärin MEDEL (Staatsanwältin, Belgien)

Michal Kaiser-Livneh, AK Nahost Berlin und Gründungsmitglied der Jüdischen

Stimme für gerechten Frieden in Nahost - EJJP Deutschland.

RA Wolfgang Kaleck, Vorsitzender des RAV ( Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein)

NRV  (Neue Richtervereinigung, Zusammenschluss von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten e.V.),

Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin (Berlin), Gründungsmitglied der Deutschen Sektion der

European Jews for a Just Peace - Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost

RA Thomas Schmidt, Generalsekretär der Europäischen Vereinigung von

Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt

RA Rüdiger Jung, Berlin

RA Hannes Honecker, Geschäftsführer RAV, Berlin

Bundesausschuss Friedensratschlag

Peter Strutynski (Sprecher Bundesausschuss Friedensratschlag)

Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim Internationalen Versöhnungsbund - Deutscher Zweig

 

 

 

Einzelunterzeichner (Auswahl):

Johannes Ahlefeldt, Berlin; Dr. Susanne Asche, Karlsruhe; Ruth Braun, Karlsruhe; Roland Brinkmann, Berlin; Ursula Brümann, Berlin; Hannah Drexel, Berlin; Lothar Eberhardt, Berlin; Christel Engler; Martin Forberg, Berlin; Wolfgang Freese, Neuruppin; H. Günther; Sara Harbova, Berlin; Henrike Hopf, Berlin; Marianne Hundt, Berlin; Maria Kerammari, Berlin; Traugott Klose; Traugott,. Friederike u. Christine Kuhnt, Alt-Ruppin; Helge Löw, Berlin; Dagmar Meier, Berlin; Peter Mendelsohn, Berlin; Jonas Lühnemann, Berlin; Heinz-H. Mascher; Marline Ratzlaff,.Berlin; Marianne Reiff-Hundt, Berlin; Björn Rohde-Liebenau, Berlin; Klaus Rürup, Karlsruhe; Benedikt und P. Schirge; Marianne Siemes, Berlin; Holger Skidzun, Berlin; Freddy Skidzun, Berlin; Henry Stahl, Berlin; Renate Schüler, Gadow; Jens-Uwe Thomas, Berlin; Prof. Teja Tscharnke, Göttingen, Rosa Vahedi, Berlin...

Lieber Rolf Gössner,

mit diesem Brief möchte ich dem Vorstand der Internationalen Liga für Menschenrechte dafür danken, dass wir in ihren geistigen aber auch in den stofflichen Mauern aus Stein eine Unterkunft gefunden haben. Wir halten unsere Versammlungen – immer am letzten Sonntag des Monats in der Zeit zwischen 13.30 und 17.00 Uhr – im Haus der Demokratie und Menschenrechte ab.

Die Pressekonferenz, die wir gemeinsam mit Richard Kuper, Vorsitzender des Exekutivkomitees der „European Jews for a Just Peace“, am 03. Februar im Robert-Have­mann-Saal des Hauses der Demokratie und Menschenrechte abgehalten haben, war ebenso wie die Medieninszenierung gegen die Trennungsmauer, die  am 07. Februar am Checkpoint Charlie stattfand, überaus erfolgreich. Es wurde in mehreren Zeitungen und Rundfunkanstalten davon berichtet. Die Aktion gegen die Trennungsmauer fand sogar im Fernsehen einen Platz. Ich schicke Dir zusammen mit unserer vorläufigen Selbstverständniserklärung, mit unserer Stellungnahme gegen die Trennungsmauer und unseren Brief an Außenminister Fischer, (der in seinem Auftrag inzwischen auch beantwortet wurde), einen Auszug aus einem Artikel, der in der „Jüdischen Allgemeine - Wochenzeitung für Politik, Kultur, Religion und Jüdisches Leben“ vom 12. Februar 2004 zu lesen war und insgesamt durchaus umfassend von unserer Aktion berichtete...

Ich wünsche allen Liga-Aktivisten alles Gute

Fanny-Michaela Reisin

 

Jüdische Stimme für

gerechten Frieden in Nahost

EJJP-Deutschl.

European Jews

for a Just Peace

(EJJP)

 

Vorläufiges Selbstverständnis

Wir, Frauen und Männer jüdischer Herkunft  in Deutschland, haben uns vereinigt, um sichtbar zu machen, dass wir aus den historischen Erfahrungen unserer Vorfahren um die Entwürdigung und den Schmerz wissen, die Menschen zugefügt werden, wenn sie systematisch ausgegrenzt und entrechtet werden. Es darf sich kein Volk über ein anderes Volk und kein Mensch über einen anderen Menschen erheben. Alle Menschen sind gleich an Rechten geboren.

Unsere Vereinigung mit dem Namen Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost – EJJP Deutschland ist eine Sektion der im Jahre 2002 in Amsterdam gegründeten Föderation, „European Jews for a Just Peace“. Die „Erklärung von Amsterdam“, auf die sich Vertreter und Vertreterinnen von 18 Friedensorganisationen aus neun Ländern Europas seinerzeit verständigten, ist die Basis auch für die Arbeit der Jüdischen Stimme in Deutschland.

Die Jüdische Stimme verurteilt die seit 37 Jahren andauernde Besetzung der Westbank, des Gazastreifens und von Ostjerusalem durch den israelischen Staat als einen nicht hinnehmbaren Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen, gegen das Völkerrecht und gegen alle Beschlüsse der Vereinten Nationen dazu seit 1967. Die tagtägliche Besetzungspraxis greift in alle Lebensbereiche des palästinensischen Volkes in den besetzten Gebieten ein und hat nachhaltig zerstörerische Wirkung. Die Gründung einer deutschen Sektion des EJJP ist durch den Entschluss ihrer Mitglieder motiviert, gemeinsam mit Juden und Jüdinnen in Europa, auch hierzulande öffentlich allen zu widersprechen,  die in Israel und anderswo vorgeben, die Besatzung und Besiedlung von Gebieten außerhalb der Grenzen Israels geschehe zum Schutz, im Namen und im Interesse aller Juden der Welt.

Wichtigster Adressat unseres Wirkens ist die bundesdeutsche Regierung. Wir erwarten von der deutschen Regierung, dass sie mit allen politischen Mitteln auf einen Kurswechsel der israelischen Regierung hinwirkt. Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie ihr ökonomisches und politisches Gewicht für Gerechtigkeit und Frieden im Nahen Osten fruchtbar macht und damit zum Wohle aller dort lebenden Völker beiträgt.

Die Mitglieder und Freunde der Jüdischen Stimme sind sich der überwältigenden Asymmetrie bewusst, die zwischen der strukturellen Gewalt besteht, die von der Regierung und den Militärorganen des israelischen Staats in den besetzten Gebieten ausgeübt wird einerseits und den Gewaltformen, die von den nicht staatlichen Organisationen und Individuen in Palästina ausgehen andererseits. Alle geschichtliche Erfahrung zeigt, dass vergleichbar asymmetrische und inhumane Dominanzverhältnisse einen widerständigen Untergrund produzieren, der militärisch nicht besiegbar ist.  Das Existenzrecht des Staates Israel wird erst dann zur unangefochtenen und nicht gefährdeten Selbstverständlichkeit werden, wenn seine Regierung versteht, dass dasselbe Existenzrecht und ein Leben in Frieden und Würde auch für den benachbarten palästinensischen Staat und seine Bevölkerung unverzichtbar sind.

Gewalt gegen Zivilisten und insbesondere auch Selbstmordattentate islamistischer Organisationen werden von der Jüdischen Stimme moralisch und politisch verurteilt. Sie hält am Prinzip der Gewaltfreiheit als oberstem Gebot bei der Lösung von Konflikten fest. Darin ist sie sich  mit allen Organisationen in Palästina und in Israel einig, die mit ausschließlich politischen Mitteln auf Gleichberechtigung, Gerechtigkeit und Frieden zwischen dem israelischen und palästinensischen Volk hinwirken.

Indem die Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden im Nahen Osten eintritt, widersetzt sie sich der Ausgrenzung der Palästinenser durch die israelische Regierung. Den Vorwurf, dass die Verurteilung der Besatzungspolitik der israelischen Regierung per se antisemitisch sei, weist sie als unhaltbar zurück.

Vor dem Hintergrund zunehmender Erscheinungen von Antisemitismus, Rassismus und anderer Formen der sozialen und politischen Ausgrenzung in Deutschland und seinen Nachbarländern sind sich die Mitglieder und Freunde der Jüdischen Stimme darüber einig, dass allein der entschlossene Widerstand gegen alle Ausprägungen der Herabstufung und Verachtung von Menschen diesen die Grundlagen entziehen kann. In Deutschland gilt es jedoch klar zu sagen: Positionen, hinter denen sich antisemitische Einstellungen verbergen, sind mit dem Anliegen der Jüdischen Stimme unvereinbar. In inneren politischen Gesprächen wird ebenso wie im Zusammengehen mit anderen Organisationen und Gruppen stets zu berücksichtigen sein, dass einzelne ihrer Mitglieder und Freunde selbst Diskriminierung erlebt haben oder erleben. 

Berlin, 25. Januar 2004

 

Aktion gegen den Mauerbau
in Palästina

7. Februar 2004, Checkpoint Charlie, Berlin

Am Checkpoint Charlie stand am 7. Februar 2004 zwei Stunden lang eine Mauer. Sie war im Rahmen der internationalen Kampagne ‚Stop the Wall’ als Symbol für den Mauerbau in Palästina aufgestellt worden. Das Getöse von israelischen Panzern, Hubschraubern, Bulldozern und F16 Kampfjets, als Geräuschkulisse in Palästina ständig erfahrbar, lösten Aufmerksamkeit und Betroffenheit bei den BesucherInnen des Mauermuseums am checkpoint Charlie, PassantInnen und UnterstützerInnen  der Aktion aus. Die von der Vorbereitungsgruppe der Aktion bereitgestellten Materialien – Fototafeln und mehrsprachige Informationsblätter- riefen dadurch reges Interesse hervor, klärten sie doch darüber auf, dass der Mauerbau in Palästina in Verbindung mit der Zerstückelung des Landes in einzelne kleine Bantustans in keiner Weise hilfreich ist auf dem Weg zu einem gerechten Frieden in der Region. Im Gegenteil: Er (Der Mauerbau) verschärft und eskaliert die Situation und verhindert mit jedem fertig gestellten Abschnitt die Möglichkeit für ein friedliches Zusammenleben.

Entlang des ehemaligen Mauerverlaufs in Berlin symbolisch auf die Situation in Palästina und Israel hinzuweisen, gestaltet sich hierzulande als schwierig, galt doch die ‚Berliner Mauer’ in den Zeiten des ‚Kalten Krieges’ den einen als notwendiger „antifaschistischer Schutzwall“, den anderen als überflüssige, unmenschliche und unüberwindbare Trennungsmauer, als „Eisener Vorhang“. Dies könnte, je nach Standpunkt der BetrachterIn, zu Analogien verleiten, was der Einmaligkeit der geschichtlichen Konstellation der Berliner Mauer entgegenstünde.

Festzuhalten ist dennoch, dass die Berliner Mauer wie jede Mauer auf dieser Welt Menschen voneinander trennte. Von einem Tag auf den anderen konnten Freunde sich nicht mehr gegenseitig besuchen, wurden Familien getrennt und für viele ging ihre Lebensgrundlage verloren. In dieser Hinsicht verstehen wir die Analogie zum Mauerbau in Palästina.

Das Zustandekommen der Aktion war durch das Verhalten der Polizei mehr als fraglich und konnte nur durch die Anwesenheit und Unterstützung von über 250 Menschen und mit anwaltlicher Hilfe durchgesetzt werden.

Unterstützt wurde die Aktion von folgenden Gruppen und Einzelpersonen:

AK Internationalismus IG Metall Berlin,  AK Nahost,

Deutsch-Israelisch-Palästinensische Gesellschaft e.V.,

Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V. RG-Berlin,

Frauen in Schwarz (Wien),

Internationale Liga für Menschenrechte,

International Solidarity Movement Berlin (ISM),

IPPNW,

Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost,

Laura von Wimmersperg, Moderatorin der Berliner Friedenskoordination,

Palästinensische Gemeinde Berlin,

Vereinigung der Freunde Palästinas in Berlin-Brandenburg

Zahlreiche JournalistInnen und 2 Fernsehteams berichteten in den regionalen Medien.

Die Vorbereitungsgruppe

Kontaktadresse: thewall2@gmx.de

 

Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost
(EJJP-Deutschl)

European Jews
for a Just Peace

(EJJP)

 

Die „Trennungsmauer“
Palästina-Israel ist inhuman!

Ihr Bau schafft Unfrieden.
Ohne Frieden keine Sicherheit in Nahost

 

Die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost – EJJP Deutschland reiht sich in die Vielzahl der Stimmen ein, die heute in Palästina, in Israel und auf der ganzen Welt gegen den Bau der so genannten Trennungsmauer (separation wall) in Palästina protestieren. Wir erklären:

- Die Mauer ist ein flagranter Verstoß gegen das Völkerrecht, gegen die Menschenrechte und gegen die elementaren Grundrechte.

- Die Mauer ist ein flagranter Angriff auf die Möglichkeit der Errichtung eines souveränen und lebensfähigen Staats Palästina. Ihr Bau kommt einer de facto Annexion der bisher besetzten Gebiete Palästinas gleich.

- Die Mauer untergräbt alle Bemühungen um einen gerechten Frieden in Nahost.

Israel behauptet,
 die Mauer sei eine vorübergehende Maßnahme

Die Mauer, eine Kombination aus Beton und Zaun, wird durchgehend 8 m hoch, d.h. doppelt so hoch wie die Berliner Mauer sein. Wachtürme in Abständen von jeweils einigen Hundert Metern, Militärstraßen für bewaffnete Patrouillen auf beiden Seiten, 6 m breite und 4 m tiefe Gräben für schweres Geschütz, elektro-sensorische Drahtzäune entlang der Mauer: Sind das vorübergehende Maßnahmen? An den meisten Stellen ist das Bollwerk 100 m breit. Die geplante Länge kennt niemand. Schätzungen reichen von 600 bis 1000 km, wobei die Kosten pro Kilometer mit $1 Million angegeben werden. Die “Trennungsmauer” ist auf Dauer geplant.

Israel behauptet,
es handele sich um eine Sicherung ihrer Grenze

Die Mauer verläuft nicht entlang der sog. Grünen Linie von 1967. Nahezu überall östlich dieser Grenze errichtet, dringt sie tief in die besetzten Gebiete ein. Fruchtbare Ländereien, Obst- und Olivenhaine, Wasserquellen, Häuser, Gärten, Straßen und Wege werden brutal zerstört oder von den Dörfern und Städten entkoppelt, denen sie als Lebensgrundlage dienen. Zur Annexion der Siedlungen in der Westbank an Israel wird jede Verlängerung und jeder noch so unmenschliche Verlauf in Kauf genommen. Palästinensische Städte sind zum Teil gänzlich von der Mauer eingeschlossen, manche auf der westlichen Seite von ihren Nachbarorten im Osten abgegrenzt und isoliert. Der Verlauf der Mauer belegt schon in der ersten Phase ihres Baus unmissverständlich: Ihr Zweck ist nicht die Sicherung der Grenzen Israels, sondern die Untermauerung der Besatzungsherrschaft .

Die Mauer verletzt das Menschenrecht
auf würdiges Leben

Die „Trennungsmauer“ manifestiert die “Friedensvision” der Sharonregierung: Ein loser Verbund palästinensischer Kantone unter der Herrschaft Israels anstelle eines unabhängigen, souveränen und lebensfähigen Staats, Palästina, auf integriertem Hoheitsgebiet. Schon jetzt sind ca. 210.000 Palästinenser um ihre elementaren Menschenrechte gebracht. Kinder und Lehrer müssen auf dem Weg zur Schule Kontrollpunkte passieren, die willkürlich geöffnet  und geschlossen werden. Ebenso Kranke und Ärzte auf dem Weg zum Krankenhaus, Händler auf dem Weg zum Markt. Die unvertretbaren Repressionen gegen Palästinenser, gegen Internationalisten und Israelis, die sich in Verteidigung der elementaren Lebensbedingungen dem Mauerbau mit friedlichen Mitteln vor Ort widersetzen, zeugen vom Geist der Sharon-Regierung.

Wir rufen im Interesse eines gerechten Friedens zwischen Israel und Palästina dazu auf, mit allen politischen Mitteln gegen den weiteren Bau der Mauer zu protestieren. Die Mauer muss weg!

Wir bitten überdies eindringlich um Unterstützung von israelischen und palästinensischen Organisationen, die sich vor Ort gegen die Trennungsmauer für Frieden und Gerechtigkeit erheben.

Darunter: Palestinian Environmental NGOs Network www.pengon.org; Ta'ayush Arab Jewish Partnership www.taayush.org ;  B’tselem  www.btselem.org und Gush Shalom  www.gush-shalom.org ; http://www.petitiononline.com/stw/petition.html

FRIEDEN BRAUCHT BRÜCKEN,
NICHT MAUERN!

Berlin, 07. Februar 2004

Jüdische Allgemeine – Wochenzeitung für Politik, Kultur, Religion und Jüdisches Leben. 59. Jhrg. Nr. 6, 12. Februar 2004, S. 3 (Auszüge zu Dokumentationszwecken)

„Eine Mauer am Checkpoint Charlie – In Berlins Mitte protestierten Palästinenser und Israelis gegen den Verlauf des Antiterror-Zauns“

von Oliver Heilwagen

„Die Szene wirkt gespenstisch: Mit betongrauen Styroporplatten sperren Leute am Checkpoint Charlie die Zimmerstraße ab. Als werde die Mauer am berühmten ehemaligen Grenzkontrollpunkt zwischen West- und Ostberlin wieder aufgebaut. Doch die Ton- und Lichtsignale hat es hier selbst in der kältesten Phase des Kalten Kriegs nicht gegeben: Aus Lautsprechern schallt Lärm von Hubschrauberrotoren, der sich wie Maschinengewehrfeuer anhört. Zudem kreisen helle Lichtkegel wie aus Suchscheinwerfern […].

’Wir versuchen, die Geräusche von Helikoptern und Kampfflugzeugen zu imitieren, die unsere Dörfer zerstören’, erklärt das Mitglied der Palästinensischen Gemeinde Berlin, Nabil Raschid: ‚Wir wollen zeigen, dass bei uns auch eine Mauer entsteht, die Familien auseinander reißt, Dörfer trennt und 1,2 Millionen Olivenbäume entwurzelt.’ Was genau gemeint ist, erklären Stelltafeln: Es geht um die ‚Trennungsmauer’, welche die israelische Regierung derzeit im Westjordanland errichten lässt. Gegen sie richtet sich die Protestaktion.

Die Palästinenser sind aber nicht unter sich. Von den zehn Initiativen und Gruppen, die an der Kundgebung beteiligt sind, tragen nur vier die arabische Landesbezeichnung im Namen. Andere kommen aus den Gewerkschaften, wie der ‚Arbeitskreis Internationalismus IG Metall Berlin’, oder vereinen Angehörige mehrerer Nationen wie der ‚Arbeitskreis Nahost’, in dem Deutsche, Palästinenser und Israelis zusammenarbeiten. Ein jüdischer Zirkel ist auch dabei: Die ‚Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost’, eine im November gegründete deutsche Sektion der Organisation ‚European Jews for a Just Peace’.

[…] Die meisten Passanten eilen achtlos vorbei, manche nehmen ein Flugblatt entgegen. Dass jemand stehen bleibt und sich auf eine Diskussion einlässt, geschieht kaum. Doch das ‚Medieninteresse an unserer Gruppe ist groß’, berichtet Reisin. TV-Kamerateams laufen herum und Blitzlichter von Pressefotografen flackern auf. Das freut die deutsch-israelische Professorin der Technischen Fachhochschule Berlin: ‚Es ist eine Inszenierung, ein Spektakel, um die Medien auf die Thematik aufmerksam zu machen.’ Den Veranstaltungsort habe man wegen seiner Bekanntheit gewählt […].

Die Aufmerksamkeit, die der ‚Jüdischen Stimme’ zuteil wird, erklärt sich leicht. Die Gruppierung zeigt keine Scheu, mit Palästinensern zu kooperieren, kritisiert aber massiv die Regierung in Jerusalem. Unter der Parole "Nicht in unserem Namen", mit der schon US-Intellektuel­le gegen den Irak-Krieg protestierten, wehrt sich der Kreis laut Reisin dagegen, ‚von der Regierung Scharon instrumentalisiert zu werden, weil sie behauptet, dass die Politik in den besetzten Gebieten im Namen der Juden der Welt gemacht werde’. Dagegen sei der Bau der Trennungsmauer eine ‚inhumane Handlung, die für beide Seiten in die Katastrophe führt’.“

 

Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost
(EJJP-Deutschl)

European Jews
for a Just Peace

(EJJP)

An den Außenminister der BR Deutschland

29. Januar 2004

Sehr geehrter Herr Außenminister Fischer,

wir, die Mitglieder der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost - EJJP Deutschland bitten Sie, gegen den Mauerbau, der jetzt im Westjordanland durch die israelische Regierung vollzogen wird, Ihre Stellungnahme beim Internationalen Gerichtshof einzureichen. Als Juden und Jüdinnen, wohnhaft in der Bundesrepublik Deutschland, halten wir den Bau dieser Mauer für äußerst menschenrechtswidrig und bitten Sie, effektiv dagegen einzuschreiten.

Der Mauerbau nimmt einem großen Teil der palästinensischen Bevölkerung ihr Recht auf Freizügigkeit und schränkt dadurch ihr Recht auf Lebensunterhalt durch Arbeit, auf angemessenen Lebensstandard, auf Gesundheit und Bildung dauerhaft ein.

Der Bau der Trennungsmauer ist keine Sicherheitsmaßnahme - wie die israelische Regierung es immer behauptet - sondern eine weitere Aggression, die die Möglichkeit eines dauerhaften Friedens zwischen Israelis und Palästinensern ausschließt, da er vor allem durch Israels Siedlungspolitik motiviert ist. Für den Bau dieser "Sperranlage" wurde in großem Ausmaß Landbesitz palästinensischer Familien enteignet und Privateigentum zerstört. Die UN-Generalversamm­lung spricht von einer "De-facto-Annexion großer Gebietsteile". Die Besiedlung besetzter palästinensischer Gebiete einschließlich Ost-Jerusalems stellt einen klaren Verstoß gegen Art. 49 der Vierten Genfer Konvention dar.

Hochachtungsvoll

Ruth Fruchtman        Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin

Informationen: http://stopthewall.org/

 


Liga-Pressemitteilungen
Januar – Februar 2004

Internationale Liga für Menschenrechte fordert gründliche Untersuchung und Ahndung von Polizeiübergriffen auf Migranten.

Liga-Präsident Rolf Gössner: „Die strukturellen Bedingungen und Ursachen für Feinderklärungen, Polizeiübergriffe, Machtmissbrauch und ungerechtfertigte Ermittlungsmaßnahmen müssen endlich thematisiert und beseitigt werden.“

Die Internationale Liga für Menschenrechte be­grüßt die heute in Berlin vorgestellte Initiative der Menschenrechtsgruppe „Aktion Courage“, mit der Fälle von Polizeiübergriffen auf Migrantinnen und Migranten dokumentiert werden. Nach den Recherchen der antirassistischen Gruppe sind mindestens 70 Asylbewerber, Immigranten und Deutsche nichtdeutscher Herkunft in den vergangenen vier Jahren unverschuldet Opfer von Polizeiübergriffen geworden. Viele wurden dabei schwer verletzt, drei starben.

Diese schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, die vielfach ungesühnt blieben, dürfen nicht einfach hingenommen werden, zumal es sich dabei lediglich um die Spitze eines Eisbergs handelt. Sie müssen einer gründlichen Untersu­chung unterzogen werden, um aus dieser Misere politische Konsequenzen ziehen zu können. Die Liga fordert die Einrichtung unabhängiger Beschwerde- und Kontrollinstanzen in Bund und Ländern, die mit weitreichenden Befugnissen zur Aufklärung illegaler Polizeigewalt auszustatten sind (Polizeibeauftragte).

Angesichts der Dokumentation von Polizeiübergriffen und Machtmissbrauch gegenüber Migranten erinnert die Liga daran, dass sich deren bürgerrechtliche Situation mit den neuen „Anti-Terror“-Gesetzen von 2002 gravierend verschlechtert hat: Gehörten sie schon bislang zu der am intensivsten überwachten Bevölkerungsgruppe in Deutschland, so werden sie mit diesen Gesetzesverschärfungen unter Generalverdacht gestellt und einem noch rigideren Überwachungssystem unterworfen. Sie werden unter Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Artikel 3 Grundgesetz einer entwürdigenden Sonderbehandlung unterzogen, die für viele existentielle Folgen haben kann.

Die neuen Regelungen schaffen kaum mehr Sicherheit, sondern sind dazu geeignet, Ausländer als erhöhte Sicherheitsrisiken zu stigmatisieren, ihren Aufenthalt hierzulande zu erschweren und fremdenfeindliche Ressentiments zu schüren. Mi­granten, unter ihnen besonders Muslime, gehören zu den eigentlichen Verlierern des staatlichen „Anti-Terror-Kampfes“.

Zwei Jahre nach Inkrafttreten der „Anti-Terror“-Ge­setze ist es höchste Zeit, auch Bilanz darüber zu ziehen, was diese Gesetze bislang bewirkten und welche Auswirkungen sie auf die Situation von hier lebenden Migrantinnen und Migranten haben. Die strukturellen Ursachen und Bedingungen für Feinderklärungen, Polizeiübergriffe, Machtmissbrauch und überzogene Er­mittlungsmaßnahmen müssen endlich thematisiert und beseitigt werden.                                     (1-2004; rg)

 

 

Liga-Präsident Rolf Gössner zum Kopftuchstreit: “Der Gesetzentwurf der Bremer CDU trägt die Verfassungswidrigkeit auf der Stirn – er ist mit dem Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts unvereinbar“

Die Bremer CDU will mit ihrem Gesetzesvorstoß Kopftücher von Lehrerinnen in der Schule als „religiöse Symbole“ verbieten lassen – gleichzeitig aber „in der christlich geprägten abendländischen Kulturtradition“ verwurzelte Symbole von diesem Verbot ausdrücklich ausnehmen.

Dazu stellt der Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner, fest: „Wer Kopftuch-Verbote per Gesetz verordnet, christliche Symbole wie Kruzifixe an öffentlichen Schulen aber von dem Verbot ausnimmt, macht sich verfassungsrechtlich angreifbar. Denn legt man das Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, dann müssen alle Religionen gleich behandelt werden, keine darf durch den Staat bevorzugt oder benachteiligt werden.“

Die Formulierung im Gesetzentwurf, dass auch religiöse und weltanschauliche Symbole dann von dem Verbot ausgenommen werden sollen, wenn diese „zurückhaltend“ sind, genügt nicht dem verfassungsrechtlich geforderten Bestimmtheitsgebot. Schließlich handelt es sich bei „zurückhaltend“ um eine Wertung, die an ein und derselben Schule zu vollkommen widersprüchlichen Konsequenzen führen kann. Eine solche Regelung ist nicht praktikabel.

Kopftücher sind zur Projektionsfläche für Ängste vor Überfremdung geworden; sie wecken bei manchen Politikern und Parteien offenbar Ausgrenzungs- und Verbotsreflexe. Die Internationale Liga für Menschenrechte hält Verbote und Ausgrenzung rechtspolitisch für den falschen Weg... Im übrigen mindert das Kopftuch keineswegs die Qualifikation der Trägerin – es sei denn, Missionierungsversuche oder antiemanzipatorische Inhalte stünden auf ihrem Lehrplan, die im konkreten Fall selbstverständlich nicht geduldet werden können.

Die öffentliche Debatte um das Kopftuch hat längst groteske Züge angenommen; das Kopftuch ist zum symbolischen Kristallisationspunkt einer kulturell-religiösen Auseinandersetzung geraten. Jenseits dieses Kopftuchstreits und jenseits von Verbotsdrohungen tritt die Internationale Liga für Menschenrechte für einen offenen Dialog mit Muslimen und ihren Gemeinschaften ein sowie für eine offensive Auseinandersetzung um das Verhältnis von Religionen/Islam und Menschenrechten. Die Liga fordert eine bürgerrechtsverträgliche Integration von Muslimen sowie eine Revidierung der „Anti-Terror“-Gesetze, mit denen besonders Muslime unter Generalverdacht gestellt werden.                            (28. Januar 2004)

 

Anlässlich der Pressekonferenz des Europäischen Bürgerforums am 5.2.2004 in Berlin

fordert die Internationale Liga für Menschenrechte von Spanien und der EU Aufarbeitung und Ahndung der rassistischen Angriffe auf marokkanische Landarbeiter in Andalusien

„Die skandalösen Arbeits- und Lebensbedingungen marokkanischer Landarbeiter
in der Gemüseproduktion Andalusiens sind eine europäische Schande – eine offizielle Delegation muss sich endlich vor Ort informieren und die Vorfälle untersuchen“

Anlässlich der Internationalen Fachmesse für Obst und Gemüse „Fruit Logistica“ in Berlin müssen sich Öffentlichkeit, Konsumenten und gastgebende Stadt Berlin kritisch damit auseinandersetzen, unter welchen Bedingungen in manchen Gegenden Europas Obst und Gemüse, das hierzulande preiswert zu erwerben ist, produziert wird.

Wie das Europäische Bürgerforum recherchiert hat, stellen auf der „Fruit Logistica“ Gemüseproduzenten aus der Provinz Almeria (Andalusien) aus, die ihr Gemüse unter menschenunwürdigen Bedingungen produzieren, die Arbeitsimmigranten ausbeuten und die verstärkt Pestizide einsetzen, die zu Gesundheitsschäden führen. Insbesondere marokkanische Landarbeiter im Gemüseanbaugebiet Andalusiens sind hiervon betroffen.

Die marokkanischen Landarbeiter in der Gemeinde El Ejido waren in den letzten Jahren nicht nur skandalösen Arbeits- und Lebensbedingungen ausgesetzt, sondern auch gewaltsamen rassistischen Übergriffen, die unter den Augen von Polizei und Gemeindeverantwortlichen geschehen konnten und die bis heute nicht aufgearbeitet oder geahndet wurden. Dokumentiert ist dieser Dauerskandal in der „Neuen Züricher Zeitung“ vom 21.01.2004, die ihren Artikel zutreffend mit „Moderne Sklaven in spanischen Treibhäusern“ überschrieb.

Die Internationale Liga für Menschenrechte fordert zusammen mit dem Europäischen Bürgerforum:

·   Eine offizielle Delegation, die sich in El Ejido über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Landarbeiter in der Gemüseproduktion informieren, die rassistischen Übergriffe untersuchen und die Öffentlichkeit über ihre Erkenntnisse unterrichten soll; die Liga würde sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten hieran beteiligen.

·   Eine unverzügliche Aufarbeitung und gerichtliche Ahndung der pogromartigen Ausschreitungen gegen marokkanische Landarbeiter.

Es geht um menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Landarbeiter und darum, künftig rassistische Ausschreitungen zu verhindern. Die Verantwortlichen der Gemeinden und unter den Gemüseproduzenten müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Aber auch die EU ist gefordert, ihren Beitrag zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Landarbeiter zu leisten, zumal sie diese Intensivwirtschaft im Gemüseanbau Andalusiens subventioniert.

 

Zum Tod von Hans Lisken

Liga-Präsident Rolf Gössner: „Bürgerrechtsbewegung hat glaubwürdigen Repräsentanten und Mitstreiter gegen die andauernde Aushöhlung der Bürgerrechte verloren“

 

Hans Lisken ist tot. Er starb bei der Verteidigung der Bürgerrechte während einer Experten-Anhörung im sächsischen Landtag, wo er ein Plädoyer gegen die geplante weitere Verschärfung des Polizeigesetzes gehalten hatte. Prof. Dr. Hans Lisken ist als langjähriger Polizeipräsident in Düsseldorf, als Polizeirechts-Kommentator (Handbuch des Polizeirechts) sowie als Fritz-Bauer-Preisträger für Verdienste um Recht und Gerechtigkeit bekannt geworden.

Die Internationale Liga für Menschenrechte trauert um Hans Lisken, der sich als humanistisch und demokratisch gesinnter Jurist bleibende Verdienste erworben hat. Liga-Präsident Rolf Gössner: „Das Bürgerrechtsspektrum in der Bundesrepublik hat einen glaubwürdigen Repräsentanten und engagierten Mitstreiter gegen die andauernde Aushöhlung der Grund- und Bürgerrechte verloren. Unermüdlich warnte Hans Lisken vor dem Wandel des liberal-demokratischen Rechtsstaates in einen Präventions- und Sicherheitsstaat.“  Er habe dies mit seiner Fachautorität als ehemaliger Richter und Polizeipräsident getan - in letztgenannter Funktion „eine wahre Rarität“.

„Das humanistisch-demokratische Vermächtnis von Hans Lisken, sein Bemühen um ein freiheitliches Verfassungsverständnis und seine Warnungen vor einem freiheitszerstörenden Sicherheits- und Kontrollstaat werden uns in unserer Bürgerrechtsarbeit weiter bestärken und begleiten“, sagte Gössner. (9. Febr. 2004)

 

Irak: Keine Zwangsauslieferung von Volksmudjahedin in den Iran
 Wiederaufnahme von asylberechtigten Betroffenen in Deutschland

Die Internationale Liga für Menschenrechte ist um die Situation der iranischen Volksmudjahedin im Irak zutiefst besorgt. Diese Organisation steht im Widerstand gegen das Regime der islamischen Republik Iran. Sie flüchtete bereits in den 80er Jahren in den Irak, um der massiven politischen Verfolgung, um Folter und Hinrichtung ihrer Mitglieder durch den Iran zu entkommen.

Seit Ende des Irak-Kriegs im vorigen Jahr werden die meisten der mehr als 4.000 Mitglieder der Volksmudjahedin, die im Krieg neutral blieben und mittlerweile entwaffnet wurden, im irakischen Militärlager Ashraf festgehalten. Sie sind akut von der Auslieferung an den Iran bedroht, seit das iranische Regime ihre Auslieferung fordert und seitdem der provisorische Regierungsrat im Irak beabsichtigt, sie gegen ihren Willen auszuweisen und ihr Eigentum zu konfiszieren.

Wie immer man politisch zu den Volksmudjahedin und ihren früheren Aktivitäten stehen mag: Eine solche Zwangsauslieferung  muss unter allen Umständen verhindert werden,  denn im Iran drohen den Betroffenen Folter und Hinrichtung. Eine solche von den Besatzungsmächten im Irak geduldete oder gar unterstützte Auslieferung an den Iran wäre eine menschenrechtliche Katastrophe und ein Verstoß gegen die internationalen humanitären Rechte der Betroffenen. Die universelle Gültigkeit der Menschenrechte darf nicht dem internationalen Anti-Terror-Kampf zum Opfer fallen. Die Volksmudjahedin dürfen nicht zum Spielball diplomatischer Taktik werden; sie dürfen nicht zum „Verhandlungschip“ des Westens gegenüber dem Regime des Iran werden, das die Menschenrechte nach wie vor mit Füßen tritt.

Die Internationale Liga für Menschenrechte appelliert an die UNO, die Besatzungsmächte im Irak sowie an den provisorischen Regierungsrat des Irak und fordert sie auf,

die Zwangsauslieferung der Volksmudjahedin an den Iran unter allen Umständen zu verhindern und sie als Flüchtlinge entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention anzuerkennen,

eine Delegation des Roten Kreuzes und des UNHCR zusammenzustellen und damit zu beauftragen, vor Ort im Camp Ashraf die Einhaltung der humanitären Rechte der Betroffenen zu überwachen sowie für Aufnahme der Mitglieder der Volksmudjahedin in sichere und aufnahmebereite Länder zu sorgen, wo sie nicht von Abschiebungen in den Iran bedroht sind.

Die Internationale Liga für Menschenrechte fordert die Bundesregierung auf,

·   jene von Auslieferung bedrohten Mitglieder der Volksmudjahedin, die hier in Deutschland als Asyl- oder Aufenthaltsberechtigte anerkannt wor­den sind, wieder aufzunehmen, sofern sie es wünschen;

·   alle Widerrufsverfahren einzustellen, die unter Berufung auf die sog. EU-Terrorliste mit dem Ziel eingeleitet worden sind, die Asyl- oder Aufenthaltsberechtigung wieder aufzuheben.

Die Volksmudjahedin sind ausgerechnet auf Druck des iranischen Regimes, das von der UNO wegen massiver Menschenrechtsverletzungen verurteilt worden ist, in diese Liste aufgenommen worden. Diese Liste muss insgesamt dringend revidiert werden.

Dr. Rolf Gössner, Liga-Präsident                  

Mila Mossafer, Iran-Ausschuss der Liga

 

Humanistische Union · Internationale Liga für Menschenrechte · Gustav-Heinemann-Initiative · Komitee für Grundrechte und Demokratie · Vereinigung demokratischer JuristInnen · Humanistischer Verband · Forum Menschenrechte (mehr als 40 Organisationen)

Berlin, 20. Februar 2004

Erhebung öffentlicher Anklage gegen Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner begrüßt

Menschen- und Bürgerrechtsgruppen fordern jedoch nachhaltige Anstrengungen zur Beachtung des absoluten Folterverbotes

Ein breites Bündnis von Menschen- und Bürgerrechtsgruppen begrüßt die heute bekannt gewordene Entscheidung der Staatsanwaltschaft, gegen den Vizepräsidenten der Frankfurter Polizei Wolfgang Daschner öffentliche Anklage zu erheben. Das Verfahren kann mit dazu beitragen, über die menschenrechtliche Bedeutung des absoluten Folterverbotes aufzuklären und verloren gegangenes Vertrauen in den freiheitlichen Rechtsstaat zurück zu gewinnen.

Daschner hatte vergangenes Jahr während der Ermittlungen im Entführungsfall Jakob von Metzler einem Tatverdächtigen Foltermaßnahmen androhen lassen. Der später wegen Mordes verurteilte Täter hatte die Polizei daraufhin zum Versteck des bereits getöteten Jungen geführt.

Die unterzeichnenden Bürger- und Menschenrechtsorganisationen zeigen sich angesichts der andauernden Folterdebatte besorgt. Das Vorgehen des Polizeivizepräsidenten war in der Öffentlichkeit, bei Landes- und Bundespolitikern sowie bei berufsständischen Vertretern auf Verständnis und sogar Zustimmung gestoßen. Das Grundgesetz sowie internationale Bestimmungen wie etwa die europäische Menschenrechtskonvention verbieten jedoch die Folter und ihre Androhung.

Auch „ein bisschen Folter“ darf es, bei noch so guter Absicht, in einem den Menschenrechten verpflichteten Rechtsstaat nicht geben. In Deutschland gilt ein absolutes Folterverbot, das die Menschenwürde, die körperliche Unversehrtheit und die freie Willensentschließung jedes und jeder Beschuldigten schützt. Auch die Menschenwürde von Polizisten verbietet es in einem Rechtsstaat, sie zu Folterknechten zu machen.

 

Schlussstrich unter die Vergangenheit?

Nach dem Willen des Berliner Senats sollen Anträge nach dem „Gesetz über die Anerkennung und Versorgung der politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus“ nur noch bis zum 31.12. 2004 möglich sein. Antragsteller – beispielsweise Verfolgte, die vor der Verfolgung ihren Wohnsitz in Berlin hatten, und 2005 oder später dort wieder ihren Wohnsitz nehmen – werden dann nicht mehr anerkannt und erhalten weder Rente noch Heilverfahren nach diesem Gesetz.

Kein Haushaltszwang noch sonst ein Grund kann dieses Ergebnis rechtfertigen. Die Begründung des Senats, er wolle ab 2005 Planungssicherheit haben, ist im Übrigen absurd. Nach dem bisherigen Verlauf der Antragstellungen werden es im Jahr 2005 allenfalls noch einige wenige Verfolgte des Naziregimes sein, die die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Antrag auf Anerkennung erfüllen. Doch für diese Wenigen wäre der Ausschluss von Anerkennung und Versorgung gravierend.

Mit einer solch unverantwortlichen gesetzgeberischen Posse würden die Betreiber all jenen in die Hände arbeiten, die einen Schlussstrich unter diesen Teil deutscher Geschichte als schon längst überfällig einfordern.

Rolf Gössner (Liga-Präsident), Petra Rosenberg, Kilian Stein (Vorstandsmitglieder der „Internationalen Liga für Menschenrechte“)  05.März 2004


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Iran:

Gedenkveranstaltung für Zahra Kazemi

am 28. November 2003 im Haus der Demokratie und Menschenrechte in Berlin

Veranstalter: Iranische Frauengruppe im Exil-Berlin und Stiftung des Hauses der Demokratie und Menschenrechte. Unterstützer: ASTA FU / ASTA TU Berlin, Komitee zur Unterstützung der politischen Gefangenen im Iran-Berlin e.V., Verein iranischer politischer Flüchtlinge-Berlin e.V.

Zahra Kazemi, die kanadisch-iranische Fotografin, war am 23. Juni 2003 verhaftet worden, als sie Menschen vor dem Ewin-Gefängnis in Teheran fotografierte, die gegen die Festnahme ihrer Angehörigen während der Studentenproteste protestierten. In der Haft wurde sie 77 Stunden von Angehörigen der Polizei, der Staatsanwaltschaft und Geheimdienstbeamten verhört. Drei Tage später wurde sie in ein Militärkrankenhaus verlegt, nachdem sie aus Nase und Mund geblutet hatte. Am 11. Juli starb sie in einem Teheraner Krankenhaus - mehrere Rippen waren gebrochen und der Schädel an fünf Stellen zertrümmert. Gegen den Willen ihres in Kanada lebenden Sohnes und trotz zahlreicher Proteste internationaler Organisationen, die eine Klärung der Todesursache verlangten, wurde Zahra Kazemi im Iran bestattet, um die Wahrheit mit ihr begraben zu können. Sie soll von drei Verhörspezialisten im Gefängnis vergewaltigt worden sein. Da Spuren nur durch eine Autopsie gesichert werden können, wird der Mord, begangen durch den iranischen Staatsapparat, solange nicht bewiesen werden können, solange ihre Leiche nicht von unabhängiger Seite untersucht werden kann.

Die Iranische Frauengruppe im Exil in Berlin hat am 28. November 2003 zusammen mit der Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte eine Gedenkveranstaltung für die ermordete Fotografin Zahra Kazemi veranstaltet. Zu dieser Veranstaltung waren neben Stefan Hashemi, dem Sohn der Ermordeten als Vertreter von Menschenrechtsorganisationen Aliyeh Yegane, Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für Menschrechte, Dr. Abolkarim Lahiji, Vizepräsident der FIDH - Frankreich und Vorsitzender der Liga für die Verteidigung der Menschenrechte sowie Sabina Strunk von „Reporter ohne Grenzen“ eingeladen, außerdem die Schauspielerin und Kabarettistin Parvaneh Hamidi.

Aliyeh Yeganes ausführlicher Redebeitrag über die massiven Menschenrechtsverletzungen im Iran kam bei dem Publikum sehr gut an. Zu unserem Bedauern hatte Dr. Abdolkarim Lahiji seine Teilnahme an der Veranstaltung kurzfristig abgesagt. Seine Absage begründete er mit dem vorgesehenen Beitrag von Parvaneh Hamidi. Frau Hamidi hatte bei der Heinrich-Böll-Konferenz zum Iran im April 2000 eine Protest-Performance aufgeführt, bei der sie sich bis auf die Unterwäsche und ein Kopftuch auszog. Mit diesem, unseres Erachtens mutigen künstlerischen Einsatz protestierte sie gegen die Repressionen des Islamischen Regimes, die insbesondere gegen Frauen gerichtet sind. Sie sah sich daraufhin einer heftigen Hetze aus dem national-religiösen Spektrum ausgesetzt.

Herr Lahiji wolle, so hat er seine Absage begründet, sein in jahrzehntelanger Arbeit erworbenes, internationales Ansehen mit einer Teilnahme an einer Veranstaltung, bei der auch Frau Hamidi auftritt, nicht aufs Spiel setzen. Die Absage kam für uns sehr überraschend. Denn wenn ihm auch die Form von Frau Hamidis Protest damals nicht zugesagt hatte, wäre er doch an diesem Abend als Menschenrechtler und Rechtsberater bei der Aufklärung des Mordes an Zahra Kazemi gekommen und er hätte zusammen mit ihrem Sohn auf dem Podium einer Veranstaltung gesessen, bei dem das Gedenken an die Ermordete im Zentrum stand. So ist uns seine Begründung der Absage nicht nachvollziehbar. Unser Unverständnis haben wir in einem Brief an die FIDH zum Ausdruck gebracht.

Nach Aliyeh Yegane sprach Stefan Hashemi. Er betonte, dass seine Mutter weder das erste noch das letzte Opfer des islamischen Regimes im Iran sei. Auch berichtete er, dass seine Großmutter erpresst worden sei, um Zahra Kazemi in Iran bestatten zu können. Nach iranischem Recht hätte er als Sohn der Verstorbenen darüber entscheiden müssen. Er sehe die einzige Chance, dieses Verbrechen des iranischen Regimes aufzudecken darin, internationalen Druck auf den Iranischen Staat auszuüben. Vor allem Kanada, das zur zweiten Heimat seiner Mutter geworden war, müsse die Aufdeckung der Ermordung eines seiner Staatsbürger konsequent fordern. Stefan Hashemi forderte die iranischen Behörden auf, die Leiche seiner Mutter zu exhumieren und zur Autopsie und Feststellung der Todesursache nach Kanada zu schicken.

Sabrina Strunk von der internationalen Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenze informierte über die internationale Kampagne zur Aufklärung des Mordes und über die Arbeit ihrer Organisation. Darüber hinaus berichtete sie über die Situation der Presse- und Meinungsfreiheit im Iran: Die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung und der freien Berichterstattung ist mit der iranischen Verfassung konform (...). Ohne Pressefreiheit gibt es jedoch keine Demokratie.“

Politische Satire von der Kabarettistin Parvaneh Hamidi beschloss das Programm. Auf scharfe und trotzdem humorvolle Weise verhandelte sie Themen wie die Unterdrückung der Frauen oder der Oppositionellen im Iran sowie die Haltung der Bundesrepublik, mit der letztlich das iranische Mullah-Regimes gestützt wird.

Die Veranstalter haben den von Kanada eingebrachten Entwurf für eine UN-Resolution zur prekären Menschenrechtssituation im Iran bei der Generalversammlung sehr begrüßt. In dem Resolutionsentwurf wird explizit Bezug auf die Prügelstrafe, die Anwendung von Folter und anderen Formen grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung genommen.

Die Veranstaltung war sehr gut besucht. Im Publikum fanden sich Iranerinnen und Iraner unterschiedlicher politischer Richtungen sowie interessierte Deutsche.

 

Redebeitrag von Aliyeh Yegane

Liebe Freundinnen und Freunde,
ich begrüße Sie alle sehr herzlich im Namen der Internationalen Liga für Menschenrechte!

Meine Name ist Aliyeh Yegane und ich bin Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für Menschrechte. Ich sende Ihnen viele Grüße von unserem Vizepräsidenten Laurent Faasch-Ebrahim, der leider kurzfristig verhindert ist.

Mit der Verkündung der Erklärung der Menschenrechte durch die UNO am 10. Dezember 1948 wurde erstmals in der Geschichte der Menschheit festgeschrieben, dass alle Menschen ungeachtet ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts, ihrer Religion oder Nationalität ein individuelles Recht auf ein würdiges Leben haben. Die über 130 Unterzeichnerstaaten verpflichteten sich, diese Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte in ihrem Hoheitsgebiet zu garantieren.

Auch der Iran unterzeichnete damals diese Erklärung. Aber bedauerlicherweise werden die Menschenrechte im Iran, vor allem seit Gründung der „Islamischen Republik“ regelrecht verhöhnt. Wir sind heute Abend zusammen gekommen, um der iranisch-kanadischen Fotojournalistin Zahra Kazemi zu gedenken, die eines der letzten Opfer dieser menschenrechtsverletzenden Politik im Iran war.

Zahra Kazemi wurde am 23. Juni 2003 verhaftet, als sie die Proteste der Familienangehörige der Festgenommenen während der Studentenproteste vor dem Ewin-Gefängnis in Teheran fotografierte. In der Haft wurde sie von Angehörigen der Polizei, der Staatsanwaltschaft - der Staatsanwalt Said Mortazavi war höchstpersönlich anwesend - und Geheimdienstbeamten verhört. Als sie aus Nase und Mund blutete, wurde sie drei Tage später in ein Militärkrankenhaus verlegt. Am Tag darauf stellte man angeblich ihren Gehirntod fest. So starb sie am 11. Juli in einem Teheraner Krankenhaus infolge von mehreren gebrochenen Rippen und eines Schädelbruchs – er war an fünf Stellen zertrümmert worden.

Um die Hintergründe dieses Mordes zu vertuschen, wurde die Mutter erpresst und Zahra Hashemi im Iran bestattet - gegen den Willen ihres in Kanada lebenden Sohnes Stephen Hashemi und trotz der zahlreichen Proteste von internationaler Organisationen, die eine Klärung der Todesursache verlangten. Nun waren alle Spuren beseitigt und mit ihr wurde die Wahrheit um diesen staatlichen Mord begraben.

Erneut, wie schon bei der gewaltsamen Niederschlagung der Studentenproteste, wurde die Willkür und Brutalität deutlich, mit der die Regierenden im Iran gegen Andersdenkende vorgehen. Mit der Ermordung von freien Journalisten, wie Zahra Hashemi, wurde abermals eine auch noch so zarte Hoffnung auf demokratische Veränderungen im Iran mit Füssen zertreten.

Wir erinnern uns daran, dass vor fünf Jahren im Winter 1998 das iranische Regime innerhalb von 3 Wochen die zwei Schriftsteller Mohammad Mokhtari und Mohammad Jafar Pouyande, das Politikerehepaar Par­vaneh Eskandari und Daryoush Foruhar und den Journalisten Sharif Vaghef bestialisch ermorden ließen. Diese Morde wurden als politische Kettenmorde im Iran bekannt. Die Machthaber mussten zwei Monate später unter heftigen Protesten im In- und Ausland zugeben, dass Angestellte des iranischen Geheimdienstes in die Mordserie verwickelt waren. Doch Täter und Auftraggeber dieser Attentate wurden bis heute nicht gestellt. Der von den Angehörigen beauftragte Rechtsanwalt Nasser Zarafshan wurde von der Justiz zu fünf Jahre Gefängnisstrafe und 50 Peitschenhieben verurteilt. Seit August 2001 ist er im Gefängnis.

Die Hoffnung der Iraner, dass auch sie die uneingeschränkte Verwirklichung der Menschrechte in ihrem Land erlangen werden, diese Hoffnung lassen die Menschen im Iran und die Iraner im Exil sich trotz der Hinrichtungen von Oppositionellen und Intellektuellen, der Todesschüsse auf Protestierende, der Massenverhaftungen von Studenten, trotz Folter, und öffentlichen Hinrichtungen nicht nehmen.

Die Internationale Liga für Menschenrechte unterstützt den mutigen Einsatz von iranischen Frauen und Männern für die Durchsetzung der Menschenrechte. Sie wird auch in Zukunft, wie sie es in der Vergangenheit tat, die Einhaltung der Allgemeinen Menschenrechte im Iran fordern und uneingeschränkt auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen.

In diesem Sinne fordern wir auch die Bundesregierung und den Europäischen Rat dazu auf, endlich konsequent und unmissverständlich mit allen politischen Mitteln darauf hinzuwirken, dass Mindeststandards von Rechtsstaatlichkeit im Iran hergestellt und die internationale Abkommen sowie die Universalen Menscherechte im Iran eingehalten werden. Die staatliche Ermordung von Zahra Kazemi darf ebenso wenig vergessen werden, wie all die anderen staatlich verübten Verbrechen: die Hinrichtungen von 1981, die Unterdrückung von ethnischen und religiösen Minderheiten, die Hinrichtung der Oppositionellen im In-und Ausland, die Steinigungen und, und, und....

 

 

Irak-Tribunal

Einem Auftrag des Liga-Vorstandes nachkommend beteiligen sich drei Mitglieder an der Vorbereitung eines Tribunals zum Irak-Krieg.

Es gibt ein breites Netzwerk von mehr als 200 Gruppen in Europa, Asien, Latein- und Nordamerika, die an der Vorbereitung arbeiten. Es liegt bereits ein ausgearbeiteter Entwurf einer Anklageschrift von Lennox Hinds vor, die dieser im Auftrag der Internationalen Vereinigung Demokratischer Rechtsanwälte verfasst hat. Inhalt, Form und Ort eines Tribunals und begleitender Hearings bedürfen aber noch der Klärung, was angesichts der an sich höchst erfreulichen Vielzahl beteiligter Gruppen nicht einfach ist.

Bei einem Treffen des deutschen Koordinierungskomitees in Frankfurt a.M. am 1.2.2004 wurden die Positionen der deutschen Seite in einigen Fragen geklärt. Das Tribunal soll sich auf den Krieg im Irak und die Entwicklung nach Ende der offenen militärischen Konfrontation konzentrieren, was ein Eingehen auf die Vorgeschichte nicht ausschließt. Der aus England kommende Vorschlag, die Hauptveranstaltung solle in Nürnberg als dem Ort der Kriegsverbrecherprozesse nach dem 2. Weltkrieg abgehalten werden, wurde mehrheitlich nicht gebilligt, weil das zu schiefen historischen Parallelen führen würde. Die deutschen Teilnehmer werden sich auf das Embargo, die Kriegsverbrechen (uranangereicherte Munition, Clusterbomben etc.) und das Besatzungsregime konzentrieren.

 

K.St.


Türkei und die kurdische Frage

Rolf Gössner
im Gespräch mit Erdal Alicpinar

über Menschenrechte und Demokratie
in der Türkei

„Die politische Lösung der kurdischen Frage
ist Voraussetzung für Verbesserung der Menschenrechtslage“

aus: „ÖZGÜR POLITIKA“ vom 26.1.2004

1. Sie sind Vorsitzender der Internationalen Liga für Menschenrechte. Können Sie uns Ihre Organisation kurz vorstellen?

Rolf Gössner: Die Internationale Liga für Menschenrechte (Berlin) ist eine traditionsreiche unabhängige und gemeinnützige Non-Government-Organisation, die sich für Menschenrechte und Frieden einsetzt. So wendet sich die Liga in Veranstaltungen, Denkschriften und Demonstrationen etwa gegen restriktive Tendenzen bei der Globalisierung der Polizei- und Geheimdienststrukturen sowie gegen die zunehmende Einschränkung der Bürgerrechte im Zuge des sogenannten Antiterrorkampfes des Staates und der Europäischen Union.

Die Liga ist die deutsche Sektion der „Fédération Internationale des Droits de l’Homme“ in Paris (FIDH). Die FIDH hat weltweit in über fünfzig Ländern Sektionen und ist bei der UN-Men­schenrechtskommission, beim Europarat und bei der UNESCO akkreditiert. Die Liga verleiht im Gedenken an den Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky seit über 40 Jahren die Ossietzky-Medaille an Personen und Gruppen, die sich um Verteidigung, Durchsetzung und Fortentwicklung der Menschenrechte und des Friedens besonders verdient gemacht haben.

2. Die Türkei ist EU-Beitrittskandidat. Für eine Aufnahme ist die vollständige Erfüllung der Kopenhagener Kriterien Voraussetzung. Die Menschenrechtslage in der Türkei hat sich laut Amnesty International und dem Türkischen Menschenrechtsverein nicht merklich gebessert. Wie sieht ihre Organisation die Menschenrechtslage in der Türkei? Was gedenkt Ihre Organisation diesbezüglich zu tun?

R.G.: Tatsächlich hat sich die Menschenrechtslage in der Türkei noch nicht so grundlegend verbessert, wie das für eine – durchaus wünschenswerte – Aufnahme in die EU notwendig wäre. Jedenfalls reicht es nicht aus, Gesetze zu ändern, die Todesstrafe abzuschaffen oder den Ausnahmezustand in den kurdischen Provinzen offiziell aufzuheben – obwohl diese Maßnahmen tatsächlich einen gewissen Fortschritt bedeuten und nicht zu unterschätzende Reformansätze erkennen lassen.

Es gibt in der Türkei leider weiterhin massive Verstöße gegen die Menschenrechte. Die größten Defizite, so stellt der aktuelle vertrauliche Lagebericht des Auswärtigen Amtes fest, liegen bei den Institutionen von Justiz und Polizei. So komme es weiterhin zu Folter, Misshandlungen und schweren Übergriffen. Zwar gehe die Zahl der Fälle zurück, dafür nehmen Berichte über verfeinerte Foltermethoden zu, die weniger bleibende Spuren hinterlassen – etwa Elektro­schocks, Abspritzen mit kaltem Wasser aus Hochdruckgeräten, erzwungenes Ausziehen sowie Androhung von Vergewaltigungen.

Diese Folterpraxis ist nicht hinnehmbar, sie muss wirksam unterbunden werden. Das absolute, keine Ausnahmen zulassende Verbot der Folter ist nach den Anti-Folterkonventionen der Vereinten Nationen und des Europarates fester Bestandteil des Völkerrechts. Die erwähnten Reformansätze in der Türkei müssen gerade vor dem Hintergrund eines EU-Beitritt mit internationaler Hilfe gestärkt werden, bis die Menschenrechtslage den internationalen Menschenrechtsstandards genügt. Diesen Prozess will die Internationale Liga für Menschenrechte gern begleiten und forcieren. Allerdings hat die Liga ihren internationalen Schwerpunkt unter anderem auf den Israel-Palästina-Konflikt gelegt, mit dem Ziel, auf einen gerechten Frieden in Nahost hinzuwirken. Die Türkei und die kurdische Frage gehörten in den vergangenen Jahren nicht zu ihren Schwerpunkten. Allerdings habe ich mich vor meiner Zeit als Liga-Präsident intensiv mit diesem Problem beschäftigt; so habe ich unter anderem Kurden vor deutschen Gerichten vertreten sowie zusammen mit „medico international“ den Aufruf zur internationalen Beobachtung des Öcalan-Prozesses initiiert. Deshalb bin ich nach wie vor an der Menschenrechtssituation in der Türkei interessiert und setze mich für eine grundlegende Verbesserung ein.

3. Immer noch ist die Lage der kurdischen Bevölkerung in der Türkei prekär. Zwar ist offiziell der Ausnahmezustand in den kurdischen Regionen aufgehoben, de facto dauert dieser jedoch weiterhin an. Der fünfzehnjährige Krieg zwischen der PKK und dem türkischen Staat ist vorbei. Eine Lösung der kurdischen Frage steht jedoch immer noch aus. Wie sehen Sie die Lage? Ist eine Lösung der Menschenrechtslage in der Türkei nicht mit der Lösung dieser Frage verbunden?

R.G.: Die politische Lösung der kurdischen Frage ist Voraussetzung für eine Verbesserung der Menschenrechtslage in der Türkei. Dieses Problem ist nach wie vor ungelöst, solange den Kurden kulturelle, soziale und politische Rechte vorenthalten werden. Hier liegen wohl die größten Hindernisse auf dem Weg zu einer Demokratisierung der Türkei.

Im Rahmen des EU-Kandidatenstatus der Türkei sollten die europäischen Regierungen ihren politischen Einfluss energischer geltend machen, um den Weg für eine demokratische, friedliche und gerechte Lösung zu bereiten. Denn es geht auch um eine gesamteuropäische Aufgabe: Allen Kurden und Kurdinnen in der Türkei, aber auch in anderen Ländern müssen im Rahmen föderativer Strukturen politische und kulturelle Rechte garantiert, ihre Menschen- und Bürgerrechte voll anerkannt werden.

4. Seit seiner völkerrechtswidrigen Entführung in die Türkei ist Abdullah Öcalan in Isolationshaft. Seine Gesundheit ist stark angegriffen, weshalb seine Anwälte die Entsendung einer unabhängigen Ärztekommission fordern. Die Besuch seiner Familie und Anwälte werden immer wieder willkürlich verhindert. Viele internationale Menschenrechtsorganisationen verhalten sich demgegenüber passiv.

Ein Großteil der Kurden in der Türkei hingegen empfindet den Umgang mit Abdullah Öcalan als einen Angriff auf sich selbst, weshalb es bei Protestaktionen immer wieder zu Zusammenstössen mit den türkischen Sicherheitskräften kommt. Demzufolge ist der Fall Öcalan nach wie vor ein Politikum. Wie sehen Sie den Fall Öcalans? Was gedenkt Ihre Organisation diesbezüglich zu tun?

R.G.: Der Liga-Vorstand hat vor Monaten einen Anwalt von Öcalan in Berlin empfangen, um sich über die Haftbedingungen und den gesundheitlichen Zustand seines Mandaten zu informieren. Für die Liga ist klar, dass der Fall Öcalan solange ein Politikum bleibt, solange er unter den beschriebenen skandalösen Bedingungen leben muss.

Öcalan wird seit nunmehr fünf Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali von der Außenwelt weitgehend isoliert gefangen gehalten. Die verschärften Isolationshaftbedingungen bedrohen ernsthaft seine Gesundheit. Er leidet, so wurde uns berichtet, unter Atembeschwer­den und unter mangelhaften hygienischen Bedin­gungen.

Die zuständigen internationalen Institutionen sind da­zu aufgerufen, gegen diese unzumutbaren, men­schenunwürdigen Haftbedingungen zu intervenieren. Die Liga unterstützt die Forderung der Familie und Anwälte Öcalans, eine unabhän­gige Ärztekommission zu entsenden, um seinen Gesundheitszustand festzustellen und geeignete medizinische Maßnahmen zu ergreifen. Es ist höchste Eile geboten – wenn diese Haftbedingungen nicht zu einer Hinrichtung auf Raten führen sollen.

 

„Zwinger-Käfige“ im Strafvollzug

Auf Anregung der „Internationalen Liga für Menschenrechte“ hat die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Landtag Rheinland-Pfalz eine besondere „Innovation“ in Gefängnissen des Lan­des auf die Tagesordnung gebracht. Es geht um die Disziplinierung von Gefangenen in „Zwingern“, die auf dem Anstaltsgelände installiert wurden – ein eingezäuntes Fleckchen Hof 7 mal 8 Meter (56 qm), Zaunhöhe ca. 2,50 Meter, oben mit Stacheldraht gekrönt. Die Betroffenen fühlen sich isoliert, entwürdigt und an den Pranger gestellt, da die Käfige von den Zellenfenstern aus eingesehen werden können.

LANDTAG RHEINLAND-PFALZ   
14. Wahlperiode                                 18.06.2003

Die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN beantragt, folgenden Punkt gem. § 76 Absatz 2 GOLT auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses zu setzen:

„Installation und Nutzung eines ‚Zwingers’ innerhalb des Anstaltsgeländes der JVA Diez“

Das zuständige Mitglied der Landesregierung wird um Berichterstattung gebeten.

Begründung:

Zu Beginn des Jahres 2003 wurde an einer zentralen Stelle des Anstaltsgeländes der JVA Diez eine Art „Freiluft-Zwinger“ installiert, der für Disziplinarmaßnahmen genutzt wird, denen einzelne Gefangene unterzogen werden.

Der Bericht soll über Größe, Beschaffenheit und Lage dieses mit Stacheldraht gesicherten „Zwingers“ informieren, darüber hinaus die Fragen klären, nach welchen Kriterien die Einsperrung in den „Käfigen“ erfolgt, wie viele Gefangene seit der Installation durch diese Maßnahme diszipliniert wurden und ob die dort Eingesperrten vor anderen Gefangenen, die aus ihren Zellenfenstern Einblick haben, zur Schau bzw. an den Pranger gestellt werden.

Antwort der Landesregierung: Staatsminister Mertin berichtete daraufhin in der 20. Sitzung des Rechtsausschusses am 8.7.2003: Die Einrichtung des „Einzelfreistundenbereichs„ (so der offizielle Euphemismus; R.G.) bestehe in der JVA Diez seit dem 15.3.2003. Darin würden überwiegend „Sicherungsmaßnahmen“ und die Disziplinarmaßnahme „Arrest“ vollzogen. Das sei zulässig, „Wenn im erhöhten Maß Fluchtgefahr, die Gefahr von Gewalttätigkeiten, die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung vorlägen oder die Gefahr einer Befreiung oder einer erheblichen Störung der Anstaltsordnung anders nicht vermieden oder behoben werden könnten“.

Der „Einzelfreistundenbereich“ sei mit einer Sitz­bank versehen, von einem „Ordnungszaun“ umschlossen, im oberen Bereich mit Drähten gesichert und von den Fenstern der angrenzenden Hafträume einzusehen – es könne trotzdem keine Rede davon sein, dass ein Zwinger errichtet worden sei und die Gefangenen zur Schau gestellt würden. Schließlich würde der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in jedem Einzelfall geprüft. In knapp vier Monaten seien insgesamt 13 Gefangene mit Sicherungsmaßnahmen und ein Gefangener mit Arrest hiervon betroffen gewesen.

Außer in der JVA Diez gebe es weitere Anlagen dieser Art in Rheinland-Pfalz in der JVA Frankenthal sowie der bayerischen JVA Würzburg.

 

 

Aus: COMPUTERWOCHE 3/2004:

Der Staat hat große Ohren

VOM ENDE
DER VERTRAULICHKEIT

Von Rolf Gössner

Der Staat schützt - sich selbst, seine Organe, die freiheitlich demokratische Grundordnung und nicht zuletzt die Bürger. Doch auch Staaten können über die Stränge schlagen, wenn gemacht wird, was technisch machbar ist. Gerade im Bereich der Telekommunikation (TK) ist vieles möglich, so dass sich ein klarer Trend ableiten lässt: Die staatliche TK-Überwachung ist ein Wachstumsmarkt.

Das von der Verfassung garantierte Recht des Einzelnen, unkontrolliert zu kommunizieren, ist Grundvoraussetzung einer offenen, demokratischen Gesellschaft. "Die Befürchtung einer Überwachung mit der Gefahr einer Aufzeichnung, späteren Auswertung, etwaigen Übermittlung und weiteren Verwendung durch andere Behörden kann schon im Vorfeld zu einer Befangenheit in der Kommunikation, zu Kommunikationsstörungen und zu Verhaltensanpassungen ... führen", fasste einst das Bundesverfassungsgericht mögliche Auswirkungen einer ausufernden Kommunikationsüberwachung zusammen.

Inzwischen hat der ehemalige Bundesverfassungsrichter Jürgen Kühling das Fernmelde- und Telekommunikationsgeheimnis, wie es mit Artikel 10 Grundgesetz geschützt werden soll, als "Totalverlust" abgeschrieben. Was ist passiert? Die moderne Telekommunikation (TK), auf die niemand verzichten kann und niemand verzichten will, birgt ein enormes Überwachungspotenzial, das sich der Staat zunutze macht. Er nutzt es jedoch derart exzessiv, dass es grundrechtssprengend wirkt. Die digitalen Netze mutieren mehr und mehr zu einem weitverzweigten Fahndungsnetzwerk.

Ob Telefon, Handy, Fax, SMS, E-Mail oder Internet - jedes weitere Kommunikationsmedium gibt dem Staat neue Möglichkeiten, die Nutzer zu überwachen. Denn jedes Telefonat, jede Mail, jeder Ausflug ins Internet, jede Info-Suche, Online-Bestellung oder Kreditkartennutzung hinterlässt "verräterische" Datenspuren, die nach bestimmten Kriterien durchforstet und personengenau ausgewertet werden können. Aus diesen Daten lässt sich das Kommunikationsverhalten von TK-Nutzern destillieren, lassen sich Persönlichkeitsprofile und Bewegungsbilder zeichnen. Wer sich hiergegen mit Anonymisierungsdiensten zu schützen sucht, macht sich bereits verdächtig.

Zur Teilnahme gezwungen

Diensteanbieter, Internet-Provider und Administratoren im Netz sind gesetzlich zur Mitwirkung bei staatlichen Überwachungsmaßnahmen verpflichtet. Sie müssen die Überwachungstechnik auf ihre Kosten installieren und betriebsbereit halten sowie - sicherheitsüberprüftes - Personal abstellen. Alle geschäftsmäßigen TK-Diensteanbie­ter sind nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) darüber hinaus verpflichtet, Kundendateien mit Rufnummern, Namen und Anschrift der Anschlussinhaber zu führen und die Personendaten jederzeit den Sicherheitsbehörden - Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichten und Geheimdiensten - online zu übermitteln, wobei deren Zugriff auch unbemerkt erfolgen kann. Das Recht auf freie und anonyme Kommunikation ohne Angst vor Überwachung und Repressalien ist längst nicht mehr gewährleistet - weder für Privatpersonen und Geschäftsleute noch für Verbände und Wirtschaftsunternehmen.

Die Praxis der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) zur Strafverfolgung, also zur Aufklärung einer Straftat und zur Ermittlung der Täter, kann seit Anfang der 90er Jahre exorbitante Steigerungsraten aufweisen. Seit 1995 hat sich die Anzahl der richterlichen Anordnungen pro Jahr von 3800 auf über 26000 (2002) fast versiebenfacht. Die Bundesrepublik gehört damit weltweit zu den Spitzenreitern im Abhören. Die Dimension dieser Abhörpraxis ist skandalös - immerhin kann eine einzige Anordnung mehrere Anschlüsse umfassen und Tausende von Gesprächen betreffen. Nicht nur Tatverdächtige werden oft monatelang abgehört - auch Millionen von vertraulichen Gesprächen unverdächtiger Kommunikationspartner werden dabei aufgenommen, abgespeichert, ausgewertet. Dies ist ein gravierender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen. Die als "Ultima-ratio"-Maßnahme gedachte TKÜ hat sich mittlerweile zum Standardinstrument entwickelt.

In Thüringen und Niedersachsen ist bereits die präventive TKÜ legalisiert worden - also das vorsorgliche Abhören von Telefonen und Handys sowie das vorsorgliche Mitlesen von Faxen, SMS und E-Mails, ohne dass eine Straftat oder ein konkreter Anfangsverdacht vorliegen muss. Beim Reinhören könnte sich ja der Verdacht auf eine schwer wiegende Straftat ergeben, so die Logik der Gesetzesmacher, der auch andere Bundesländer folgen wollen. Im Zuge solcher polizeilichen Lauschaktionen werden zwangsläufig auch Verwandte, Nachbarn, Arbeitskollegen und sonstige Bekannte der "vorverdächtigen" Personen unmittelbar involviert.

Den Sicherheitsbehörden ist es zudem gestattet, die näheren Umstände der Telekommunikation zu erforschen und die TK-Verbindungsdaten bei den TK-Dienstleistern anzufordern und abzuspeichern. Also: Wer hat mit wem, wann, wie oft und wie lange von wo nach wo fernmündlich oder schriftlich kommuniziert, welche SMS- oder Internet-Verbindungen genutzt, welche Suchmaschinen mit welchen Begriffen benutzt, welche Homepages besucht und mit welchen E-Mail-Empfängern kommuniziert? Zu diesem Zweck müssen von allen TK-Anbietern Unmengen von Überwachungsdaten auf Verdacht und Vorrat erfasst und gespeichert werden.

Diese Vorratsdatenspeicherung soll sogar noch ausgeweitet werden. Geht es nach dem neuen TKG-Entwurf der Bundesregierung, sind Diensteanbieter künftig berechtigt, alle Verkehrsdaten nach Versendung ihrer Gebührenrechnung bis zu sechs Monate zu speichern. Der Bundesrat will gar eine Verpflichtung zur Vorratsspeicherung für polizeiliche und geheimdienstliche Zwecke verankern.

Die Datenschutzbeauftragten befürchten eine "gravierende Verschlechterung des Datenschutzes" und sehen den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Schon heute beklagt etwa die Deutsche Telekom eine "Entwertung des Fernmeldegeheimnisses" durch die Ermittlungsbehörden. Im Bereich der Strafverfolgung habe ihr Hunger nach Verbindungsdaten längst verfassungswidrige Ausmaße angenommen. Alle drei Monate müssten alle 50 Millionen Kunden der Telekom komplett nach Verdächtigen durchge­rastert werden. Hinzu kämen täglich Tausende Abfragen von Verbindungsdaten, selbst wenn es nur um Straftaten mittlerer Schwere gehe. Weigere sich die Telekom im Einzelfall, die Daten herauszugeben, werde sie mit dem Vorwurf der Strafvereitelung unter Druck gesetzt.

Bewegungsmuster aufzeichnen

Zur Strafverfolgung dürfen die Ermittlungsbehörden die individuellen Kennungen und zur Festnahme eines Täters auch den Standort eines aktiv geschalteten Handys ermitteln. Mit Hilfe von so genannten IMSI-Catchern können einerseits die individuellen Karten- und Gerätenummern von Handys ausgeforscht werden; andererseits lassen sich damit Handys zur genauen Standortbestimmung elektronisch orten, auch wenn diese nur Stand-by-geschaltet sind. Dadurch wird den Sicherheitsorganen die Möglichkeit eröffnet, Bewegungsbilder zu erstellen - inzwischen selbst von Personen, denen nur künftige Straftaten zugetraut werden.

Die Sicherheitsbehörden können mit richterlicher Anordnung das Internet zur Strafverfolgung gezielt nach Verdächtigen durchstöbern. Aber die Polizei geht auch ohne konkreten Verdacht auf Netzpatrouille, um mögliche strafbare Inhalte herauszufiltern und mutmaßliche Täter zu verfolgen. Mit solchen Präventivkontrollen, die keiner richterlichen Anordnung bedürfen, sollen die Verbreitung extremistischen Gedankenguts, gewaltverherrlichender Schriften sowie kinderpornographischer Bilder eingedämmt werden; aber auch Urheberrechtsverletzungen, der Handel mit Diebesgut, Drogen und Waffen sollen damit unterbunden werden.

So notwendig solche Netzpatrouillen zur Gefahrenabwehr erscheinen mögen, wenn es um menschenverachtende, kinderschändende und rassistische Taten und Umtriebe geht - problematisch können verdachts­unabhängige Kontrollen dann werden, wenn die gesamte Individualkommunikation per Internet, der Chat-Foren- und E-Mail-Verkehr polizeilich durchge­checkt oder gar geheimpolizeilich infiltriert werden und die Kontrollen zur Gesinnungsschnüffelei ausarten.

Nicht nur Polizei und Staatsanwaltschaften sind zu TKÜ-Maßnahmen berechtigt. Auch die Geheimdienste - Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst (BND) und Militärischer Abschirmdienst (MAD) - dürfen nach dem G-10-Abhör­ge­setz Telefone und Handys heimlich abhören, Faxe und E-Mails mitlesen, Verbindungsdaten anfordern und Handys orten - und zwar bereits weit im Vorfeld möglicher Gefahren. Der BND kontrolliert darüber hinaus systematisch den gesamten drahtlosen, satellitengestützten sowie glasfasergeleiteten TK-Verkehr vom und ins Ausland - ohne jeglichen Verdacht. Computergesteuert durchkämmt er Millionen Gespräche, Faxe und Fernschreiben nach verdächtig klingenden "Such­begriffen" oder Wort-Kom­binationen aus wechselnden Wortbanken, die aus den Bereichen des internationalen Terrorismus, Waffenhandels und militanten Extremismus stammen sowie der Proliferation, Drogenkriminalität und Geldwäsche.

Nachrichtendienstlich relevant?

Dieses automatische Fischen im Trüben des verallgemeinerten Verdachts nennt sich "strategische Kontrolle" oder auch "Schleppnetzfahndung im Äther". Ordert etwa jemand per Telefax in Ungarn zehn Kisten "Roten", so würde ein solcher Auftrag automatisch ausgesiebt - auch wenn nur Rotwein gemeint war. Schließlich könnte es sich auch um die illegale Droge "Roter Libanese" handeln. Der literarische Austausch über Fräulein Smillas Gespür für "Schnee" würde wegen des Verdachts auf Kokainhandel Komplikationen auslösen; ebenso Berichte über "Bombenwetter" oder volle "Strandhaubitzen" an Mallorcas Gestaden, die den Geheimdienstlern internationale Waffengeschäfte signalisieren. Im Laufe der automatischen Durchforstung nach bestimmten Suchbegriffen und Anschlussnummern bleiben pro Jahr etliche tausend "verdächtige" Auslandsgespräche oder Faxe als "nachrichtendienstlich relevant" hängen, woraufhin dann auf traditionelle Weise weiterermittelt wird.

Mit der Entwicklung der Telekommunikation erleben wir in zunehmendem Maße die präventive Verdächtigung von TK-Teilnehmern, die so zu gläsernen Bürgern werden - ohne es selbst zu registrieren, ohne sich wirksam dagegen zur Wehr setzen zu können. Eine der wichtigsten rechtsstaatlichen Errungenschaften, nämlich die Unschuldsvermutung, verliert mit dieser ausufernden Entwicklung ihre machtbegrenzende Funktion. Der Mensch mutiert zum Sicherheitsrisiko.

 

 

Termine und Veranstaltungen

03. März 2004 Bundesverfassungsgericht verkündigt Urteil in Sachen Großer Lauschangriff.

08. März 2004, 19 h „Frauenrechte im Iran“, Vortrag von Mina Ahadi und Dokumentarfilm „My name ist Rocky“ von Bahman Moshdar (Iran/Kanada 2001). Berlin, Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Str. 4, Robert-Havemann-Saal.

19. März 2004, 19.00 Uhr „Wer erkämpft die Menschenrechte: Die USA? Die NATO? Die EU? Die NGOs? Oder ...? Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Prof. Norman Paech, RA Eberhard Schultz und RA Christoph Ernesti am Vorabend des internationalen Aktionstages der Friedensbewegung zum Jahrestag des Kriegsbeginns gegen den Irak, Haus der Demokratie und Menschenrechte, Robert–Havemann–Saal, Greifswalder Str. 4, Berlin (www.menschenrechtsanwalt.de.
Email: berlin@menschenrechtsanwalt.de).

20. März 2004 Friedensaktionstag für den Rückzug der Besatzungstruppen aus dem Irak und für die Durchsetzung eines gerechten und dauerhaften Friedens in Nahost (www.friedeskooperative.de)

25. März, 19 Uhr, Berlin, Republikanische Vesper zum Thema „Menschenrechte und Gemüse – Unter welchen Bedingungen Tomaten und Zucchini für den deutschen Markt reifen“. Saal des Hauses der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Str. 4.

25. bis 28. März, Leipzig, Buchmesse.

27./28. März, ab 10 Uhr, Berlin, "Islamophobie. Diskrimi­nierung von Muslimen?" Galerie der Heinrich-Böll-Stiftung, Hackesche Höfe.

03. – 04. April 2004 europäischer Aktionstag gegen Sozialabbau: „Abrüstung statt Sozialabbau“ gemeinsam mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen.

03. April 2004, 9 h 30 bis ca. 18 h: Eine Demokratische Verfassung für Europa – kritische Betrachtungen zum Verfassungsentwurf, Maison de l’Europe, 35, rue des Francs Bourgeois, 75004 Paris. Internationale Konfoerenz der EJDM- Europäische Vereinigung von JuristInnen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V. mit Simultanübersetzung: deutsch, englisch, französisch. Anmeldung über info@ejdm.de oder 0211-444027 mit Name, Adresse, Beruf, Organisation. Teilnahmegebühr 50 € in bar (freier Eintritt für Studenten, Erwerbslose).

09. – 12. April 2003 Ostermärsche 2004 (Übersicht www.friedeskooperative.de)

24. April 2004 Aktionstag für Mumia Abu-Jamal zu dessen 50. Geburtstag. Fast die Hälfte davon (22 Jahre) hat er wegen angeblichen Polizistenmordes unschuldig in der Todeszelle verbracht (USA). Der juristische Kampf um die Wiederaufnahme des Verfahrens geht weiter. Informationen über www.freedom-now.de; www.mumia.de. Email: info@mumia.de.

28. – 29. April 2004 OSZE-Konferenz über Antisemitismus in Berlin – Regierungs- und NGO-VertreterInnen debattieren über Gegenmaßnahmen. Begleitprogramm des „Bündnisses für Demokratie und Toleranz“.

09. Mai 2004 Initiativen für ein anderes Europa – gegen den Ausbau der EU zu einer weltweiten militärischen Interventionsmacht und gegen eine Verfassung, die zur Aufrüstung verpflichtet.

23. Mai 2004: 4. Bundesweites Vernetzungstreffen von Abschiebehaftgruppen und –initiativen im Liborianum, An den Kapuzinern 5-7, 33098 Paderborn.

 

Jeden letzten Donnerstag im Monat
findet eine von Ossietzky + Liga veranstaltete
„Republikanische Vesper“
 im Haus der Demokratie und Menschenrechte
in Berlin, Greifswalder Str. 4, statt.

Multikultureller Runder Tisch in Berlin-Tiergarten Süd: Einmal im Monat sitzen „Gastarbeiter“, Spätaussiedler, Asylbewerber und Bürger aus der „Mehrheitsgesellschaft“ zusammen. Dazu kommen Vertreter von Initiativen, Verbänden, Bezirksämtern, Polizei. Die nächsten Termine:

18. März, 22. April, 20. Mai, 24. Juni 2004, jeweils 18 h im Integrationszentrum, Pohlstr. 74, 10785 Berlin.

Die Ergebnisse der Runden Tische werden dokumentiert und in den websites des Vereins Community Channel Europe e.V. unter www. multikulti1.de und www.tiergarten-sued.de veröf­fentlicht und zur Diskussion gestellt.

 

Veranstaltungen mit Rolf Gössner:

11. März 2004, 20 Uhr, Bochum, Bahnhof Langen­dreer: Lesung aus "Geheime Informanten".

27. März, 15 Uhr, Berlin, Galerie der Heinrich-Böll-Stiftung, Hackesche Höfe: "Muslime unter Generalverdacht in Deutschland". Redebeitrag von Rolf Gössner während der Tagung am 27./ 28. März zum Thema "Islamophobie. Diskrimi­nierung von Muslimen?"

06. April, 19 h 30, in Weimar, Mon Ami, über „Antiterrorgesetze und ihre bürgerrechtlichen Auswirkungen“

07. April in Jena „Antiterrorgesetze“

Zeit und Ort zu erfragen über: Thüringer Forum für Bildung und Wissenschaft e.V., Jena: vorstand@thueringer-forum.de

03. – 06. Mai 2004 Veranstaltungstournee in Sachsen zu „Antiterrorgesetzen“, Innenstadtkonzepte/Videoüberwachung, „Geheime Informanten. Orte und Zeiten zu erfragen über: Bildungswerk Weiterdenken in der Heinrich-Böll-Stiftung e.V., Dresden (schoenfelder@weiterdenken.de).

05. Juli 2004, 18 h, in Saarbrücken zu „Geheime Informanten“, im Haus der Stiftung Demokratie Saarland.

 

Literaturhinweise

Die Internationale Liga für Menschenrechte, PRO ASYL und der Flüchtlingsrat Berlin bildeten den Trägerkreis für die Veranstaltungen aus Anlass des 20. Todestages von Cemal Kemal Altun am 30./31. August 2003. Die Gedenkkundgebung vor dem Gedenkstein Cemal Altuns in Berlin-Charlottenburg fand am 30. August 2003 statt, an dem gleichzeitig verschiedenen Initiativen und antirassistische Gruppen zum bundesweiten Aktionstag gegen die Abschiebehaft mobilisiert hatten. Redner waren: Rolf Gössner sowie Heiko Kauffmann von PRO ASYL.

Am Abend des 31. August fand in der Kirche zum Heiligen Kreuz eine Gedenkveranstaltung für Cemal Altun unter dem Titel “Zuflucht gesucht – den Tod gefunden” statt, auf der Pfarrer Jürgen Quandt (Asyl in der Kirche), Traudl Vorbrodt (Flüchtlingsrat), der frühere Rechtsanwalt Altuns Wolfgang Wieland, Rechtsanwältin Veronika Arendt-Rojahn, Klaus Uwe Benneter (MdB, SPD) und Heiko Kauffmann (PRO ASYL) das Wort ergriffen. Die Redebeiträge wurden in einer Broschüre veröffentlicht, die im November 2003 herausgegeben wurde:

Zuflucht gesucht – den Tod gefunden: Cemal Kemal Altun (1960-1983)“, Dokumentation der Gedenkveranstaltung aus Anlass des 20. Todestages von Cemal K. Altun (30./31.08. 2003), Hrsg.: Asyl in der Kirche e.V. Berlin, Internationale Liga für Menschenrechte, Flüchtlingsrat Berlin, PRO ASYL, Berlin, November 2003. Bezug über das Liga-Büro (2,50 € + Porto).

Bericht über die Arbeit des Flüchtlingsrates Berlin e.V. 2003. Georgenkirchstrasse, 10249 Berlin, Tel.: (030) 24344 – 5762, Fax: (030) 24344 - 5763

buero@fluechtlingsrat-berlin.de,

www.fluechtlingsrat-berlin.de

Thematische Schwerpunkte: Abschiebehaft, Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes, Situation der Roma – Flüchtlinge, Abschiebungen in die DR Kongo, Bleiberechtskampagne, Öffentlichkeitsarbeit.

Ernst Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945.
S. Fischer Verlag 2003.730 S., 29,90 €.

Ein umfangreiches Nachschlagewerk mit über 4.000 Namen, darunter auch besonders die Mediziner und Fachleute der sogenannten Euthanasie, Klees Spezialgebiet. Diese fehlten z.T. im "Braunbuch" der DDR von 1965 mit rund 2.400 Namen, als Reprint neu herausgekommen im Jahr 2002 und ergänzt durch einen Band "Nazis in der DDR" von Detlef Joseph mit ca. 870 Namen, 217 Seiten, 12,90 €, beides in der Edition Ost 2002                                                (M. R-H.)

Lesetipp: Norman Paech: Gebt Vanunu den Friedensnobelpreis! In: OSSIETZKY 2/2004, S. 45 (Ossietzky-Abo-Service, Vordere Schöneworth 21, 30167 Hannover, Tel. 0511/ 702526, Fax 0511/ 704483,
email: ossietzky@interdruck.net

 

Der Irak – Krieg, Besetzung, Widerstand. Hrsg. Von R. Göbel, J. Guillard, M. Schiffmann. (Ein konzentrierter Überblick über das Sanktionsregime, den Krieg, die Lage im Irak, die völkerrechtliche Situation und die Ziele des USA in diesem Land).

„Friedenspolitische Richtlinien“ der Kooperation für den Frieden, in: Soziale Verteidigung 1/04 (Schwarzer Weg 8, 32423 Minden), www.soziale-verteidigung.de.

Heinrich Hannover, Befreiung auf amerikanisch. Ossietzky-Sonderdruck, März 2004. Zu beziehen über:

Ossietzky-Abo-Service, Vordere Schöneworth 21, 30167 Hannover, Tel. 0511/702526, Fax 0511/ 704483, email: ossietzky@interdruck.net

 

 

Leider haben wir im Liga-Report 2/2003 den Titel des Buches von Wahied Wahdat-Hagh falsch zitiert. Er lautet nicht:

Die Islamische Republik Iran

sondern korrekt:

„Die Islamische Republik Iran“
Die Herrschaft des politischen Islam als eine Spielart des Totalitarismus.
Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Ulrich Albrecht.
Reihe: Konfrontation und Kooperation im Vorderen Orient, Band 10/2003, 536 Seiten, 35.90 €
ISBN 3-8258-6781-1

Wir bedauern das Versehen.                          rg

Das neue Zusatzprotokoll zur UN – Anti – Folter - Konvention; Hrsg.: Deutsches Institut für Menschenrechte, Zimmerstrasse 26/27, 10969 Berlin, Tel.: 030/ 259 359 0, Fax: -59, info@institut-fuer-menschenrechte.de, www.institut-fuer-menschenrechte.de, Berlin Januar 2004

 

Medien, Menschenrechte und Demokratie, Jahrbuch 2002/2003; Hrsg.: Komitee für Grundrechte und Demokratie, Aquinostrasse 7-11, 50670 Köln, ISBN 3-88906-102

Rolf Gössner

>GEHEIME INFORMANTEN<

V-Leute des Verfassungsschutzes:
Kriminelle im Dienst des Staates

Knaur-Taschenbuchverlag, München 2003
320 S.; 12,90 €

 

Veröffentlichungen von Rolf Gössner (Auswahl):

Gössner, Reiseverbote in einer grenzenlosen Welt? Zu den staatlichen Reaktionen auf Globalisierungsproteste, in: Kleiner/Strasser (Hg.), Globalisierungswelten - Kultur und Gesellschaft in einer entfesselten Welt, Köln 2003, S. 200 ff.

Ders., Im Namen der Sicherheit, in: BLÄTTER für deutsche und internationale Politik 11/2003.

Ders., Präventiv-Angriff auf die Freiheitsrechte. Zur Verschärfung der niedersächsischen Polizei- und Verfassungsschutz-Gesetze, in: GEHEIM 4/2003.

Ders., Im Geiste Carl von Ossietzkys, in: OSSIETZ­KY 1/2004, S. 32 ff.

Ders., Der Staat hat große Ohren: Vom Ende der Vertraulichkeit, in: COMPUTERWOCHE 3/ 2004.

Öcalan skandal kosullarda tutuluyor. Uluslararasi Insan Haklari Ligi Baskani Dr. Rolf Gössner, in: ÖZGÜR POLITIKA 26. Januar 2004.

Bürgerrechtler warnt vor Nebenwirkungen im "Anti-Terrorkampf", in: ISLAMISCHE ZEITUNG - Forum für Deutschland, Österreich und die Schweiz, Februar 2004.

TV-Studiogespräch mit Rolf Gössner u.a. über "Geheime Informanten" und "Internationale Liga für Menschenrechte". Aufzeichnung vom 22.02.2004, Übertragungen in: www.net-view.tv, bei Radio Flora (UKW 106,5 / 102,15 im Kabel), Radio ZuSa etc.

 

 

Hinweise und Notizen

Topographie des Terrors

Der Skandal der millionenteuren beeindruckenden Bauruine steht gewissermaßen im reziproken Verhältnis zur inhaltlich erfolg reichen und nachhaltigen Arbeit der Stiftung und ihrer Mitarbeiter:

- rund 250.000 Besucher der open-air-Dauerausstel­lung im Graben an der Niederkirchner Straße (die er­halten bleiben muss),

- international vernetzte Arbeit des Gedenkstättenreferats,

- öffentliche Nutzung der Bibliothek einschlägiger Literatur mit rund 19.000 Titeln.

- Publikationen, Vorträge und Veranstaltungen, Kunstaktionen und temporäre Ausstellungen, Seminare, Tagungen usw.

- gelegentliche Protestbriefe gegen den Baustopp seitens des internationalen "Beirats", in dem die Internationale Liga für Menschenrechte vertreten ist...

Die Liga gab vor 24 Jahren, im Januar 1980, den ersten Anstoß durch einen öffentliche Brief an den Berliner Innensenator mit der Forderung ihres Antifaschistischen Ausschusses nach einem Gedenkstein bzw. Mahnmal für die Opfer der Gestapo-Zentrale, womit das Areal an der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße in das öffentlich-politische Bewusstsein gerückt wurde. Nach kontroversen Debatten, Widerständen und Begehrlichkeiten, Grabungen, Wettbewerben, politischem Hickhack entstand in zähflüssigem Prozess die Stiftung "Topographie des Terrors" zu diesem Ort der Täter. Vielen Liga-Mitgliedern wird einiges noch in Erinnerung sein.

Gedenkstätte Sachsenhausen

Der diesjährige Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus galt den Opfern medizinischer Menschenversuche im Konzentrationslager. Eine Ausstellung der Universität Erlangen-Nürnberg "Gewissenlos/Gewissenhaft" ist bis zum 25.-April 2004 im Neuen Museum der Gedenkstätte zu sehen.

Die Gedenkstätte wird gegenwärtig für 9,7 Mio Euro z.T. ab- und umgebaut, u.a. die Station Z mit den Verbrennungsöfen und den Erschießungsanlagen. Es sollen nunmehr - nach über 60 Jahren - endlich hier exekutierte politische Gegner der Nazis, die bislang vergessen waren, eine angemessene Repräsentation erfahren.

Die Wehrmachtsausstellung
“Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944“

wurde nun letztmalig eröffnet und ist bis zum 28. März 2004 in Hamburg zu sehen, dazu Mitte März eine Konferenz über die Verbrechen der Wehrmacht, welche der klinisch-weiß aufbereiteten 2. Fassung vielleicht den vermiedenen emotionalen touch verleiht. Hannes Heer, Träger der Carl-von-Ossietzky-Medaille, soll im Begleitprogramm nochmals zu Wort kommen, was zu begrüßen ist. Anschließend soll die Ausstellung in den Archiven des Deutschen Historischen Museums eingelagert werden - abgehakt?

Nur im kausalen Zusammenhang mit „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941- 1944“ kann - wenn überhaupt - das lautstark geforderte und geförderte Thema der Flucht und Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten dargestellt werden, denn genau in diesen Kontext gehört es, einschließlich geschichtlichen Überblicks und Rückblicks, zu den völkischen, deutschnationalen, nationalistischen, besitzbestimmten Strömungen in den Ostregionen der Vorkriegszeiten. Das reicht von den Annexionsforderungen der Alldeutschen bei Kaiser Wilhelm II. über die Osthilfe für die überschuldeten Großgrundbesitzer unter Brüning bis zu Himmlers Generalplan Ost und dem SS-Generalsiedlungsplan mit seiner „rassenpolitischen Neuordnung“ Osteuropas.

Ein durch die coole Historisierung verändertes Geschichtsbewusstsein darf die Kausalität der Geschehnisse nicht aus dem Blick verlieren!

(Hinweise und Notizen von Marianne Reiff-Hundt)

 

Behandlungszentrum für Folteropfer: Das Berliner Behandlungszentrum für Folteropfer hat in seinen neuen Räumlichkeiten (Gesundheitszentrum Moabit) eine Tagesklinik eröffnet. Die Klinik verfügt zunächst über 6 Plätze. Außerdem ist die Durchführung eines Langzeittherapie - Projektes (über drei Jahre) in Form einer Gartengestaltung geplant (20 Plätze). Infos zur Tagesklinik: Ute Rokyta (Dipl.–Psychologin), Tel: 030/303 906 –25, Fax: - 306 143 71; u.rokyta@bzfo.de, www.folteropfer.de

 

Bürger-Engagement für Zwangsarbeiter und andere NS-Opfer in Osteuropa, die keine Leistungen von der Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ erhalten können:

„KONTAKTE-KOHTAKTbI“, gemeinnütziger Verein für Kontakte zu Länder der ehemaligen Sowjetunion, der 2002 mit der Ossietzky-Medaille ausgezeichnet wurde, hat im Januar 2004 einen Aufruf gestartet, der von der Liga unterstützt wird:

„Geben Sie einen Tagessatz Ihres Einkommens für Zwangsarbeiter und andere NS-Opfer in Osteuropa, die keine „Entschädigung“ erhalten“.

Informationen über: Kontakte e.V.,. Feurigstr. 19, 10827 Berlin, www.kontakte-kontakty.de; www.buerger-engagement-fuer-ns-zwangsarbeiter.de.

Spenden bitte an: Kontakte, KtoNr. 3065599006 Berliner Volksbank (BLZ 100 900 00), Kennwort: „Zwangsarbeiter“.

 

 

Impressum

Liga-Report - Informationsbrief
der Internationalen Liga für Menschenrechte,

Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin,

Tel. 030 – 396 21 22; Fax 030 – 396 21 47;

Mail: vorstand@ilmr.org; Internet: www.ilmr.org

Redaktion 1/2004: Rolf Gössner, Kilian Stein
Mitarbeit: Eleonore Kujawa, Mila Mossafer, Marianne Reiff-Hundt, Fanny-Michaela Reisin, Petra Rosenberg, Aliyeh Yegane.
ViSdP: Kilian Stein.

Spenden bitte an: ILMR, Bank für Sozialwirtschaft,
Konto 33 17 100; BLZ 100 205 00