Dubiose Steuerdaten-Deals
fördern Datenklau und Denunziation

Eine bürgerrechtliche Einschätzung von Rolf Gössner

 

NEWSLETTER der FRAKTION DIE LINKE
in der Bremischen Bürgerschaft
22.02.2010

 

Es scheint, als stecke der Staat in einem unauflösbaren Dilemma: Es gibt gute Gründe für den Ankauf von CDs mit gestohlenen Daten über mögliche Steuerbetrüger, die ihr Schwarzgeld vor dem deutschen Fiskus auf Schweizer Bankkonten in Sicherheit gebracht haben. Schließlich geht es um gesellschaftsschädigende Straftaten. „Aber es gibt auch gute, wahrscheinlich bessere Gründe für einen Rechtsstaat, den illegalen Millionendeal mit Kriminellen strikt zu verweigern. Denn Begünstigung und Beihilfe zu Datenausspähung und Verrat von Geschäftsgeheimnissen sind auch für Staatsbedienstete strafbar - und es gibt keine Rechtsgrundlage für den Ankauf solcher Daten“, so Rechtsanwalt Rolf Gössner, parteiloser Innen­deputierter der Fraktion DIE LINKE in der Bremischen Bürgerschaft, zur aktuellen Affäre um ausgespähte Steuerdaten und ihre strafrechtliche Verwertung. Ein solch anrüchiger Datenhandel jenseits der Legalität fördert, wie sich längst gezeigt hat, weiteren Datenklau und schafft ein Klima der Denunziation.

Gössner weiter: „Bei so viel Verfolgungseifer, wie wir ihn gegenwärtig quer durch alle politischen Lager erleben, ist ohnehin Skepsis angebracht. Der Zweck heiligt in einem Rechtsstaat auch in Fällen, die das ,große Geld' betreffen, keineswegs die Mittel. Auch nicht mit Verweis auf die Höhe der mutmaßlich hinterzogenen Steuermillionen; und auch nicht mit dem entschuldigenden Verweis auf andere dubiose Mittel und Methoden, deren sich der Staat zur Strafverfolgung mitunter bedient“ - etwa verfassungswidrige Ausforschungsmaßnahmen und Datentransfers oder zwielichtige Einsätze von Lockspitzeln und Kronzeugen. Insoweit sei längst ein schwindendes Datenschutz- und Verfassungsbewusstsein in der politischen Klasse zu beklagen, wenn immerzu im Namen des Staates und vermeintlicher Sicherheit in Freiheit und Bürgerrechte eingegriffen werde. Deshalb habe das Bundesverfassungsgericht in den vergangenen Jahren schon mehrfach Gesetze und Maßnahmen für verfassungswidrig und nichtig erklären müssen.

Rolf Gössner nennt Alternativen: „Ein gerechtes und vereinfachtes Steuersystem, effektive Betriebskontrollen, Doppelbesteuerungs- und Amtshilfeabkommen mit der Schweiz und anderen Finanzplätzen wären effektiver, nachhaltiger und seriöser als dubiose Millionendeals – und zudem legal.“ Dann dürften aber auch Steuerfahnder, die mit Engagement wirklich großen Steuerbetrügern auf die Schliche kommen, nicht psychiatrisiert und kaltgestellt werden, wie dies in Hessen geschehen ist. Dann dürften auch nicht Steuermillionen verpulvert werden, wie dies immer wieder vom Rechnungshof beanstandet wird. Und es müsste Schluss sein mit Steueroasen und der im Steuerrecht verankerten Generalamnestie von Steuerstraftätern. „Statt bloßer Symptombekämpfung ist politischer Gestaltungswille gefordert, der endlich an Ursachen, Strukturen und Bedingungen der Großkriminalität ansetzt. Alles andere sind Ablenkungsmanöver, die auch noch rechtsstaatlichen Grund­sätzen widersprechen.“

Rechtsanwalt Dr. Rolf Gössner ist parteiloser Innendeputierter für die Linksfraktion sowie Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte (Berlin). Seine ausführlichere Stellungnahme zu diesem Thema in „Ossietzky. Zweiwochenschrift für Politik-Kultur-Wirtschaft“, Nr. 4 vom 20.02.2010 (www.sopos.org/ossietzky) und in „Neue Rheinische Zeitung“ vom 24.02.2010 (www.nrhz.de).