17.10.2009

Big Brother Award

Schäuble erhält Preis für Lebenswerk

Das Berliner Organisationskomitee der Leichtathletik-WM gewinnt den Big Brother Award für seine Überprüfung von Journalisten. Weitere Preise gehen an Wolfgang Schäuble und Ursula von der Leyen. VON THOMAS SALTER

BERLIN taz | Ein Preis für sein Lebenswerk, damit hatte Wolfgang Schäuble wohl noch nicht gerechnet. Freuen wird er sich kaum, die Auszeichnung ist nicht als Kompliment gemeint: Die Jury der Big Brother Awards ehrte damit seine "obsessiven Bestrebungen, den demokratischen Rechtsstaat in einen präventiv-autoritären Sicherheitsstaat zu verwandeln", wie es in der Begründung heißt.

Am gestrigen Freitag fand zum zehnten Mal die jährliche Verleihung der Big Brother Awards statt. Die achtköpfige Jury suchte dafür in fünf Kategorien nach Behörden, Unternehmen und Personen, die sich in diesem Jahr besonders durch Einschränkung der Freiheit hervorgetan haben. Hinter der Preisverleihung steckt der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD). Unterstützt wird er von anderen Bürgerrechtsgruppen, darunter sind die Deutsche Vereinigung für Datenschutz, die Internationale Liga für Menschenrechte, der Chaos Computer Club und die Humanistische Union.

In der Kategorie Sport bekam das Berliner Organisationskomitee (BOC) der Leichtathletik-WM sein Fett weg. Grund war, dass das BOC für das diesjährige Sportereignis nur Journalisten akkreditierte, die einwilligten, ihre persönlichen Daten vom Berliner Landeskriminalamt (LKA) einer Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen zu lassen. Das LKA fragte dafür mehrere Datenbanken ab, darunter die Datei "Gewalttäter Sport" und die bundesweite Staatsschutzdatei Inpol-neu.

Außerdem fragte das LKA bei der Verfassungsschutzbehörde des Landes Berlin an, auch der Bundesnachrichtendienst war eingebunden. Die zwei Sportredakteure der taz hatten sich geweigert, sich derart überprüfen zu lassen. Sie erhielten deswegen keine Akkreditierung. Die taz boykottierte daraufhin die Leichtathletik-WM, um auf die Gefahr für die Pressefreiheit hinzuweisen.

Bundesinnenminister Schäuble stand 2007 schon einmal als möglicher Preisträger zur Debatte. Damals hatte die Jury davon abgesehen, ihm den Preis zu verleihen, um den Blick nicht auf ihn zu beschränken, erklärt Rolf Gössner, Mitglied der Jury. Der Anwalt und Publizist ist Vertreter der Internationalen Liga für Menschenrechte. "Tatsächlich sehen wir ,Schäuble' nur als Metapher für die verhängnisvolle Tendenz einer ,Terrorismusbekämpfung' auf Kosten der Bürgerrechte", sagte Rolf Gössner in seiner Laudatio.

Schäubles Parteikollegin Ursula von der Leyen bekam für ihre Forderung nach Internetsperren den Preis in der Kategorie Politik. Die Familienministerin hatte ein entsprechendes Gesetz vorangetrieben mit der Begründung, Internetseiten mit Kinderpornos sperren zu können.

Die Deutsche Bahn, die Post, Telekom und Lidl wurden in der Kategorie Arbeitswelt auch in diesem Jahr negativ hervorgehoben. Der Preis ging jedoch an die Firma Claas Landmaschinen. Die verkauft Mähdrescher, die per Satellit geortet werden können. Auch andere weniger prominente Unternehmen fielen den Juroren negativ auf. In der Kategorie Wirtschaft teilen sich sieben Kommunikationsfirmen den Preis. Darunter ist die Firma Quante Netzwerke, die den staatlichen Überwachungssektor als Markt entdeckt hat.

Das Unternehmen bietet Providern an, die technische Zusammenarbeit mit ermittelnden Behörden zu übernehmen. Die Firma Ultimaco Safeware hat sich auf Vorratsdatenspeicherung spezialisiert. Sie speichert im Auftrag von Telekommunikationsunternehmen Daten in sogenannten Data Warehouses und stellt sie Behörden zur Verfügung. Die Anfragen der Behörden werden von der Software automatisch via Fax, E-Mail und IP-Schnittstellen bearbeitet.

 17.10.2009

Big-Brother-Preis für den Innenminister

Bürgerrechtsgruppen kritisieren Sicherheitspolitik von Schäuble /
Verleihung in 19 Ländern


Von Rainer Kabbert Bremen. Wenn Bundesinnenminister abtreten, ist ihnen besondere Aufmerksamkeit von Bürgerrechtlern gewiss. Als Otto Schily 2005 sein Ministeramt verlor, bekam er den "BigBrotherAward" fürs "Lebenswerk". Ebenso widerfuhr es gestern Wolfgang Schäuble, der wohl auch nicht Minister bleibt: Ihm wurde der Negativpreis für seine Politik verliehen, "den demokratischen Rechtsstaat in einen präventiv-autoritären Sicherheitsstaat umzubauen".

Zum zehnten Mal in Deutschland hat eine Jury von Datenschutz- und Bürgerrechtsgruppen in Bielefeld den BigBrotherAward verliehen. Es ist keine Auszeichnung, auf die Politiker, Firmen oder Organisationen besonders stolz sein könnten, wird ihnen doch vorgeworfen, die Privatsphäre und Informationelle Selbstbestimmung der Bürger nachhaltig zu beeinträchtigen. Neben der Kategorie "Lebenswerk" gibt es auch Auszeichnungen in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Arbeitswelt und Behörden. Der Preis wird inzwischen in 19 Ländern ausgelobt, zur Aufklärung über problematische Entwicklungen in der modernen Informationsgesellschaft.

Der Laudator Rolf Gössner, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, kritisiert das Ziel von Minister Schäuble, Polizei und Geheimdienste zu zentralisieren und zu vernetzen. Etwa durch die Antiterrordatei, auf die beide Institutionen Zugriff haben. Oder durch den "Umbau des Bundeskriminalamts zu einem zentralen deutschen FBI mit geheimdienstlichen Befugnissen" - inklusive heimlicher Online-Durchsuchung von Computern. Aber auch durch eine Bundesabhörzentrale für alle Sicherheitsbehörden beim Kölner Bundesverwaltungsamt.

Damit wachse zusammen, was nicht zusammengehört. "Das ist ein Verstoß", argumentiert der Bremer Anwalt, "gegen das machtbegrenzende Gebot der Trennung von Geheimdiensten und Polizei - eine wichtige Konsequenz aus den bitteren Erfahrungen mit der Gestapo der Nazizeit." Gössner sieht Deutschland "streng auf dem Weg" zum präventiven Sicherheits- und Überwachungsstaat", ohne dass der Staat sein Sicherheitsversprechen einlösen könne. Der Preis dafür sei die Einschränkung von Bürgerrechten. Denn Prävention sei nicht möglich ohne Speicherung personenbezogener Daten - auch von Bürgern, denen nichts vorgeworfen wird.

Wie wird das Thema innere Sicherheit in der neuen Bundesregierung behandelt? Bisher haben sich Union und FDP darauf verständigt, die Nutzung von Informationen aus der Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten auf schwere Gefahrensituationen zu beschränken. Für heimliche Online-Durchsuchungen ist künftig eine Anordnung der Bundesanwaltschaft nötig. Und - als hätten die Koalitionäre in spe die BigBrotherAward-Liste schon vorab erhalten - vor der Sperrung von Internetseiten muss das Bundeskriminalamt erst versuchen, diese Web-Seiten zu löschen.

Denn in der Kategorie Politik wurde Familienministerin Ursula von der Leyen für die Sperrung von Web-Seiten mit Kinderpornographie ausgezeichnet. Sie habe "ein System zur Inhaltskontrolle im Internet vorangetrieben, das zu einer Technik von orwellschen Ausmaßen heranwachsen kann." Dazu habe sie sexuell missbrauchte Kinder benutzt, ohne etwas gegen diesen Missbrauch zu unternehmen.

Aber kann es nicht auch Sinn machen, Bürgerrechte wie den freien Zugang zu Informationen einzuschränken, wenn es dem Kindeswohl dient? "Eine Abwägungsfrage", meint Gössner. Ohne Zweifel sei er nicht, doch wäre der bessere Weg als Internetsperren die Löschung der Kinderporno-Seiten. Was aber, wenn es dem Bundeskriminalamt nicht gelingt, diese Forderung von FDP und Union zu erfüllen? Andere Preisträger können mit weniger Widerspruch rechnen. Etwa das Berliner Organisationskomitee der Leichtathletik-WM (Kategorie: Behörden), das von Journalisten Zustimmung zur Überprüfung ihrer Daten durch die Sicherheitsbehörden verlangte: "Ein erhebliches Vergehen an einem Grundwert eines freiheitlichen Staatswesens, nämlich der Pressefreiheit."

Nicht besser weggekommen sind Deutsche Bahn, Deutsche Post, Lidl und eine Reihe anderer Unternehmen, die nach Ansicht der siebenköpfigen Jury dem "Wahn erlegen sind, man erhielte produktive Mitarbeiter... durch umfassende Überwachung und Abbildung von Leistung in Zahlen". Und Firmen wie Cisco, Utimaco und andere könnten, wenn sie nach Bielefeld gekommen wären, auch einen Big Brother abholen: Für das Angebot von Überwachungstechniken für Telefon und Internet. Was bezweckt die Jury, in der neben der Internationalen Liga für Menschenrechte unter anderem auch die Vereinigung für Datenschutz, der Chaos Computer Club und die Humanistische Union mitwirken? "Wir wollen aufklären", erläutert Gössner. Auch über die Medien. Wobei es nicht immer so gut läuft wie mit dem niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann, dem vor laufender Kamera auf Sat1 symbolisch das BigBrotherAward-Foto überreicht werden konnte - für die Legalisierung der präventiven Telekom­munikationsüberwachung. Das Gesetz wurde später vom Bundesverfassungsgericht kassiert.

© Copyright Bremer Tageszeitungen AG Ausgabe 17.10.2009

 

Tageszeitung junge Welt 17.10.2009 / Inland / Seite 4


Schäubles Lebenswerk geehrt

Bundesinnenminister erhält »Oscar der Überwachung«.

BigBrotherAwards 2009 auch für Familienministerin Ursula von der Leyen und Privatfirmen

Claudia Wangerin

Zum zehnten Mal sind am Freitag abend in Bielefeld die deutschen »BigBrotherAwards« verliehen worden – Preisträger sind unter anderem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (ebenfalls CDU). Zudem wurden für die Bereitstellung von Überwachungstechnik Privatfirmen ausgezeichnet.

In bisher 19 Ländern werden regelmäßig den Datenschutz und die Privatsphäre gefährdende Praktiken und deren Initiatoren mit den Negativpreisen bedacht. Sinn und Zweck ist die kritische Aufklärung über die Zunahme der Überwachung durch Staat und Privatwirtschaft. Seit dem Jahr 2000 werden die BigBrotherAwards in Deutschland an Firmen, Organisationen, staatliche Institutionen und Personen verliehen, die in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung von Menschen beeinträchtigen oder datenschutzwidrig persönliche Informationen Dritten zugänglich machen. Die Preisskulptur ist eine von einer Glasscheibe durchtrennte, mit Bleiband gefesselte Figur.

Bundesinnenminister Schäuble erhielt in Abwesenheit den Negativpreis in der Kategorie »Lifetime« für den Umbau des Bundeskriminalamts in ein zentrales »deutsches FBI« mit geheimpolizeilichen Befugnissen zur »präventiven« Vorfeldausforschung, für die Legalisierung der heimlichen Online-Durchsuchung von Computern sowie für die Errichtung einer gemeinsamen sogenannten Antiterrordatei und einer neuen Abhörzentrale für alle Sicherheitsbehörden.

Besonders »preiswürdig« seien »Schäubles obsessive Bestrebungen, den demokratischen Rechtsstaat in einen präventiv-autoritären Sicherheitsstaat umzubauen«, so die Jury. Als Laudator hob Rechtsanwalt Rolf Gössner Schäubles »politische Dramatisierung von Gefahrenpotentialen und das Schüren von Bedrohungsängsten«, zum Beispiel durch Warnung vor atomaren Terroranschlägen, und seine »menschenrechtswidrigen Denkanstöße« hervor. Gemeint war das Ansinnen, mutmaßliche Terroristen oder Terrorverdächtige als Feinde der Rechtsordnung rechtlos zu stellen und durch Folter erpreßte Aussagen zu nutzen.

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen wurde der BigBrotherAward in der Sparte »Politik« zugesprochen. Sie habe im letzten Jahr ein System zur Inhaltskontrolle im Internet vorangetrieben, das »zu Orwellschen Ausmaßen heranwachsen« könne. Dazu und für ihren persönlichen Wahlkampf habe sie sexuell mißbrauchte Kinder benutzt, ohne tatsächlich etwas gegen Mißbrauch zu unternehmen, so Laudator Alvar Freude vom Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft e.V.

In der Kategorie »Wirtschaft« wurden mehrere Anbieter von Überwachungstechnik für Internet und Telefon »ausgezeichnet« – namentlich Quante Netzwerke GmbH, Utimaco, Datakom/GTenSyborg, Digi-Task, Secunet, Cisco und Trovicor.

Organisator der Preisverleihung ist der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V. (FoeBuD). In der diesjährigen Jury saßen zudem Vertreter der Internationalen Liga für Menschenrechte, der Humanistischen Union, der Deutschen Vereinigung für Datenschutz und des Chaos Computer Clubs (CCC) sowie des Fördervereins Informationstechnik und Gesellschaft und des Forums Informatikerinnen und Informatiker für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung.

 

Neues Deutschland

17.10.2009 / Inland / Seite 2

Ein »Oscar« für Wolfgang Schäuble

Bundesinnenminister bekommt den Negativ-Preis für sein Lebenswerk verliehen

Von Fabian Lambeck

Manche nennen ihn scherzhaft den »Oscar für Überwachung«. Die Rede ist vom »Big Brother Award«, einer Negativ-Auszeichnung für besonders dreiste Datendiebe, Schnüffler und Überwachungsfanatiker. In diesem Jahr erhalten gleich zwei CDU-Politiker diese »Auszeichnung«: Neben Wolfgang Schäuble auch Familienministerin Ursula von der Leyen.

 

Preisträger Wolfgang Schäuble entwickelte sich in den letzten Jahren
zu einer ernsten Gefahr für das Grundgesetz. Foto: dpa

Am Freitag war es wieder einmal so weit: Im westfälischen Bielefeld wurden die »Big Brother Awards 2009« verliehen. Doch die Freude der Preisträger in den Kategorien Wirtschaft, Politik, Arbeitswelt und Sport dürfte sich in Grenzen halten. Denn der Negativ-Preis wird an Firmen, Personen und Organisationen verliehen, die »in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aushöhlen«, wie die Preis-Jury betont. Dort sitzen neben dem FoeBuD e.V. auch der Chaos Computer Club, die Humanistische Union und die Internationale Liga für Menschenrechte. In diesem Jahr konnten die Stifter des »Oscars für Überwachung« bereits das 10-jährige Jubiläum ihres Preises feiern. Anlässlich dieses runden Geburtstages wurde Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble eine ganz besondere Ehrung zuteil. Der ehemalige CDU-Vorsitzende bekam den Preis für sein Lebenswerk verliehen. Allerdings verzichtete Schäuble darauf, persönlich in Bielefeld zu erscheinen. Schade eigentlich, denn die Preisskulptur, eine von einer Glasscheibe durchtrennte und mit Bleiband gefesselte Figur, hätte eigentlich einen Ehrenplatz auf Schäubles Schreibtisch verdient.

Doch Laudator Rolf Gössner ließ sich vom Fernbleiben des Ministers nicht beirren. Wie der Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte betonte, habe vor allem Schäubles unermüdlicher Einsatz für den »radikalen Umbau des demokratischen Rechtsstaates« den Ausschlag für die Nominierung gegeben. Mit seinen Vorschlägen, sogenannte islamistische »Gefährder« zu internieren oder auch erfolterte Aussagen durch deutsche Sicherheitsbehörden zu nutzen, habe sich Schäuble den Juroren förmlich aufgedrängt. Seine Versuche, die deutschen Geheimdienste und Polizeibehörden zu vernetzen, sei »ein Verstoß gegen das Gebot der Trennung von Geheimdien­sten und Polizei«, so Gössner in seiner Rede. Dieser »Verschmelzungsprozess« ignoriere nicht nur die »bitteren Erfahrungen mit der Gestapo in der Nazizeit«, sondern lasse auch die staatliche Machtfülle wachsen und deren Kontrollierbarkeit schwinden«, fürchtet Gössner, der auch als stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof Bremen tätig ist.

In der Kategorie Politik gab es ebenfalls einen Preisträger mit CDU-Parteibuch. Die bisherige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, von Datenschützern auch »Zensursula« genannt, erhielt den Award für ihre Bemühungen, die Zensur des Internets voranzutreiben. Auch auf Zensursula wartete man vergebens. Doch es ist längst nicht mehr nur Vater Staat, der sich für die Daten seiner Bürger interessiert und dabei fundamentale Grundrechte verletzt. In den vergangenen Jahren waren es vor allem die großen Konzerne, die immer wieder mit Datenaffären von sich reden machten.

Konzerne werden zu Datenkraken

Während staatliche Behörden oftmals noch demokratisch überwacht werden können, agieren die Privaten in einer Grauzone, die sich jeder öffentlichen Kontrolle entzieht. Konzernbosse verfügen heutzutage über eigene »Sicherheitsabteilungen« oder beauftragen externe Detekteien. Dort arbeiten nicht selten ehemalige Geheimdienstler, die ihr Wissen nutzen, um Gewerkschafter oder aufmüpfige Angestellte auszuspionieren. Diese Schnüffelei reicht von der Überwachung des privaten E- Mail-Verkehrs bis zu Hausbesuchen und geheimen Kontoüberprüfungen. Und so kann es kaum verwundern, dass die meisten Big- Brother-Preisträger aus der Privatwirtschaft kommen. Darunter etwa die Textilkette KiK, die in rund 49 000 Fällen Informationen über die Bonität ihrer Angestellten angefordert hatte. Selbst Stellenbewerber wurden dabei systematisch durchleuchtet. Somit erweist sich KiK als würdiger Preisträger. Den gleichen Elan bei der Überwachung ihrer Mitarbeiter legten auch Deutsche Post, Lidl oder die Telekom an den Tag.

Dass die Überwachungsmanie selbst vorm Sport nicht halt macht, bewies das Organisationskomitee der diesjährigen Leichtathletik-WM in Berlin. Journalisten, die über das an sich harmlose Ereignis berichten wollten, mussten »Zuverlässigkeitsprüfungen« über sich ergehen lassen. Dabei wurden die Reporter von Polizeibehören, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst durchleuchtet. Klare Sache: Damit qualifizierte man sich für den Award in der Kategorie Sport.

Benannt sind die Big Brother Awards nach dem »Großen Bruder«. Jenem unheimlichen Diktator aus George Orwells düsterem Zukunftsroman »1984«. Wie Orwell und sein Großer Bruder stammt auch die Idee eines »Big Brother Awards« ursprünglich aus Großbritannien. Kein Wunder, denn in keinem anderen Staat der Welt ist die elektronische Überwachung selbst unbescholtener Bürger so weit fortgeschritten wie auf der Insel. Mehr als vier Millionen Kameras überwachen dort den öffentlichen und privaten Raum. Der britische Rechtsanwalt Simon Davies von der renommierten London School of Economics nahm den Sicherheitswahn seiner Landsleute zum Anlass, den »Big Brother Award« im Jahre 1998 erstmals zu stiften. Mittlerweile werden die Awards bereits in 18 Staaten verliehen.

 

Datenschützer verleihen Ursula von der Leyen und Wolfgang Schäuble
den BigBrother Award 2009

Pioniere kontra Datenkraken

VON STEFAN BRAMS

Bielefeld. Der "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (FoeBud) vergab Preise in fünf Kategorien. Zwei Bundesminister erwarben sich zweifelhafte Meriten.

Es steht nicht gut um den Datenschutz in Deutschland. Unternehmen spitzeln fleißig ihre Mitarbeiter aus. Im Internet werden Daten der Nutzer hemmungslos gesammelt und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) arbeitet fleißig an seinem Lieblingsthema, der Onlinedurchsuchung - auch wenn die CDU-FDP-Koalitionäre gerade beschlossen haben selbige etwas abzumildern.

Genug Kandidaten also für den "BigBrother Award", den Negativ-Oscar für "Datenkraken". Freitagabend wurde er vom "Verein zur Förderung des öffentlichen Datenverkehrs" (FoeBud) mit Sitz in Bielefeld zum zehnten Mal verliehen.

Zum Geburtstag gab’s ein schriftliches Grußwort von Ex-Innenminister Wolfgang Baum, der gratulierte und betonte: "Sie haben in den vergangenen zehn Jahren Pionierarbeit geleistet." Mit den BigBrotherAwards sei es gelungen, die Gefährdungen der Grundrechte sichtbar zu machen. Baum sprach sich zudem für eine umfassende Modernisierung des Datenschutzrechts aus und rief dazu auf: "Für die Freiheit zu kämpfen."

Das hörten die Organisatoren Rena Tangens und padeluun von FoeBud gerne und machten sich an die Verleihung. Zwei Awards gingen in die Politik. Der bereits erwähnte Bundesinnenminister, Wolfgang Schäuble, wurde für sein Lebenswerk geehrt. Schäuble erhalte die Negativ-Auszeichnung "für den Umbau des Bundeskriminalamts in ein zentrales deutsches FBI mit geheimpolizeilichen Befugnissen zur präventiven Vorfeldausforschung, für die Legalisierung der heimlichen Online-Durchsuchung und für die Einrichtung einer gemeinsamen Antiterrordatei", so die Jury. Laudator Rolf Gössner betonte: "Schäuble hat sich in seiner Amtszeit alles in allem als Architekt eines präventiv-autoritäten Sicherheitsstaates betätigt."

Schäubles Parteifreundin und Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen wurde vor allem für ihre Initiative zur Kontrolle von Kinderpornographie im Internet mit einem BigBrother Award geehrt. Sie habe ein "System zur Inhaltskontrolle im Internet vorangetrieben, das zu einer Technik von orwellschen Ausmaßen heranwachsen kann", lautet die Begründung der Jury. Alvar Freude betonte in ihrer Laudatio: "Die Sperren sind nicht nur untauglich, sondern kontraproduktiv."

Angeprangert wurden im Bereich Wirtschaft gleich acht Firmen, die Überwa­chungstechnik für Internet und Telefon anbieten. Aber auch im Sport gab es dieses Jahr einen "Datenkraken" auszuzeichnen. Das Berliner Organisationskomitee der Leichtathletik-WM erhielt einen Award für die umfassende Durchleuchtung von Journalisten, die sich akkreditieren lassen wollten. Laudator Frederik Roggan: "Dieses Vorgehen widerspricht eklatant den Grundlagen einer freien Presse."

"Kurioses digitales Gängelband"

Im Bereich Arbeitswelt kritisiert die Jury, "den Wahn zahlreicher Unternehmen, man erhielte produktive und motivierte Mitarbeiter, wenn man sie nur möglichst flächendeckend und umfassend überwachte". Das Gegenteil sei der Fall, betonte Laudatorin Karin Schuler und zitierte aus einer Studie der Uni Bonn: "Die meisten Menschen tun mehr als sie müssen, es sei denn, sie werden bei ihrer Arbeit kontrolliert." Schuler verwies auf Unternehmen wie die Deutsche Bahn, die Deutsche Post, die Deutsche Telekom, aber auch Lidl und KiK die wie zahlreiche andere ihre Mitarbeiter ausgespäht hätten. Doch den Award sprach die Jury nicht ihnen zu, sondern dem Landmaschinenhersteller Claas aus Harsewinkel. Der habe seine Mähdrescher mit einem satellitengestützten Trackingsystem ausgestattet, das auch die Überwachung der Fahrer erlaube. Ein "kurioses digitales Gängelband" nannte Schuler diese Möglichkeit und vergab den Negativ-Preis.

Doch abholen mochte seinen Award keiner der "Geehrten". Und so blickten die FoeBud-Macher zwar auf einige Erfolge zurück an diesem Abend, aber waren sich auch sicher: "Es gibt weiterhin viel zu tun gegen Datenkraken."    Copyright © Neue Westfälische 2009 - Dokument erstellt 16.10.2009

 

  tagesschau.de

Big Brother Awards 2009 verliehen

"Zensursula" und der verwanzte Mähdrescher

Von Ingo Neumayer

Wer Bürgerrechte beschneidet und Daten sammelt, bekommt den Big Brother Award. Am Freitag (16.10.09) wurden in Bielefeld unter anderem Ursula von der Leyen und Wolfgang Schäuble "geehrt". Pikant: Einer von Schäubles Amtsvorgängern schickte ein Grußwort. Ursula von der Leyen; Rechte: imago

"Zensursula" is watching you

Keine andere deutsche Politikerin hat in diesem Jahr so viel Kritik von Datenschützern und Internet-Aktivisten kassiert wie Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU). Da war es fast vorauszusehen, dass "Zensursula" am Freitagabend (16.10.09) in Bielefeld den Big Brother Award 2009 in der Kategorie "Politik" erhielt. Sie habe, so hieß es in der Begründung für den Negativpreis, "ein System zur Inhaltskontrolle im Internet vorangetrieben, das zu einer Technik von orwellschen Ausmaßen heranwachsen kann". Die von ihr geplanten Netzsperren und Stopp-Schilder für kinderpornografische Webseiten seien nicht nur untauglich und kontraproduktiv. Sie etablierten auch eine "technische Infrastruktur zur Internet-Zensur", die sich zu einem allgegenwärtigen "Überwachungsinstrument ausbauen ließe, sagte der Medienkünstler Alvar Freude in seiner "Laudatio". Ihren Spitznamen hat von der Leyen in einem Interview noch als "pfiffig" und "kreativ" bezeichnet. Zur Verleihung des Big-Brother-Award wollte sie sich gegenüber WDR.de jedoch nicht äußern.

Dabei werden die umstrittenen Internetsperren nun ohnehin gekippt. Einen Tag vor der Preisverleihung (15.10.09) hatten sich Union und FDP in ihren Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, dass das Bundeskriminalamt (BKA) versuchen soll, kinderpornographische Internetseiten direkt zu löschen und nicht erst zu sperren.

Schäubles "obsessive Bestrebungen" ausgezeichnet

Mit Wolfgang Schäuble (CDU) zeichnete der Bielefelder Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD) ein weiteres Mitglied der aktuellen Bundesregierung aus. Der Bundesinnenminister erhielt den Big Brother Award für sein Lebenswerk. Rolf Gössner von der Internationalen Liga für Menschenrechte ging in seiner Rede auf Schäubles "obsessive Bestrebungen" ein, "den demokratischen Rechtsstaat in einen präventiv-autoritä­ren Sicherheitsstaat umzubauen". So habe Schäuble das Bundeskriminalamt in ein "zentrales deutsches FBI mit geheimpolizeilichen Befugnissen zur präventiven Vorfeldausforschung" umgewandelt. Zudem kritisierte Gössner die Errichtung der zentralen Anti-Terrordatei, die versuchte Legalisierung von Online-Durchsuchungen sowie Schäubles Pläne zum Bundeswehreinsatz im Inneren.

Wolfgang Schäuble; Rechte: dpa

Schäuble: "Ehrenpreis" fürs Lebenswerk

Ein Gruß vom Ex-Innenminister Baum

Ein "Gschmäckle" bekam die Verleihung an Schäuble durch das Grußwort eines seiner Amtsvorgänger. Gerhart Baum (FDP), von 1978 bis 1982 Bundesinnenminister, richtete den Verleihern der Big Brother Awards seine "herzlichen Glückwünsche" aus und lobte sie für ihre Pionierarbeit: "Die Zivilgesellschaft muss die Politiker aufrütteln." Mit den Awards würden "Gefährdungen der Grundrechte sichtbar" gemacht, denn "es lohnt sich, für die Freiheit zu kämpfen". Baum war eine der treibenden Kräfte gegen das Gesetz zu Online-Durchsuchungen und reichte dagegen Verfassungsbeschwerde ein.

Überwachte Mitarbeiter, verdächtige Journalisten

Neben Politikern wurden auch verschiedenen Firmen und Institutionen Awards verliehen. So ging der Preis in der Kategorie Sport an die Organisatoren der Leichtathletik- WM in Berlin. Sie hätten die Pressefreiheit verletzt, als sie vor der Veranstaltung bei Landeskriminalämtern und Verfassungsschutz Informationen über Journalisten einholten, die über die WM berichten wollten. Im Bereich Wirtschaft wurden mehrere Firmen mit dem Award bedacht, die Überwachungstechnik für Telefon und Internet anbieten. Und auch in der Kategorie Arbeitswelt gab es mehrere Preisträger, die laut Begründung "dem Wahn erlegen sind, man erhielte produktive und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch umfassende Überwachung".

Neben Lidl, KiK Textilien, HDI Gerling, der Deutschen Bahn, Post und Telekom ging der Preis an die Claas Landmaschinen GmbH aus Harsewinkel. Die habe nämlich einen "Mähdrescher mit Wanze" im Sortiment: "Damit verfolgt Ihr Chef Sie ständig per Google-Earth -Karte auf seinem Monitor und registriert jede Unterbrechung, ungerade Fahrspuren oder ineffiziente Wegewahl." Auch bei der Claas GmbH lautete die Antwort auf die Anfrage von WDR.de: "Kein Kommentar."

 

Ausgezeichnete Preisverleiher

Der Big Brother Award wurde in diesem Jahr zum zehnten Mal verliehen und ist inzwischen bundesweit anerkannt. 2008 wurde FoeBuD für sein Engagement mit Theodor-Heuss-Medaille ausgezeichnet. Der nach dem ehemaligen Bundespräsidenten benannte Preis wird Personen und Institutionen überreicht, die die sich für Zivilcourage und die Stärkung und Weiterentwicklung der Demokratie einsetzen. Stand: 16.10.2009, 18:00 Uhr

 

SPIEGEL ONLINE

16. Oktober 2009, 19:04 Uhr

Big-Brother-Awards 2009

Datenschützer zeichnen Schäuble aus

Bürgerrechtsaktivisten und Datenschützer haben Innenminister Wolfgang Schäuble mit dem Big-Brother-Award für Datenkraken ausgezeichnet - eine höchst zweifelhafte Ehre. Sie lasten dem CDU-Politiker an, stets den Aufbau eines "präventiv-autoritären Sicherheitsstaats" forciert zu haben.

Justizministerin Brigitte Zypries hat ihn bekommen, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, der ehemalige Innenminister Otto Schily sogar schon zweimal: Jetzt kann sich auch Innenminister Wolfgang Schäuble mit einem Big-Brother-Award schmücken - der jährlichen Auszeichnung für Datenkraken, die der Netzaktivisten-Verein FoeBuD bereits zum zehnten Mal verliehen hat.

Das Erbe Schäubles sei eine "sicherheitspolitische Horrorliste", heißt es in der Laudatio von Rolf Gössner, dem Vizepräsidenten der Internationalen Liga für Menschenrechte. Der Rechtsanwalt wurde selber jahrzehntelang vom Verfassungsschutz überwacht. In Anspielung auf die Wortwahl des Ministers für vermeintliche Terroristen, die keine Straftaten begangen haben, bezeichnet Gössner den Innenminister als "Gefährder" von Demokratie, Menschenrechten und Datenschutz.

Den Preis erhalte Schäuble für die Bestrebungen, das Bundeskriminalamt zu einer zentralen Polizei mit geheimdienstlichen Befugnissen auszubauen, für den Aufbau der Antiterrordatei, die Legalisierung der Online-Durchsuchung und die Einrichtung einer gemeinsamen Abhörzentrale der Behörden. Der Preis kommt wenig überraschend: Schäubles Amtsvorgänger Otto Schily war von den Datenschützern sogar zweimal für seine umstrittenen Sicherheitsgesetze ausgezeichnet worden.

Neben dem Lifetime-Award für Wolfgang Schäuble wurden in Bielefeld Negativ-Preise in vier weiteren Kategorien vergeben. Familienministerin Ursula von der Leyen erhielt die Auszeichnung für ihr gerade ausgebremstes Internet-Sperrgesetz, das Berliner Organisationskomitee der Leichtathletik-WM, weil es Journalisten einer aufwendigen Überprüfung unterzog. In der Kategorie Wirtschaft wurden mehrere deutsche Firmen ausgezeichnet, die Überwachungstechnik her- und bereitstellen und es vorziehen, nicht in der Öffentlichkeit bekannt zu sein.

Besonders viele Zuschriften mit Vorschlägen erhielten die Organisatoren dieses Jahr für die Kategorie Arbeitswelt, vergeben wird der Preis stellvertretend an einen Konzern. Angesichts von immer neuen Spitzelaffären in großen Konzernen müsse es "Kontrollen und Sanktionen geben", fordert Organisatorin Rena Tangens. Nach wie vor fehle dafür ein Gesetz, das Arbeitnehmer vor misstrauischer Datensammelwut schütze.

Unterstützt wird die Preisverleihung vom ehemaligen FDP-Innenminister Gerhart Baum, der die Big-Brother-Awards in einem Grußwort lobt. Die Zivilgesellschaft müsse die Politiker aufrütteln, schreibt er. 60 Jahre Grundgesetz seien nicht nur ein Anlass zum Feiern, stattdessen müsse man auf die Gefährdung der Grundrechte aufmerksam machen. Auch der Forderung nach einem Datenschutzrecht für Arbeitnehmer schließt sich Braun an.

Ausgelobt wird der Big-Brother-Award vom Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V. (FoeBuD). In der Jury sitzen Vertreter von Datenschutz- und Menschenrechtsorganisationen sowie vom Chaos Computer Club. Der Negativ-Preis soll auf Fehlentwicklungen im Bereich des Datenschutzes hinweisen.  Ore

FOCUS Online16.10.2009, 18:00

Big Brother Awards

Anti-Preis für Schäuble und von der Leyen

Überwachung der Bürger und Zensur im Internet, Sicherheitsprüfung für Journalisten: Die Datenschutzskandale des Jahres sind mit einem Negativpreis ausgezeichnet worden.

Von FOCUS-Online-Autorin Claudia Frickel

Gleich zwei Politiker werden in diesem Jahr mit einem Negativpreis für ihre „Verdienste“ ausgezeichnet. Die beiden CDU-Politiker Ursula von der Leyen und Wolfgang Schäuble bekommen jeweils einen von fünf Big Brother Awards, weil sie sich nach Meinung von Bürgerrechtlern gegen den Datenschutz versündigt haben. Im Mittelpunkt stehen dabei Themen, die vor allem die Internetgemeinde in den letzten Monaten stark beschäftigt haben: Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung und die Netzsperren zur Bekämpfung von Kinderpornografie.

Vergeben wird der Anti-Preis jedes Jahr vom Bielefelder FoeBuD – dem „Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs“. Die Big Brother Awards werden in diesem Jahr zum zehnten Mal verliehen. In den vergangenen Jahren wurden unter anderem Rabattkarten, Mautkameras, Anti-Terror-Gesetze und Handy-Überwachung angeprangert. Die Big Brother Awards werden am Freitagabend in Bielefeld verliehen.

Schäuble im Visier

In den Begründungen für die beiden Auszeichnungen werden die Preisträger aus der Politik bei aller ernsten Kritik auch spöttisch aufs Korn genommen.

So ehrt der Verein Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gleich für sein Lebenswerk – unter anderem, weil er das BKA in seiner Amtszeit „in ein zentrales deutsches FBI mit geheimpolizeilichen Befugnissen zur präventiven Vorfeldausforschung“ umgebaut habe. Geehrt wird er auch „für die Legalisierung der heimlichen Online-Durchsuchung von Computern, für die Errichtung einer gemeinsamen Anti-Terror-Datei sowie einer neuen Abhörzentrale für alle Sicherheitsbehörden“, wie es in der Begründung der Jury heißt.

Besonders „preiswürdig“ seien Schäubles obsessive Bestrebungen, den demokratischen Rechtsstaat in einen präventiv-autoritären Sicherheitsstaat umzubauen.

„Obsessiver Anti-Terror-Kampf“

Schäuble habe den Preis „für seinen obsessiven Anti-Terror-Kampf Jahr für Jahr verdient gehabt“, meint der FoeBuD. In Schäubles Sicherheitskonzeption mutiere der Mensch zum Sicherheitsrisiko und die „Sicherheit“ zum Supergrundrecht, das die eigentlichen Grundrechte als Abwehrrechte gegen Eingriffe des Staates in den Schatten stellt“, sagte Laudator Dr. Rolf Gössner.

Schäubles Parteikollegin Ursula von der Leyen kommt nicht viel besser weg. Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erhält den Anti-Preis in der Kategorie Politik. Sie habe „innerhalb der letzten zwölf Monate ein System zur Inhaltskontrolle im Internet vorangetrieben, das zu einer Technik von orwellschen Ausmaßen heranwachsen kann“, begründet die Jury.

Gemeint ist von der Leyens umstrittener Vorstoß zur Sperrung bestimmter Internetinhalte, um Kinderpornografie zu bekämpfen. „Dazu und für ihren persönlichen Wahlkampf benutzte sie sexuell missbrauchte Kinder, ohne tatsächlich irgendetwas gegen Missbrauch zu unternehmen“, heißt es bei der Jury.

Überwachung in Firmen und im Netz

Die Jury der Big Brother Awards beschäftigte sich neben der Politik auch mit drei weiteren Kategorien: Arbeitswelt, Wirtschaft und Behörden. Die ersten beiden schließen fast nahtlos an die Themen an, für die Wolfgang Schäuble und Ursula von der Leyen gerügt wurden. Es geht auch hierbei um Überwachung.

In der Kategorie Arbeitswelt prangert der FoeBuD alle Firmen an, „die dem Wahn erliegen, man erhielte produktive und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn man sie nur möglichst flächendeckend und umfassend überwachte und ihre Leistung in Zahlen vermeintlich messbar machte“. Stellvertretend für zwölf genannte Unternehmen erhält die Firma „Claas Landmaschinen“ den Award. Grund: Sie hat ihre Mähdrescher mit einem satellitengestützten Überwachungssystem ausgestattet.

Telekom, Lidl und Post in der Kritik

Aber auch große Konzerne sind in den vergangenen Monaten unter Beschuss geraten, weil sie ihre Mitarbeiter auf die eine oder andere Weise überwachten. „Die Deutsche Bahn versucht, die Rasterfahndung in ihrer Belegschaft als Korruptionsbekämpfungsmaßnahme zu verkaufen“, heißt es in der Laudatio. Die Deutsche Post und Lidl würden die Krankenakten der Angestellten „lieber gleich selbst führen“. Die Deutsche Telekom hat den Award eigentlich schon letztes Jahr erhalten – viel zu früh, wie der Verein meint: „Da waren die Massen-Screenings von Bankdaten der Beschäftigten und deren Angehörigen noch gar nicht bekannt geworden.“

Mit dem Thema Überwachung hat auch der Preis in der Kategorie Wirtschaft zu tun. Die Bundesregierung habe mit der Vorratsdatenspeicherung der Telefonverbindungsdaten oder Online-Durchsuchung von Heimcomputern die Überwachungspflichten von Telekommunikationsanbietern „enorm ausgeweitet“. Daraus habe sich ein „lukrativer Markt für technische Lösungen“ entwickelt. Den Big Brother Award bekommen dementsprechend „die besonders eifrigen Lösungsanbieter in diesem Schnüffelbereich“. In der Laudatio heißt es: „Technologien, die die Überwachung ganzer Gesellschaften ermöglichen, führen zu einem Klima des Misstrauens und der Angst.“

Journalisten-Überprüfung

Preiswürdig erschien der Jury auch der Umgang des Organisationskomitees der Leichtathletik-WM mit Journalisten. Um eine Akkreditierung zu bekommen, sollten sie demnach schriftlich zustimmen, dass der Polizeipräsident von Berlin Auskünfte über sie aus Datenbanken der Landeskriminalämter erteilen und die Personalien auch dem Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst weiterleiten dürfe. „Damit wurde schlicht so getan, als habe man es bei Sportjournalisten sämtlich mit potenziell Kriminellen, zumindest aber mit Verfassungsfeinden zu tun, die innere oder äußere Belange der Bundesrepublik gefährden könnten“, kritisiert die Jury in der Laudatio.

heise online        16.10.2009 18:00

Big Brother Awards 2009:
Jubiläum mit würdigen Preisträgern

Zum zehnten Mal werden zur Stunde die Big Brother Awards[1] vergeben. Mit den Preisen werden Personen und Firmen ausgezeichnet, für die Datenschutz ein Fremdwort ist. Ihre "Leistungen" werden auf einer Gala in der Bielefelder Hechelei[2] präsentiert, die als Livestream[3] im Internet verfolgt werden kann. Wer sich schnell über die unglücklichen Gewinner informieren will, der lese weiter.

Was im Jahre 2000[4] mit einer kleinen Zeremonie in einem Kellergewölbe begann, ist zum zehnten Jubiläum zu einer formidablen Show mit Sketcheinlagen und Musike geworden. Dabei ist das Beschneiden der Privatsphäre und die schleichende Aushebelung des Datenschutzes über zehn Jahre hinweg trotz aller Negativ-Auszeichnungen nicht rückläufig. Gut dokumentiert war dies bereits im "Schwarzbuch Datenschutz", das 2006 einen Überblick über die Preisverleihungen und ihre Auswirkungen gab. Weil das Schwarzbuch vergriffen ist sei auf Angriff auf die Freiheit[5] verwiesen, das aktuelle Buch von Juli Zeh und Ilja Trojanow, das sich die Archive des FoeBuD[6] zu Nutze gemacht hat.

Bisher haben nur wenige Preisträger ihren Big Brother entgegengenommen. Dieser Verein veranstaltet seit 2000 die Preisverleihung und organisiert die Treffen der Juroren, die von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz[7], dem Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung[8], dem Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft[9], dem Chaos Computer Club[10], der Humanistischen Union[11] und der Internationalen Liga für Menschenrechte[12] gestellt werden.

Der Datenschutz ist auf dem Rückzug. Auch das demnächst abgelaufene Jahr hat nichts an dieser Tendenz geändert: 2009 wurden zahlreiche Datenschleusereien bekannt, dazu brachte der Wahlkampf einige Themen wie ein hastig gezimmertes Zugangserschwernisgesetz auf die Agenda, das handwerkliche Fehler[13] aufweist. Unter diesen Vorzeichen sind die diesjährigen Preisträger alles andere als Überraschungsgäste in der großen Orwell-Show.

Gleichzeitig geht der Blick in die Zukunft, wie es der FDP-Politiker Gerhart Baum in einem Grußwort an die Gala formulierte: "Das neue Grundrecht, mit dem informationelle Systeme[14] geschützt werden sollen, hat eine Ausstrahlungswirkung auf alle Bereiche des Rechts. Diese Tatsache ist bisher unterschätzt worden. Sie müssen in das neue Datenschutzrecht einfließen, das in der neuen Legislaturperiode endlich geschaffen werden muss."

Die Vorratsdatenspeicherung, die Online-Durchsuchung oder aber das erwähnte Erschwernisgesetz gegen Kinderpornografie haben eines gemeinsam: für die technische Umsetzung werden Software-Firmen gebraucht, die die nötigen Schnüffel- und Sperrprogramme liefern. Aus diesem Grund hat sich die Jury entschlossen, alle einschlägig bekannten "Lösungsanbieter" in der Kategorie Wirtschaft mit einem Preis zu ehren. Damit geht der Preis kollektiv an eine beachtliche Zahl von Firmen:

·         Quante Netzwerke[15] für Programmangebote zur Vorratsdatenspeicherung unter dem Begriff Lawful Interception[16].

·         Utimaco Safeware[17] für ihre Data Retention Suite[18].

·         Datakom-Tochter GTEN[19], deren Name sich sinnigerweise von §10 des Grundgesetzes[20] herleitet, in dem der Schutz des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses deklariert wird.

·          Syborg[21] als Spezialist für Telefonmitschnitte und -Analysen.

·          DigiTask[22], die nach Recherchen der Jury für das Bayerische Landeskriminalamt einen Trojaner geschrieben hat, mit dem sich verschlüsselte Gespräche über Skype abhören lassen. Dafür soll DigiTask von deutschen Behörden bereits fünf Millionen Euro kassiert haben. Allerdings ist derzeit strittig, ob der entwickelte Trojaner überhaupt zum Einsatz[23] gekommen ist.

·          Secunet[24], weil jede TK-Überwachungsanlage mit einer so genannten Sina-Box[25] ausgestattet sein muss, die die Übertragung der abgehörten Kommunikation verschlüsselt zu den anfragenden Behörden schickt.

·         Auch das amerikanische Unternehmen Cisco[26] ist nach Ansicht der Jury dabei, weil es mit seinen Produkten Services ausliefert, die eine "Deep Packet Inspection" ermöglichen. Cisco wird dafür geehrt, dass eine umfassende Internet-Überwachung auch bei steigenden Datenmengen möglich ist.

·         Eher unbekannt ist die Münchener Firma Trovicor, ein Spin-Off von Nokia Siemens Networks, die für ihre Lieferung von Überwachungssoftware an den Iran[27] preiswürdig wurde.

Angesichts der geballten Ladung an Preisträgern in der Kategorie Wirtschaft kommt die Sparte Politik nachgerade glimpflich davon. Obwohl in diesem Jahr viele Politiker mit Äußerungen über den "rechtsfreien Raum Internet" sattsam ein mangelhaftes Verständnis für Kabelsalat demonstrierten, gibt es 2009 nur eine Preisträgerin: Familienministerin Ursula von der Leyen.

In der ausführlichen Laudatio von Alvar Freude[28] heißt es, dass mit den Stopp-Schildern ein System der Internet-Inhaltskontrolle von orwellschen Ausmaßen installiert werden würde. Obwohl derzeit unklar sei, was von dem Zugangserschwernisgesetz nach den Koalitionsverhandlungen[29] übrig bleibt, hat sich die Familienministerin nach Ansicht der Jury mit ihrer Argumentation für die Sperrtechnik den Preis redlich verdient.

Wenig überraschend auch der Preis für das Lebenswerk, der auch bei der zehnten Verleihung der Big Brother Awards zu den Höhepunkten gehört. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble war bereits 2007 und im vergangenen Jahr[30] der Favorit für diesen Preis, der auf der Gala fortlaufend angekündigt, aber dann doch nicht verliehen wurde. Schäuble musste bis 2009 warten, um sein Lebenswerk gewürdigt zu sehen: Als Laudator wurde passend der Rechtsanwalt Rolf Gössner[31] ausgewählt, dessen Lebenswerk bis vor wenigen Monaten über Jahrzehnte hinweg vom Verfassungsschutz[32] überwacht wurde.

Laut Gössner hat Wolfgang Schäuble über die Jahre hinweg hartnäckig darauf hin gearbeitet, dass zusammengeführt wird, was nicht zusammen gehört. Sein "Strukturentwicklungsplan" sieht eine Zusammenlegung von Polizei und Geheimdiensten vor und wurde strategisch mit vielen Schritten angegangen, von der Anlage einer Antiterrordatei[33] über den Umbau des Bundeskriminalamtes zu einem deutschen FBI bis hin zur Einrichtung einer neuen Abhörzentrale[34], die allen Sicherheitskräften zu Diensten ist.

Als Bundesinnenminister ist Wolfgang Schäuble neben dem BKA-Projekt der Zugangserschwernis zu Internet-Inhalten auch für den Sport zuständig. Insofern wird der rührige Minister 2009 doppelt und dreifach geehrt, denn die Jury entschied sich dafür, einen Preis in der eher selten auftauchenden Kategorie Sport zu vergeben. Er geht 2009 an das Organisationskomitee der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin für die rigiden Datenbankkontrollen akkreditierter Journalisten, die besonders von der tageszeitung[35] und dem Landesdatenschützer[36] kritisiert wurden. Die datenbankgestützte Zuverlässigkeitsprüfung, die vom Bundesinnenministerium durchgeführt wird, hätte es schon 2006 zu einem Big Brother Award bringen können, denn sie wurde mit der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland zur Standard-Akkreditierung bei sicherheitsrelevanten Veranstaltungen.

Nicht weniger als acht Nominierte brachten es in der Kategorie Arbeitswelt auf die Spitzenplätze, angefangen von Kleinbetrieben wie der Bäckerei Sehne[37], die Umkleideräume per Video überwachte, bis hin zu großen Unternehmen wie dem Textil-Discounter KIK[38]. Der spionierte mit Bonitätsabfragen bei der Creditreform seinen Mitarbeitern hinterher, ob sie verschuldet sind. Mit Schulden kein Arbeitsplatz, ohne Arbeitsplatz kein Lohn für den Schuldenabbau, das hat seine eigene Logik.

Die Jury entschied sich jedoch in dieser Kategorie nicht global, sondern lokalpatriotisch und kürte mit der Harsewinkeler Firma Claas Landmaschinen[39] einen Sieger aus dem Bielefelder Umland. Claas erhält den Preis für seine satellitengestützten Lenksysteme[40], die in seinen Traktoren, Mähdreschern und Feldhäckslern zur Optimierung der Feldbewirtschaftung eingesetzt werden und in naher Zukunft[41] eine immer wichtigere Rolle spielen werden. In ihnen sieht die Jury eine neue Form der Arbeitsplatzüberwachung des Bedienungspersonals bei Aussaat und Ernte.

Die nahe Zukunft ist immer die dunkelste: Während die Gala läuft, die Spannung steigt, ob nicht ein Preisträger persönlich in Bielefeld auftaucht, hat das Publikum vor Ort die Chance, einen persönlichen Favoriten unter den unglücklichen Gewinnern zu küren. Dieser Wettbewerb dauert zur Stunde noch an, das Ergebnis wird nachgetragen.

Datenschutzverletzungen und Raubbau an der Privatsphäre gibt es nicht nur in Deutschland. Am 24. Oktober zeichnen die Schweizer ihre größten Schnüffelratten[42] im Rahmen einer "Überwachungsparty" aus. Sie ist der Höhepunkt einer Aktionswoche[43] zum Thema Gesellschaft und Kontrolle. Am 25. Oktober ist die österreichische Gala[44] unter dem Titel "Überwachung mag man eben" angesagt. (Detlef Borchers) / (vbr[45]/c't)

 17.10.2009

Der Preis, den keiner will

Datenschützer verleihen "BigBrother-Award"

Bielefeld (epd). Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Familienministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) sind von Datenschützern wegen «Verletzungen von Bürgerrechten und Datenschutz» mit den «BigBrotherAwards» 2009 bedacht worden. Die «Preisträger» der Negativauszeichnungen wurden am Freitagabend in Bielefeld bei einer feierlichen Preisverleihung bekanntgegeben.

 

Schäuble erhalte den Preis der Kategorie «Lebenswerk» unter anderem für die Legalisierung von Online-Durchsuchungen, hieß es. Von der Leyen wurde für ihre Initiative zur Inhaltskontrolle im Internet kritisiert. Seit dem Jahr 2000 verleiht die Datenschützer-Initiative FoeBuD in Deutschland die «BigBrotherAwards», um Verstöße gegen den Datenschutz öffentlich zu machen.

Schäuble habe das Landeskriminalamt in «ein zentrales deutsches FBI mit geheimpolizeilichen Befugnissen umgebaut», sagte der Rechtsanwalt und Menschenrechtler Rolf Gössner in seiner «Laudatio». Preiswürdig seien die «obsessiven Bestrebungen, den demokratischen Rechtsstaat in einen präventiv-autoritären Sicherheitsstaat umzubauen». Neben der mit Terrorabwehr begründeten Online-Durchsuchung von Computern kritisierte Gössner auch die Errichtung einer neuen Abhörzentrale für alle Sicherheitsbehörden.

In der Kategorie «Arbeitswelt» gingen die Datenschützer-Preise wegen der Überwachung ihrer Mitarbeiter unter anderem an die Deutsche Bahn, die Deutsche Post, die Telekom und an die Supermarktkette Lidl. Ausgezeichnet wurden außerdem im Bereich «Wirtschaft» acht Firmen, die Überwachungstechnik für Internet und Telefon anbieten. In der Kategorie «Sport» wurde das Berliner Organisationskomitee der Leichtathletik-WM kritisiert, weil es für die Berichterstattung von Journalisten die Zustimmung zu einer umfassenden Überprüfung der persönlichen Daten verlangt habe.

Die Negativ-Preise werden jedes Jahr Firmen, Organisationen und Personen zuerkannt, die «in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen». Der Preis wird vom FoeBuD-Verein gemeinsam mit weiteren bundesweiten Bürgerinitiativen vergeben. Eine Jury aus Menschenrechtlern, Computerexperten sowie Daten- und Verbraucherschützern wählt aus den bundesweit eingesandten Vorschlägen die Preisträger für die Überwachungs-Auszeichnungen in sieben Kategorien aus. In diesem Jahr wurde zugleich «10 Jahre BigBrotherAwards» gefeiert.

In einem Grußwort würdigte der frühere Innenminister Gerhart Baum (FDP) anlässlich des Jubiläums, dass die «BigBrotherAwards» in den vergangenen Jahren Pionierarbeit für den Einsatz von Bürgerrechten und Datenschutz geleistet hätten. Es müsse ein Bewussten dafür geschaffen werden, dass der Schutz der Privatsphäre für die Qualität der demokratischen Grundordnung unverzichtbar sei, hieß es in dem verlesenen Grußwort.

Wenn heute Datenschutzskandale in der Wirtschaft hohe Wellen schlügen und Großdemonstrationen gegen Überwachungsgesetze stattfänden, sei das auch ein Verdienst der «BigBrotherAwards», erklärte die Initiative FoeBuD («Förderung des öffentlich bewegten und unbewegten Datenverkehrs»). Im vergangenen Jahr zählten unter anderem die EU wegen einer «demokratisch nicht legitimierten Terrorliste» sowie die Deutsche Telekom für die illegale Nutzung von Telefonverbindungsdaten sowie für die Bespitzelung von Journalisten und Telekom-Aufsichtsräten zu den Preisträgern.      www.bigbrotherawards.de 

 

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Big-Brother-Award für Wolfgang Schäuble

Bundesinnenminister Schäuble ist am Freitag vom Verein Foebud der Big-Brother-Award in der Kategorie Lebenswerk für seine obsessiven Bestrebungen, den demokratischen Rechtsstaat in einen präventiv-autoritären Sicherheitsstaat umzubauen, verliehen worden. Ebenfalls ausgezeichnet wurden unter anderem Familienministerin Ursula von der Leyen sowie einige Unternehmen wie die Bahn, die Telekom und Lidl. Der Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Rechtsanwalt und Publizist sowie Foebud-Jury-Mitglied, Dr. Rolf Gössner, erklärte Schäuble in seiner Laudatio zur Metapher für eine verhängnisvolle Tendenz zur Terrorismusbekämpfung auf Kosten der Bürgerrechte und für eine Systemveränderung zu Lasten des demokratischen und sozialen Rechtsstaats. Die Laudatio gab die "Frankfurter Rundschau" am Samstag im Wortlaut wieder. Demnach hat der Bundesinnenminister mit einem wahren Stakkato grundrechtssprengender Denkanschläge vor einer von ihm stark überzeichneten Bedrohungs­kulisse versucht, seiner offenkundigen Vision vom präventiven Sicherheits- und Überwa­chungsstaat näher zu kommen.      17. Oktober 2009

 

 

 

 

16.10.2009

Datensünder-Preis für Schäuble und von der Leyen

Negativ-Auszeichnung - Preis fürs "Lebenswerk": Innenminister Schäuble bekommt den "Big Brother Award" für Bürgerrechtsverletzungen.
Aber auch "Zensursula" von der Leyen wird ausgezeichnet.

Ein "zentrales deutsches FBI mit geheimpolizeilichen Befugnissen", Online-Durchsuchung, Anti-Terrordatei - Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist von Datenschützern mit dem Big Brother Award für sein Lebenswerk "ausgezeichnet" worden. Besonders "preiswürdig" seien "Schäubles obsessive Bestrebungen, den demokratischen Rechtsstaat in einen präventiv-autoritären Sicherheitsstaat umzubauen", hieß es in der am Freitag veröffentlichten "Laudatio" des Rechtsanwalts und Menschenrechtlers Rolf Gössner.

Der "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (FoeBuD) in Bielefeld kürt seit zehn Jahren Preisträger, die aus ihrer Sicht besonders schwer gegen den Datenschutz verstoßen haben. Er zeichnet 2009 auch Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) aus - für ihr "System zur Inhaltskontrolle im Internet".

"Nachhaltige Beeinträchtigung der Privatsphäre"

In der Kategorie "Arbeitswelt" gingen die Datenschützer-Preise wegen der Überwachung ihrer Mitarbeiter unter anderem an die Deutsche Bahn, die Deutsche Post, die Telekom und an die Supermarktkette Lidl. Ausgezeichnet wurden außerdem im Bereich "Wirtschaft" acht Firmen, die Überwachungstechnik für Internet und Telefon anbieten. In der Kategorie "Sport" wurde das Berliner Organisationskomitee der Leichtathletik-WM kritisiert, weil es für die Berichterstattung von Journalisten die Zustimmung zu einer umfassenden Überprüfung der persönlichen Daten verlangt habe.  (Eine Liste aller Preisträger findet sich unter www.bigbrotherawards.de.)

Die Negativ-Preise werden jedes Jahr Firmen, Organisationen und Personen zuerkannt, die "in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen". Der Preis wird vom FoeBuD-Verein gemeinsam mit weiteren bundesweiten Bürgerinitiativen vergeben. Eine Jury aus Menschenrechtlern, Computerexperten sowie Daten- und Verbraucherschützern wählt aus den bundesweit eingesandten Vorschlägen die Preisträger für die Überwachungs-Auszeichnungen in sieben Kategorien aus. In diesem Jahr wurde zugleich "10 Jahre Big Brother Awards" gefeiert.

"Pionierarbeit für Bürgerrechte und Datenschutz"

In einem Grußwort würdigte der frühere Innenminister Gerhart Baum (FDP) anlässlich des Jubiläums, dass die "Big Brother Awards" in den vergangenen Jahren Pionierarbeit für den Einsatz von Bürgerrechten und Datenschutz geleistet hätten. Es müsse ein Bewussten dafür geschaffen werden, dass der Schutz der Privatsphäre für die Qualität der demokratischen Grundordnung unverzichtbar sei, hieß es in dem Grußwort.

Wenn heute Datenschutzskandale in der Wirtschaft hohe Wellen schlügen und Großdemonstrationen gegen Überwachungsgesetze stattfänden, sei das auch ein Verdienst der "Big Brother Awards", erklärte die Initiative FoeBuD. Im vergangenen Jahr zählten unter anderem die EU wegen einer "demokratisch nicht legitimierten Terrorliste" sowie die Deutsche Telekom für die illegale Nutzung von Telefonverbindungsdaten sowie für die Bespitzelung von Journalisten und Telekom-Aufsichtsräten zu den Preisträgern.                                                    epd/dpa

 

 

 

 

URL dieses Artikels: http://www.netzeitung.de/internet/sicherheit/1495340.html   17.10.2009

«Big Brother» gibt «Zensursula» einen Preis

Seit zehn Jahren kürt ein Bielefelder Verein diejenigen, die gegen den Datenschutz der Bürger verstoßen. In diesem Jahr saßen die «Datensünder» in Unternehmen und Ministerien. Aber auch die Organisatoren der Leichtathletik-WM bekamen den Negativ-Preis «Big Brother».

 

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Familienministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) sind von Datenschützern wegen «Verletzungen von Bürgerrechten und Datenschutz» mit den «BigBrotherAwards» 2009 bedacht worden. Die «Preisträger» der Negativauszeichnungen wurden am Freitagabend in Bielefeld bei einer feierlichen Preisverleihung bekannt gegeben.

Schäuble erhalte den Preis der Kategorie «Lebenswerk» unter anderem für die Legalisierung von Online-Durchsuchungen, hieß es. Von der Leyen wurde für ihre Initiative zur Inhaltskontrolle im Internet kritisiert. Seit dem Jahr 2000 verleiht die Datenschützer-Initiative FoeBuD in Deutschland die «BigBrotherAwards», um Verstöße gegen den Datenschutz öffentlich zu machen.

Schäuble habe das Landeskriminalamt in «ein zentrales deutsches FBI mit geheimpolizeilichen Befugnissen umgebaut», sagte der Rechtsanwalt und Menschenrechtler Rolf Gössner in seiner «Laudatio».

Preiswürdig seien die «obsessiven Bestrebungen, den demokratischen Rechtsstaat in einen präventiv-autoritären Sicherheitsstaat umzubauen». Neben der mit Terrorabwehr begründeten Online-Durchsuchung von Computern kritisierte Gössner auch die Errichtung einer neuen Abhörzentrale für alle Sicherheitsbehörden.

In der Kategorie «Arbeitswelt» gingen die Datenschützer-Preise wegen der Überwachung ihrer Mitarbeiter unter anderem an die Deutsche Bahn, die Deutsche Post, die Telekom und an die Supermarktkette Lidl.

Ausgezeichnet wurden außerdem im Bereich «Wirtschaft» acht Firmen, die Überwachungstechnik für Internet und Telefon anbieten. In der Kategorie «Sport» wurde das Berliner Organisationskomitee der Leichtathletik-WM kritisiert, weil es für die Berichterstattung von Journalisten die Zustimmung zu einer umfassenden Überprüfung der persönlichen Daten verlangt habe.

Grußwort von Ex-Innnenminister Gerhart Baum

Die Negativ-Preise werden jedes Jahr Firmen, Organisationen und Personen zuerkannt, die «in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen». Der Preis wird vom FoeBuD-Verein gemeinsam mit weiteren bundesweiten Bürgerinitiativen vergeben. Eine Jury aus Menschenrechtlern, Computerexperten sowie Daten- und Verbraucherschützern wählt aus den bundesweit eingesandten Vorschlägen die Preisträger für die Überwachungs-Auszeichnungen in sieben Kategorien aus. In diesem Jahr wurde zugleich «10 Jahre BigBrotherAwards» gefeiert.

In einem Grußwort würdigte der frühere Innenminister Gerhart Baum (FDP) anlässlich des Jubiläums, dass die «BigBrotherAwards» in den vergangenen Jahren Pionierarbeit für den Einsatz von Bürgerrechten und Datenschutz geleistet hätten. Es müsse ein Bewussten dafür geschaffen werden, dass der Schutz der Privatsphäre für die Qualität der demokratischen Grundordnung unverzichtbar sei, hieß es in dem verlesenen Grußwort.(epd)

 

 

 

 

Gewinner Wolfgang Schäuble

Oscars für die Überwachung

Ricarda Stiller, veröffentlicht am 19.10.2009

Stuttgart - Die "Oscars für Überwachung" werden seit 1998 in verschiedenen Ländern und seit genau zehn Jahren auch in Deutschland vergeben. Am Wochenende hat der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD) die Big Brother Awards zum zehnten Mal in Bielefeld verliehen. Die achtköpfige Jury suchte in fünf Kategorien nach Behörden, Unternehmen und Personen, die "in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen".

Terrorbekämpfung versus Bürgerrechte

Wolfgang Schäuble gewinnt in der Kategorie Lebenswerk. Die Jury ehrt damit seine "obsessiven Bestrebungen, den demokratischen Rechtsstaat in einen präventiv-autoritären Sicherheitsstaat zu verwandeln", wie es in der Begründung heißt. Jurymitglied Rolf Gössner, Anwalt und Publizist, gehört der Internationalen Liga für Menschenrechte an. In seiner Laudatio auf Bundesinnenminister Schäuble sagt er: "Tatsächlich sehen wir Schäuble nur als Metapher für die verhängnisvolle Tendenz einer Terrorismusbekämpfung auf Kosten der Bürgerrechte."

In der Kategorie Sport siegte das Berliner Organisationskomitee der Leichtathletik-WM. Bei dem diesjährigen Sportereignis wurden nur Journalisten zugelassen, die einwilligten, ihre persönlichen Daten vom Berliner Landeskriminalamt einer Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen zu lassen. Die Jury sieht damit die Pressefreiheit in Gefahr. Schäubles Parteikollegin Ursula von der Leyen bekommt für ihre Forderung nach Internetsperren den Preis in der Kategorie Politik. Die Familienministerin hatte ein entsprechendes Gesetz vorangetrieben mit der Begründung, Internetseiten mit Kinderpornos sperren zu können.

Überwachung kennt keine Grenzen

Die Deutsche Bahn, die Post, die Telekom und Lidl wurden in der Kategorie Arbeitswelt in den vergangenen Jahren negativ hervorgehoben. In diesem Jahr ging der Preis an die Firma Claas Landmaschinen. Diese verkauft Mähdrescher, die per Satellit geortet werden können. In der Kategorie Wirtschaft teilen sich sieben Kommunikationsfirmen die Auszeichnung, darunter die Firma Quante Netzwerke, die den staatlichen Überwachungssektor für sich entdeckt hat.

Das Unternehmen bietet Providern an, die technische Zusammenarbeit mit ermittelnden Behörden zu übernehmen. Und die Firma Ultimaco Safeware etwa hat sich auf Vorratsdatenspeicherung spezialisiert. Sie speichert im Auftrag von Telekommunikationsunternehmen Daten und stellt sie Behörden zur Verfügung.