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Berufsverbot gegen
"friedliebenden Lehrer"?
Prozess am Verwaltungsgericht Karlsruhe:
überzeugter Antifaschist will eingestellt werden
KARLSRUHE. Wegen zweifelhafter
Verfassungstreue wird einem Pädagogen und überzeugten Antifaschisten die
Einstellung in den baden-württembergischen Schuldienst verweigert. Ob das
rechtens ist, entscheidet am Montag das Verwaltungsgericht Karlsruhe. Von
Meinrad Heck
Durch die Flure der Justiz
geistert das Gespenst des Radikalenerlasses. Mitte der 70er Jahre war es gewesen,
als Lokomotivführer, Lehrer und andere angehende Beamte, die kommunistischer
Umtriebe verdächtigt wurden, faktisch mit einem Berufsverbot belegt worden waren.
Und jetzt, so befürchten Kritiker, beginne der Spuk von neuem.
Michael Csaszkãczy klagt vor dem
Verwaltungsgericht Karlsruhe auf Einstellung in den Schuldienst. Die wird ihm
seit Jahren verweigert. Der 36-jährige ist Mitglied der als linksextremistisch
eingestuften Antifaschistischen Initiative Heidelberg. Und weil er sich in
einem "vertieften Einstellungsgespräch" beim Oberschulamt auch noch ausdrücklich
dazu bekannte, haftet an ihm ein so genannter "Eignungsmangel". Denn
die besagte Heidelberger Initiative steht im Verdacht, "Militanz" zu
befürworten.
Einige dutzend Sympathisanten
begleiten Michael Csaszkãczy zu seinem Verhandlungstermin. "Kein Berufsverbot"
ist auf Spruchbändern zu lesen. Sein Anwalt Martin Heiming hat dutzende von
Schriftsätzen verfasst und kritisiert vehement den baden-württembergischen
Verfassungsschutz, auf dessen Erkenntnisse sich die Ablehnung seines Mandanten
stützt. Aber nichts davon sei bewiesen. Und vor allem werde Michael Csaszkãczy
noch nicht einmal der Vorwurf einer persönlichen Verfehlung gemacht.
Demnach genügte das Etikett
antifaschistisch zu sein. Der heute 36-Jährige hatte an Publikationen über Widerstandskämpfer
im Naziregime mitgewirkt, Proteste gegen rechte Demonstrationen organisiert.
Rein fachlich hatte sich der Mann aber nichts zu Schulden kommen lassen. Keiner
wirft ihm vor, er indoktriniere etwa Schüler.
Während seiner Referendarszeit
hätten amtliche Prüfer an seiner pädagogischen Qualifikation nichts auszusetzen
gehabt, kritisiert Anwalt Heiming. "Es ist zum Haareraufen", sagt er.
Die Gegenseite widerspricht nicht.
Es gebe keine persönlichen Verfehlungen, gesteht Detlef Brandner, der Leitende
Regierungsdirektor im Regierungspräsidium Karlsruhe und zuständig für das
Referat Lehrer- und Personalverwaltung. Der so umstrittene Pädagoge "zeigt
Zivilcourage", meint Brandner, er sei "friedliebend", allerdings
mache ihn sein Bekenntnis zur Antifaschistischen Initiative nun einmal
"einfach untauglich". Also verdeutlicht der Regierungsdirektor:
"Ich wollte nicht haben, dass mein Sohn bei ihm in Geschichte oder Gemeinschaftskunde
unterrichtet wird."
Beistand erhält Michael Csaszkãczy
von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft oder von der Internationalen
Liga für Menschenrechte. Deren Präsident Rolf Gössner kritisiert, dass durch
die bisherigen Entscheidungen baden-württembergischer Behörden einem "engagierten
Antifaschisten Berufsverbot erteilt wurde". Das sei eine "politisch
motivierte Entscheidung, die auf zweifelhaften Erkenntnissen des Verfassungsschutzes"
beruhe. "Schärfsten Protest" erhebt auch die Vorsitzende der
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Nordbaden, Hildegard Klenk. Es sei
"unglaublich, dass der Kollege zwölf Jahre vom Geheimdienst beobachtet"
worden sei und dass bei der Entscheidung, ihn nicht in den Schuldienst zu
übernehmen, "seine Persönlichkeit nicht beachtet" worden sei. Das
Verwaltungsgericht will sein Urteil am Montag verkünden.
11.03.2006 - aktualisiert:
11.03.2006, 08:08 Uhr