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Artikel aus der
Stuttgarter Zeitung
vom 11.03.2006

 

Berufsverbot gegen "friedliebenden Lehrer"?

Prozess am Verwaltungsgericht Karlsruhe:
überzeugter Antifaschist will eingestellt werden

KARLSRUHE. Wegen zweifelhafter Verfassungstreue wird einem Pädagogen und überzeugten Antifaschisten die Einstellung in den baden-württembergischen Schuldienst verweigert. Ob das rechtens ist, entscheidet am Montag das Verwaltungsgericht Karlsruhe. Von Meinrad Heck

Durch die Flure der Justiz geistert das Gespenst des Radikalenerlasses. Mitte der 70er Jahre war es gewesen, als Lokomotivführer, Lehrer und andere angehende Beamte, die kommunistischer Umtriebe verdächtigt wurden, faktisch mit einem Berufsverbot belegt worden waren. Und jetzt, so befürchten Kritiker, beginne der Spuk von neuem.

Michael Csaszkãczy klagt vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe auf Einstellung in den Schuldienst. Die wird ihm seit Jahren verweigert. Der 36-jährige ist Mitglied der als linksextremistisch eingestuften Antifaschistischen Initiative Heidelberg. Und weil er sich in einem "vertieften Einstellungsgespräch" beim Oberschulamt auch noch ausdrücklich dazu bekannte, haftet an ihm ein so genannter "Eignungsmangel". Denn die besagte Heidelberger Initiative steht im Verdacht, "Militanz" zu befürworten.

Einige dutzend Sympathisanten begleiten Michael Csaszkãczy zu seinem Verhandlungstermin. "Kein Berufsverbot" ist auf Spruchbändern zu lesen. Sein Anwalt Martin Heiming hat dutzende von Schriftsätzen verfasst und kritisiert vehement den baden-württembergischen Verfassungsschutz, auf dessen Erkenntnisse sich die Ablehnung seines Mandanten stützt. Aber nichts davon sei bewiesen. Und vor allem werde Michael Csaszkãczy noch nicht einmal der Vorwurf einer persönlichen Verfehlung gemacht.

Demnach genügte das Etikett antifaschistisch zu sein. Der heute 36-Jährige hatte an Publikationen über Widerstandskämpfer im Naziregime mitgewirkt, Proteste gegen rechte Demonstrationen organisiert. Rein fachlich hatte sich der Mann aber nichts zu Schulden kommen lassen. Keiner wirft ihm vor, er indoktriniere etwa Schüler.

Während seiner Referendarszeit hätten amtliche Prüfer an seiner pädagogischen Qualifikation nichts auszusetzen gehabt, kritisiert Anwalt Heiming. "Es ist zum Haareraufen", sagt er.

Die Gegenseite widerspricht nicht. Es gebe keine persönlichen Verfehlungen, gesteht Detlef Brandner, der Leitende Regierungsdirektor im Regierungspräsidium Karlsruhe und zuständig für das Referat Lehrer- und Personalverwaltung. Der so umstrittene Pädagoge "zeigt Zivilcourage", meint Brandner, er sei "friedliebend", allerdings mache ihn sein Bekenntnis zur Antifaschistischen Initiative nun einmal "einfach untauglich". Also verdeutlicht der Regierungsdirektor: "Ich wollte nicht haben, dass mein Sohn bei ihm in Geschichte oder Gemeinschaftskunde unterrichtet wird."

Beistand erhält Michael Csaszkãczy von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft oder von der Internationalen Liga für Menschenrechte. Deren Präsident Rolf Gössner kritisiert, dass durch die bisherigen Entscheidungen baden-württembergischer Behörden einem "engagierten Antifaschisten Berufsverbot erteilt wurde". Das sei eine "politisch motivierte Entscheidung, die auf zweifelhaften Erkenntnissen des Verfassungsschutzes" beruhe. "Schärfsten Protest" erhebt auch die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Nordbaden, Hildegard Klenk. Es sei "unglaublich, dass der Kollege zwölf Jahre vom Geheimdienst beobachtet" worden sei und dass bei der Entscheidung, ihn nicht in den Schuldienst zu übernehmen, "seine Persönlichkeit nicht beachtet" worden sei. Das Verwaltungsgericht will sein Urteil am Montag verkünden.

11.03.2006 - aktualisiert: 11.03.2006, 08:08 Uhr