Stuttgarter Zeitung, 11.03.2006

 

Berufsverbot gegen "friedliebenden Lehrer"?

 

Prozess am Verwaltungsgericht Karlsruhe: überzeugter Antifaschist will eingestellt werden

 

KARLSRUHE. Wegen zweifelhafter Verfassungstreue wird einem Pädagogen und überzeugten Antifaschisten die Einstellung in den baden-württembergischen Schuldienst verweigert. Ob das rechtens ist, entscheidet am Montag das Verwaltungsgericht Karlsruhe.

 

Von Meinrad Heck

 

Durch die Flure der Justiz geistert das Gespenst des Radikalenerlasses. Mitte der 70er Jahre war es gewesen, als Lokomotivführer, Lehrer und andere angehende Beamte, die kommunistischer Umtriebe verdächtigt wurden, faktisch mit einem Berufsverbot belegt worden waren. Und jetzt, so befürchten Kritiker, beginne der Spuk von neuem.

 

Michael Csaszkãczy klagt vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe auf Einstellung in den Schuldienst. Die wird ihm seit Jahren verweigert. Der 36-jährige ist Mitglied der als linksextremistisch eingestuften Antifaschistischen Initiative Heidelberg. Und weil er sich in einem "vertieften Einstellungsgespräch" beim Oberschulamt auch noch ausdrücklich dazu bekannte, haftet an ihm ein so genannter "Eignungsmangel". Denn die besagte Heidelberger Initiative steht im Verdacht, "Militanz" zu befürworten.

 

Einige Dutzend Sympathisanten begleiten Michael Csaszkãczy zu seinem Verhandlungstermin. "Kein Berufsverbot" ist auf Spruchbändern zu lesen. Sein Anwalt Martin Heiming hat Dutzende von Schriftsätzen verfasst  und kritisiert vehement den baden-württembergischen Verfassungsschutz, auf dessen Erkenntnisse sich die Ablehnung seines Mandanten stützt. Aber nichts davon sei bewiesen. Und vor allem werde Michael Csaszkãczy noch nicht einmal der Vorwurf einer persönlichen Verfehlung gemacht.

 

Demnach genügte das Etikett antifaschistisch zu sein. Der heute 36-Jährige hatte an Publikationen über Widerstandskämpfer im Naziregime mitgewirkt, Proteste gegen rechte Demonstrationen organisiert. Rein fachlich hatte sich der Mann aber nichts zu Schulden kommen lassen. Keiner wirft ihm vor, er indoktriniere etwa Schüler.

 

Während seiner Referendarszeit hätten amtliche Prüfer an seiner pädagogischen Qualifikation nichts auszusetzen gehabt, kritisiert Anwalt Heiming. "Es ist zum Haareraufen", sagt er.

 

Die Gegenseite widerspricht nicht. Es gebe keine persönlichen Verfehlungen, gesteht Detlef Brandner, der Leitende Regierungsdirektor im Regierungspräsidium Karlsruhe und zuständig für das Referat Lehrer- und Personalverwaltung. Der so umstrittene Pädagoge "zeigt Zivilcourage", meint Brandner, er sei "friedliebend", allerdings mache ihn sein Bekenntnis zur Antifaschistischen Initiative nun einmal "einfach untauglich". Also verdeutlicht der Regierungsdirektor: "Ich wollte nicht haben, dass mein Sohn bei ihm in Geschichte oder Gemeinschaftskunde unterrichtet wird."

 

Beistand erhält Michael Csaszkãczy von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft oder von der Internationalen Liga für Menschenrechte. Deren Präsident Rolf Gössner kritisiert, dass durch die bisherigen Entscheidungen baden-württembergischer Behörden einem "engagierten Antifaschisten Berufsverbot erteilt wurde". Das sei eine "politisch motivierte Entscheidung, die auf zweifelhaften Erkenntnissen des Verfassungsschutzes" beruhe. "Schärfsten Protest" erhebt auch die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Nordbaden, Hildegard Klenk. Es sei "unglaublich, dass der Kollege zwölf Jahre vom Geheimdienst beobachtet" worden sei und dass bei der Entscheidung, ihn nicht in den Schuldienst zu übernehmen, "seine Persönlichkeit nicht beachtet" worden sei. Das Verwaltungsgericht will sein Urteil am Montag verkünden.

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Untauglicher Beamter? Berufsverbot für einen Antifaschisten

 

Karlsruhe - Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat am gestrigen Freitag über die Rechtmäßigkeit eines Berufsverbotes für den Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy verhandelt. Ihm wird seit 2004 vom baden-württembergischen Kultusministerium der Eintritt in den Schuldienst verwehrt, weil er sich für die "Antifaschistische Initiative Heidelberg" (AIHD) engagiert. Das Urteil wird am Montag erwartet. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) handelt es sich um den bundesweit einzigen Berufsverbots-Fall, bei dem ein Lehrer betroffen ist. Der Prozess wird von der Humanistischen Union, der Internationalen Liga für Menschenrechte, dem Komitee für Grundrechte und Demokratie und dem Republikanischen Anwaltsverein beobachtet. Das Bekenntnis des Lehrers zur AIHD macht ihn nach Ansicht des Vertreters des Landes, Detlef Brandner, als Beamten "untauglich". Die Gruppierung wird vom Landesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft. Zweifelhafte Erkenntnisse des Verfassungsschutzes?

 

Zur Bedeutung des Verfahrens sagte Dr. Rolf Gössner, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, im Vorfeld des Prozesses: "Wir sind besorgt darüber, dass ein qualifizierter Bewerber für den Schuldienst wegen seines antifaschistischen Engagements Zweifel an seiner Verfassungstreue hervorrufen kann und ihm damit der Weg in den Schuldienst versperrt wird." Es gehe bei diesem Verfahren um die grundsätzliche Frage, ob in der Bundesrepublik die berüchtigte Berufsverbotspraxis früherer Jahrzehnte wieder auflebe oder endlich der Vergangenheit angehöre.

 

Die prozessbeobachtenden Bürgerrechtsgruppen sehen nach wie vor die Gefahr, dass mit diesem Berufsverbot ein engagierter Antifaschist aus Gesinnungsgründen vom Schuldienst ferngehalten wird, dem persönlich kein Fehlverhalten vorzuwerfen und der für den Lehrerberuf bestens qualifiziert sei. "Wir werten diese Ablehnung bislang als Verstoß gegen die Grundrechte auf Meinungs- und Berufsfreiheit - eine unseres Erachtens politisch motivierte Entscheidung des baden-württembergischen Kultusministeriums, die überwiegend auf den zweifelhaften Erkenntnissen und Bewertungen des Verfassungsschutzes beruht", so Gössner.

 

Die Bundesrepublik sei schon einmal für die Verhängung eines Berufsverbots vom Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilt worden - wegen Verstoßes gegen die Menschenrechte, erläutert Gössner. Jetzt sei das Verwaltungsgericht Karlsruhe am Zug. "Den Anfängen einer neuen Berufsverbote-Politik sollte schnellstmöglich Einhalt geboten werden, damit nicht weitere Lebensperspektiven und Berufskarrieren zerstört werden." (pma)

 

Meldung vom Samstag, 11. März 2006  © ka-news 2006

 

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Lehrer kämpft gegen "Berufsverbot"

                            

Verwaltungsgericht Karlsruhe verhandelt Fall des Heidelbergers Michael Csaszkoczy

 

Von dpa-Korrespondent Martin Oversohl

 

Karlsruhe/Heidelberg. Wenigstens eines ist an diesem Freitag im Verwaltungsgericht Karlsruhe sicher: Der kleine und überhitzte Sitzungssaal musste seit langem nicht mehr so viele Menschen aufnehmen wie zum Prozess um Michael Csaszkoczy, einen politisch aktiven Realschullehrer, der gegen den Willen von Behörden und Ministerium um seine Einstellung kämpft. Mit Protestplakaten verleihen die rund 50 Anhänger des 35-Jährigen ihrer Meinung Ausdruck, offen schimpfen sie gegen das "Berufsverbot".

 

Das Regierungspräsidium Karlsruhe dagegen bleibt bei seiner Ablehnung: Der Mann sei zwar fachlich geeignet, doch widerspreche seine Mitgliedschaft in einer als linksextrem eingestuften Gruppe den Voraussetzungen für den Lehrerberuf. Vor allem zwei Sätze der Homepage der "Antifaschistischen Initiative Heidelberg" könnten dem Heidelberger Pädagogen zum Verhängnis werden. Dort heißt es, "Militanz, die sich durch angemessene Zielgerichtetheit, permanente Selbstreflexion, konsequente Abwägung und hohes Verantwortungsbewusstsein der Agierenden auszeichnet, betrachten wir als legitimes Mittel im Kampf um Befreiung." Und: An "den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen" werde sich auf parlamentarischem Weg "nichts Grundlegendes ändern".

 

Auch der Vorsitzende Richter Bernd Heß äußert offen seine Zweifel: "Bei Ihren Fächern Deutsch und Geschichte besteht Anlass zur Befürchtung, dass Sie in diesem Unterricht ein Bild unseres Staates propagieren und an Schüler weiter geben, das von Seiten des Landes als diskriminierend angesehen wird", meint Heß.

 

Csaszkoczy - mit Glatze, Weste und zahlreichen Ringen am Ohr - präsentiert sich vor Gericht zurückhaltend, lächelnd, aber bestimmt. Er stehe zwar hinter den Veröffentlichungen seiner Gruppe, sagt er. "Aber das staatliche Handeln darf kritisiert werden auf der Grundlage der freiheitlich-demokratischen Ordnung, davon lebt unsere Demokratie." Es sei ihm bislang nie vorgehalten worden, "die Schüler zu beeinflussen oder zu indoktrinieren".

 

Selbst nach Ansicht von Detlef Brandner, dem Vertreter des Regierungspräsidiums, zeigt der Heidelberger "Zivilcourage und großen Einsatz". Doch tue der Pädagoge durch seinen Einsatz auch das Gegenteil dessen, was von ihm erwartet werde. "Der Kläger bekennt sich eindeutig zu den Zielen einer verfassungsfeindlichen Organisation und zur Diffamierung des Systems", kritisiert Brandner. Auch die frühere Kultusministerin Annette Schavan (CDU) hatte ihren ablehnenden Bescheid so begründet. Dagegen warf Verteidiger Martin Heimen der Behörde vor, durch die Entscheidung "völlig falsche Signale" zu setzen. Am Montag will die Karlsruher Kammer ihre Entscheidung veröffentlichen.

 

© Mannheimer Morgen - 11.03.2006

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Lehrer wehrt sich gegen Berufsverbot

 

Freitag 10. März 2006, 11:57 Uhr

 

Karlsruhe/Wiesbaden (ddp-hes). Vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe hat am Freitag ein Prozess über die Rechtmäßigkeit eines Berufsverbotes für einen Heidelberger Lehrer begonnen. Dem Realschullehrer Michael C. wird seit 2004 vom baden-württembergischen Kultusministerium der Eintritt in den Schuldienst verwehrt, weil er sich für die «Antifaschistische Initiative Heidelberg» (AIHD) engagiert. Die Gruppierung wird vom Landesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft. Der Lehrer wehrte sich vor Gericht gegen das Berufsverbot und kündigte einen Weg durch die Instanzen an, falls er nicht Recht bekommt. Ein Berufsverbot wäre ein Beschluss gegen «Zukunftsperspektiven, Hoffnung und Demokratie», betonte er. Der Vertreter des Landes, Detlef Brandner, entgegnete, jeder Lehrer einer öffentlichen Schule müsse sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Das Bekenntnis des Realschullehrers zur AIHD mache ihn als Beamten «untauglich».

Der Vorsitzende Richter Bernd Heß merkte an, die Organisation male ein Bild des Staates, das als diffamierend angesehen werden könnte. Sein Urteil will er am Montag verkünden. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist dies derzeit bundesweit der einzige Berufsverbots-Fall, bei dem ein Lehrer betroffen ist. Das Land Hessen hat mittlerweile ebenfalls aus politischen Gründen eine Anstellung des Lehrers verweigert. Die Bildungsgewerkschaft unterstützt den Lehrer und will erreichen, dass die rechtlichen Grundlagen des so genannten Radikalenerlasses aus dem Landesrecht gestrichen werden. Nach früheren Angaben des Ministeriums handelte es sich bei dem Verfahren hingegen um einen «absoluten Ausnahmefall», der nicht mit dem Radikalenerlass aus dem Jahr 1972 in Verbindung stehe. (ddp)

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Untauglicher Beamter?

 

Freitag 10. März 2006, 13:34 Uhr

 

Karlsruhe (ddp). Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat am Freitag über die Rechtmäßigkeit eines Berufsverbotes für einen Heidelberger Lehrer verhandelt. Dem Realschullehrer Michael C. wird seit 2004 vom baden-württembergischen Kultusministerium der Eintritt in den Schuldienst verwehrt, weil er sich für die «Antifaschistische Initiative Heidelberg» (AIHD) engagiert. Das Urteil wird am Montag erwartet. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) handelt es sich um den bundesweit einzigen Berufsverbots-Fall, bei dem ein Lehrer betroffen ist.

 

Der Lehrer wehrt sich vor Gericht gegen das Berufsverbot und kündigte einen Weg durch die Instanzen an, falls er nicht Recht bekommen sollte. Ein Berufsverbot wäre ein Beschluss gegen «Zukunftsperspektiven, Hoffnung und Demokratie», betonte er. Der Vertreter des Landes, Detlef Brandner, entgegnete, jeder Lehrer einer öffentlichen Schule müsse sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Das Bekenntnis des Realschullehrers zur AIHD mache ihn als Beamten «untauglich». Die Gruppierung wird vom Landesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft. Der Vorsitzende Richter Bernd Heß merkte an, die Organisation male ein Bild des Staates, das als diffamierend angesehen werden könnte. Das Bundesland Hessen hat mittlerweile ebenfalls aus politischen Gründen eine Anstellung des Lehrers verweigert. Der Lehrer studierte an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg Deutsch, Geschichte und Kunst. Er beteuerte, es entspreche weder seinem politischen noch seinem pädagogischen Selbstverständnis, Schüler zu beeinflussen. Sein Anwalt Martin Heiming verwies außerdem darauf, dass die Arbeit seines Mandanten während der zweijährigen Referendariatszeit als «gut oder sehr gut» beurteilt wurde. Michael C. werde von Schülern und Eltern geschätzt.

 

Zahlreiche Anhänger der linken Szene saßen während der Verhandlung im Gerichtssaal. Die Vorsitzende des Bezirks Nordbaden der GEW, Hildegard Klenk, bezeichnete das Verfahren als eine «politisch gefährliche Aussage». Viele Kollegen, die selbst politisch tätig sind, seien nun in Sorge, sagte Klenk. Die Bildungsgewerkschaft unterstützt den Lehrer und will erreichen, dass die rechtlichen Grundlagen des so genannten Radikalenerlasses aus dem Landesrecht gestrichen werden. Nach früheren Angaben des Ministeriums handelte es sich bei dem Verfahren hingegen um einen «absoluten Ausnahmefall», der nicht mit dem Radikalenerlass aus dem Jahr 1972 in Verbindung stehe. Dieser hatte darauf abgezielt, Anhänger radikaler politischer Gruppierungen vom gesamten öffentlichen Dienst fernzuhalten. (ddp)

 

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Karlsruhe (dpa/lsw) - Nach der Ablehnung an Schulen in Baden- Württemberg und Hessen hat ein politisch aktiver Lehramtsanwärter am Freitag versucht, seine Bewerbung vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe durchzusetzen. Der fachlich geeignete 35-Jährige war wegen seiner Mitgliedschaft in einer als linksextrem eingestuften Gruppe nicht als Lehrer eingestellt worden. Bei der Verhandlung am Freitag wies der Heidelberger Pädagoge die Anschuldigungen der Schulbehörden zurück. Eine Entscheidung der Kammer soll am Montag (13. März) veröffentlicht werden.

 

«Bei Ihren Fächern Deutsch und Geschichte besteht Anlass zur Befürchtung, dass Sie in diesem Unterricht ein Bild unseres Staates propagieren und an Schüler weiter geben, das von Seiten des Landes als diskriminierend angesehen wird», sagte der Vorsitzende Richter Bernd Heß bei der Verhandlung. Unterstützt von zahlreichen Anhängern aus der Heimatstadt und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) entgegnete der Kläger, er stehe zwar hinter den umstrittenen Veröffentlichungen seiner politischen Gruppe. «Mir wurde bislang aber nie vorgehalten, die Schüler zu beeinflussen oder zu indoktrinieren.» Das widerspreche auch seinem pädagogischen Selbstverständnis, sagte der 35-Jährige.

 

Nach Ansicht von Detlef Brandner vom Regierungspräsidium Karlsruhe zeigt der Kläger aus Heidelberg zwar «Zivilcourage und großen Einsatz». Der Pädagoge tue aber eben das Gegenteil dessen, was von ihm erwartet werde. Dagegen warf Verteidiger Martin Heimen der Behörde vor, durch die Entscheidung «völlig falsche Signale» zu setzen. Es herrschten andere Umstände als zu Zeiten des Bundesverfassungsgerichts von 1975: Damals war in einem Urteil ein besonderes Treueverhältnis der Beamten zum Staat gefordert worden. «Die Verfassung ist heute stabiler», sagte Heimen.

 

Die frühere Stuttgarter Kultusministerin Annette Schavan (CDU) hatte den ablehnenden Bescheid im August 2004 mit der Gesinnung der «Antifaschistischen Initiative Heidelberg» begründet, der der Kläger seit mehreren Jahren angehört. Die Gruppe befürworte Militanz und stelle sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, betonte auch der Vertreter des Regierungspräsidiums erneut vor Gericht.

 

Auch in Heppenheim (Hessen) war eine Bewerbung des Realschulpädagogen im vergangenen Sommer abgelehnt worden. «Wer das Grundgesetz nicht achtet, hat in der Schule nichts verloren», hatte eine Sprecherin des Kultusministeriums in Wiesbaden damals zu dem Bescheid erklärt.

 

Die GEW bezeichnete es als «abstrus, dass im Jahr 2006 noch so vorgegangen und ein Berufsverbot erteilt wird». Die nordbadische GEW- Vorsitzende Hildegard Klenk forderte Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) auf, ein Zeichen gegen Diskriminierung zu setzen und den 35-jährigen Kläger in den Schuldienst zu übernehmen.

Antifaschistische Initiativen werden sowohl in Baden-Württemberg als auch in Hessen vom Verfassungsschutz beobachtet.  10.3.06

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ngo-online "druckfrisch"

 

Ausdruck aus der Internet-Zeitung www.ngo-online.de

10.03.2006

 

Untauglicher Beamter?

 

Verwaltungsgericht verhandelt über Fall eines Lehrer-Berufsverbots                  10.03.2006

 

(ngo/ddp) Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat am Freitag über die Rechtmäßigkeit eines Berufsverbotes für einen Heidelberger Lehrer verhandelt. Dem Realschullehrer Michael C. wird seit 2004 vom baden-württembergischen Kultusministerium der Eintritt in den Schuldienst verwehrt, weil er sich für die "Antifaschistische Initiative Heidelberg" (AIHD) engagiert. Das Urteil wird am Montag erwartet. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) handelt es sich um den bundesweit einzigen Berufsverbots-Fall, bei dem ein Lehrer betroffen ist.

 

Der Lehrer wehrt sich vor Gericht gegen das Berufsverbot und kündigte einen Weg durch die Instanzen an, falls er nicht Recht bekommen sollte. Ein Berufsverbot wäre ein Beschluss gegen "Zukunftsperspektiven, Hoffnung und Demokratie", sagte er.

 

Der Vertreter des Landes, Detlef Brandner, entgegnete, jeder Lehrer einer öffentlichen Schule müsse sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Das Bekenntnis des Realschullehrers zur AIHD mache ihn als Beamten "untauglich". Die Gruppierung wird vom Landesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft. Der Vorsitzende Richter Bernd Heß merkte an, die Organisation male ein Bild des Staates, das als diffamierend angesehen werden könnte. Das Bundesland Hessen hat mittlerweile ebenfalls aus politischen Gründen eine Anstellung des Lehrers verweigert.

 

Der Lehrer studierte an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg Deutsch, Geschichte und Kunst. Er beteuerte, es entspreche weder seinem politischen noch seinem pädagogischen Selbstverständnis, Schüler zu beeinflussen. Sein Anwalt Martin Heiming verwies außerdem darauf, dass die Arbeit seines Mandanten während der zweijährigen Referendariatszeit als "gut oder sehr gut" beurteilt wurde. Michael C. werde von Schülern und Eltern geschätzt.

 

GEW verweist auf Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

 

Die GEW weist darauf hin, dass 1995 Berufsverbote vom Europäischen Gerichtshof für menschenrechtswidrig erklärt wurden. Die Bildungsgewerkschaft unterstützt den Lehrer und will erreichen, dass die rechtlichen Grundlagen des so genannten Radikalenerlasses aus dem Landesrecht gestrichen werden. Nach früheren Angaben des Ministeriums handelte es sich bei dem Verfahren hingegen um einen "absoluten Ausnahmefall", der nicht mit dem Radikalenerlass aus dem Jahr 1972 in Verbindung stehe. Dieser hatte darauf abgezielt, Anhänger radikaler politischer Gruppierungen vom gesamten öffentlichen Dienst fernzuhalten. Die GEW erwartet von Ministerpräsident Günther Oettinger, dass er zu dem Berufsverbot Stellung bezieht. "Die mageren Aussagen des Vertreters vom Regierungspräsidium Karlsruhe vor dem Verwaltungsgericht zeigten heute, dass es für das Berufsverbot keine ausreichende Grundlage gibt", schreibt die Gewerkschaft in einer Stellungnahme. Die Begründung für das Verbot sei "ein Armutszeugnis für die Politik". Oettinger und sein Kultusminister Helmut Rau sollten ein Zeichen gegen Diskriminierung setzen und den Lehrer in den Schuldienst übernehmen, sagte am Freitag Rainer Dahlem, GEW-Landesvorsitzender.

 

Impressum: Die Internet-Zeitung ngo-online wird herausgegeben von: ngo-online e.V., www.ngo-online.de

 

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Antifaschist, der nicht Lehrer sein darf

 

„Gegen das Berufsverbot" - so könnte man die letzten Jahre Michael Csaszkóczys zusammenfassen. Eigentlich hätte er diese Zeit gern als Lehrer gewirkt. Aber das Land Baden-Württemberg war anderer Ansicht. Es lehnte ab, den heute 35 Jahre alten Mann in den Schuldienst aufzunehmen.

 

Csaszkóczy hatte sich nach dem Referendariat um eine Stelle in Karlsruhe als Lehrer beworben. Stattdessen erhielt er eine Ladung, da Zweifel an seiner "Verfassungstreue" bestünden - wegen der "Mitgliedschaft in der Antifaschistischen Initiative". Der Verfassungsschutz beobachtet ihn seit zwölf Jahren, sammelt Informationen, etwa die Anmeldung von Demonstrationen gegen den Irak- und Jugoslawienkrieg oder die Mitautorschaft an einer historischen Dokumentation über eine NS-Widerstandsgruppe. Problematisch könnte für Csaszkóczy werden, dass die Antifa-Initiative Militanz so einschätzt: Sie sei legitimes Mittel im Kampf um Befreiung, wenn sie sich "durch angemessene Zielgerichtetheit […] und hohes Verantwortungsbewusstsein der Agierenden auszeichnet".

Das Leben des Realschullehrers, an dem das Regierungspräsidium fachlich nichts auszusetzen hat und dem es sogar Zivilcourage bescheinigt, hat sich verändert. "Ich musste erst einmal lernen, damit umzugehen, dass ich höchst offiziell zum Staatsfeind erklärt worden bin", sagt er der taz. "Mein ganzes Leben ist mit einem Mal bestimmt durch politische Auseinandersetzung."

 

Gestern begann die Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe. Csaszkóczy will mit der Klage gegen das Land nicht nur seine Anstellung als Pädagoge erreichen, sondern auch das Berufsverbot als Ganzes angreifen. Öffentliche Aufmerksamkeit ist das Einzige, was gegen Berufsverbote hilft. In den 70er- und 80er-Jahren war es nicht zuletzt die internationale Öffentlichkeit, welche die Behörden bewegte, von ihrer rigiden Praxis abzurücken. 1995 war Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen der Berufsverbote verurteilt worden. "Ein gesellschaftliches Klima, in dem man Angst haben muss, seine Meinung offen zu äußern, wenn sie nicht mit der herrschenden Politik konform geht, ist der Tod jeder Demokratie", sagt Csaszkóczy. Das sind wohl Sätze, die bei Richter Bernd Heß Zweifel hervorrufen: "Bei Ihren Fächern Deutsch und Geschichte besteht Anlass zur Befürchtung, dass Sie in diesem Unterricht ein Bild an Schüler weitergeben, das von Seiten des Landes als diskriminierend angesehen wird", sagte Heß bei der gestrigen Verhandlung. Das Urteil wird für Montag erwartet.

 

CHRISTIAN DEL MONTE

taz Nr. 7919 vom 11.3.2006, Seite 2, 91 Portrait CHRISTIAN DEL MONTE

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Gericht verhandelt über Abweisung von politisch engagiertem Lehrer

Gruppe bekennt sich offen zur Gewalt als politischem Mittel

 

Vom 10.03.2006

 

KARLSRUHE/WIESBADEN (dpa) Vor dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe wird heute die Klage eines Lehramtsanwärters aus Heidelberg verhandelt, der als Mitglied in einer antifaschistischen Initiative nicht zum Schuldienst zugelassen wurde. Behörden in Hessen und Baden-Württemberg hatten den Realschulpädagogen trotz seiner fachlichen Eignung abgelehnt. Die damalige baden- württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU) hatte zur Begründung gesagt, die als linksextrem eingestufte „Antifaschistische Initiative Heidelberg“ sei gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Außerdem bekenne sich die Gruppe offen zur Gewalt als politischem Mittel.

 

Die Gewerkschaft bezeichnet den Vorgang als politisches Berufsverbot. Antifaschistische Initiativen werden sowohl in Baden-Württemberg als auch in Hessen vom Verfassungsschutz beobachtet.

Main-Spitze

 

 

junge welt, 09.03.2006

 

Prozeß um Berufsverbot in Karlsruhe

 

Betroffener klagt gegen Land Baden-Württemberg

 

Von Jana Frielinghaus

 

Am morgigen Freitag beginnt vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe ein Prozeß um das Berufsverbot, das die damalige baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU) im August 2004 gegen den Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy verhängt hat. Der Betroffene kämpft seit Ende 2003 um eine Anstellung, nachdem ihm mitgeteilt wurde, er könne deshalb nicht beschäftigt werden, weil nicht gewährleistet sei, daß er auf dem Boden der Verfassung stehe. Dabei erfuhr Csaszkóczy auch, daß das Landesamt für Verfassungsschutz ihn mehr als zehn Jahre lang beobachtet hatte. Mißfallen erregte vor allem sein Engagement gegen Neonazis und deutsche Kriegsbeteiligungen.

 

Jetzt wird Csaszkóczys Klage gegen das Land Baden-Württemberg in Karlsruhe verhandelt. Vertreter von vier  Bürgerrechtsorganisationen werden den Prozeß beobachten. Der prominente Anwalt Rolf Gössner wird als Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte und als Vertreter des Republikanischen Rechtsanwältevereins (RAV) anwesend sein. Vor Beginn des Verfahrens sagte er: »Es geht bei diesem Verfahren um die grundsätzliche Frage, ob in der Bundesrepublik die berüchtigte Berufsverbotspraxis früherer Jahrzehnte wieder auflebt oder endlich der Vergangenheit angehört.« Mit dem Berufsverbot werde ein engagierter Antifaschist »vom Schuldienst ferngehalten, dem persönlich kein Fehlverhalten vorzuwerfen und der für den Lehrerberuf bestens qualifiziert ist«, stellte Gössner fest.

 

Neben den Bürgerrechtsorganisationen unterstützt auch der Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den betroffenen Lehrer. 

 

* Die Verhandlung beginnt am 10. März um 9.30 Uhr vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe, Röntgenstr. 2a, Sitzungssaal 3. Weitere Informationen: www.gegen-berufsverbote.de

 

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Frankfurter Rundschau 10.03.2006

 

Richter urteilen über Berufsverbot für Lehrer

 

Baden-Württemberg will Pädagogen nicht einstellen / Ministerien zweifeln Verfassungstreue an

 

Der Pädagoge Michael Csaszkóczy hat das Land Baden-Württemberg wegen "Berufsverbots" verklagt. Vom heutigen Freitag an befasst sich das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit dem Fall. Csaszkóczy will Lehrer werden - und darf nicht.

 

Frankfurt a. M. · Für den Lehrerberuf hat Csaszkóczy studiert und ein Referendariat absolviert. Für seine Leistungen erhielt er gute Noten. Auch deshalb wollten die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte einer Realschule in Heidelberg den Pädagogen Csaszkóczy als Lehrer behalten.

 

Baden-Württemberg will den Pädagogen aber nicht einstellen. Kultus- und Innenministerium zweifeln seine Verfassungstreue an. Zu diesem Ergebnis kamen die Staatsschützer, nachdem sie Csaszkóczy zehn Jahre - bis 2002 - beobachtet hatten. Als Student zeigte er Jugendlichen Sehenswürdigkeiten aus dem Heidelberg der NS-Zeit, stritt für den Erhalt des Autonomen Zentrums und verfasste Artikel, in denen er schon mal den Kapitalismus kritisierte.

 

Was andernorts als gesellschaftliches Engagement durchgegangen wäre, reichte im Jahr 2004 dem Kultusministerium unter der Leitung von Annette Schavan (CDU, inzwischen Bundesbildungsministerin), um Csaszkóczy nicht in den Schuldienst zu übernehmen. Dieser Sicht der Dinge schloss sich Hessen im Herbst an und ließ den Bewerber abblitzen.

 

Breite Unterstützung

 

Von Anfang an unterstützt ein breites Bündnis aus linksalternativen Gruppen, Grünen, SPD sowie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Csaszkóczy. Sie monieren, das Land wende den Radikalenerlass aus den 70er Jahren an. Damals zielte die SPD/FDP-Regierung Willy Brandts von 1972 an vor allem auf Lehrer und Postbeamte mit DKP-Mitgliedschaft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stufte das Berufsverbot als menschenrechtswidrig ein.

 

Das Bündnis fordert deshalb, Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) müsse Csaszkóczy unterrichten lassen. Das "Solikomitee gegen Berufsverbot" (www.gegen-berufsverbote.de) sammelte nach eigenen Angaben 10 000 Unterschriften gegen Berufsverbote und ruft für Samstag, 25. März, zu einer Demonstration in Karlsruhe auf.

 

Csaszkóczy selbst hofft nicht auf einen schnellen Erfolg. Selbst wenn ihm die Karlsruher Richter Recht gäben, sagt er, werde das Land in Revision gehen. Er selbst werde auch weitermachen, damit kein Lehramts-Student mehr Angst haben müsse vor den möglichen Folgen eines politischen Engagements. Er fühlt sich aber auch unwohl in seiner Rolle: "Es ist nicht schön, ein Staatsfeind zu sein."

 

Andreas Schwarzkopf