29.10.2005

 

Schnüffelpreis für Innenminister Schily

Big-Brother-Awards-Verleiher kritisieren
"Verletzung der Privatsphäre der Bundesbürger"

Von unserem Redakteur Rainer Kabbert

BIELEFELD·BREMEN. Zum Ende seiner politischen Karriere wird Bundesinnenminister Otto Schily mit einer Auszeichnung "geehrt", auf die er wohl gern verzichtet hätte. In Bielefeld wurde ihm gestern der Deutsche Big-Brother-Award verliehen, weil er nach Ansicht der Jury die Privatsphäre der Bundesbürger erheblich verletzt hat. Die Jury, in der unter anderem die Internationale Liga für Menschenrechte, die Humanistische Union und die Deutsche Vereinigung für Datenschutz vertreten sind, hat ihm die Auszeichnung in der Kategorie "Lifetime" für "langjährige Verdienste" gegeben. Der Bremer Rechtsanwalt und Publizist Rolf Gössner, Präsident der Liga für Menschenrechte, begründete den Jury-Entscheid in seiner Laudatio mit der Politik Schilys in den letzten Jahren:

·       Einführung des biometrischen Passes mit unausgereifter Technologie und ohne parlamentarische Legitimation

·       Ausbau des deutschen und europäischen Überwachungssystems auf Kosten der Bürger- und Freiheitsrechte

·       Aushöhlung des Datenschutzes und der Informationellen Selbstbestimmung durch die so genannten Anti-Terrorgesetze

·       Mitwirkung am Großen Lauschangriff

·       Angriffe auf die Unabhängigkeit des Bundesbeauftragten für den Datenschutz

Gössner sieht insbesondere in der digitalen Erfassung von biometrischen Merkmalen im Pass Gefahren für den Bürger. Er beruft sich auf das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, das die neue Technologie als nicht praxistauglich und unausgereift abwertet. Gössner: "Es steht zu befürchten, dass täglich Tausende Menschen an Flughäfen zurückgewiesen und in ihrer Reisefreiheit beschränkt werden, weil ihre digitalen Fotos oder Fingerabdrücke von der Software nicht akzeptiert werden."Zudem, so der Anwalt, seien die elektronischen Ausweise anfällig für Missbrauch. Biometrische Daten könnten an Kontrollstellen im In- und Ausland ausgelesen werden, unbefugte Dritte so Bewegungsprofile von arglosen Passinhabern anfertigen.In den sieben anderen Kategorien sind weitere Politiker, Behörden und Unternehmen ins Visier der Jury geraten. So hat der Hessische Minister des Inneren Volker Bouffier nach Erkenntnissen der Juroren das präventive Abhören von Mobiltelefonen angeordnet. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff wird vorgeworfen, die Datenschutzaufsicht in der Wirtschaft zerschlagen zu haben - entgegen einem aktuellen EU-Beschluss, der die Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht fordert.Auch Franz Beckenbauer bekommt sein Fett weg. In der Kategorie Verbraucherschutz werden dem WM-Organisationskomitee des DFB unter anderem "inquisitorische Fragebögen zur Bestellung von WM-Tickets" zur Last gelegt.Der Big-Brother-Award wird seit sechs Jahren in 14 europäischen Ländern vergeben, so auch in England, der Schweiz und Österreich. Ob er hilft, die Privatsphäre der Bürger sicherer zu gestalten? Gössner glaubt nicht, dass Schily das Gespräch mit ihm suchen werde. Doch als Microsoft wegen Sicherheitslücken in seinen Produkten "ausgezeichnet" wurde, erschien der Deutschlandvertreter der Firma zur Preisverleihung - und gelobte Besserung.

© Bremer Tageszeitungen AG

                                      vom 30.10.2005
Ressort: Weltspiegel


Ehre den Datenkraken

Bielefeld – Der scheidende Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) bekommt den „Big Brother Award“. Der in diesem Jahr zum sechsten Mal vergebene „Negativpreis für Datenkraken“ gehe an Schily, weil er zum 1. November den biometrischen Reisepass einführen wolle, dessen Technik unausgereift und unsicher sei und der zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung der gesamten Bevölkerung führe, teilte der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs mit.

Der „Big Brother Award“ in der Kategorie „Regional“ wurde einer Grundschule Ennigloh bei Bünde (Kreis Herford) verliehen, weil diese die Namen von Schulanfängern ohne Billigung der Eltern an Kreditinstitute weitergegeben hatte. Den Grundschülern wurde daraufhin ein „Startkonto“ angeboten.

Dem Organisationskomitee des Deutschen Fußball-Bundes für die Weltmeisterschaft 2006 und dessen Chef Franz Beckenbauer wurde außerdem ein „Big Brother Award“ in der Kategorie „Verbraucherschutz“ verliehen – wegen der „inquisitorischen Fragebögen“ zur Bestellung von WM-Tickets und der geplanten Weitergabe der Adressen an den Weltfußballbund Fifa. WM-Tickets sollen erstmals mit einem so genannten „Schnüffelchip“ RFID ( Radio Frequency Identification) ausgestattet sein, auf dem personenbezogene Daten gespeichert werden.

Der „BigBrotherAward“ wird seit 1998 an Unternehmen, Organisationen und Personen verliehen, die in „besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen“. In diesem Jahr gingen knapp 300 Vorschläge für den Negativpreis ein. Die „Big Brother Awards“ sollen Datenschutz durch konkrete Beispiele anschaulich machen und die Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz fördern. Weitere Trophäen erhielten die Generalstaatsanwaltschaft von Schleswig-Holstein für eine großflächige Fahndung nach Zeugen mit Hilfe der Handy-Ortung und die Saatgut Treuhand Verwaltungs GmbH für ihre „Datensammelwut“ über Bauern, die „illegal“ Kartoffeln aus eigener Ernte zur Aussaat verwenden. ddp/dpa

Heise Online, Hannover, 29. Oktober 2005

Big Brother Awards: Ottos Pass punktet

150.000 Euro kostet das Spektakel, das sich Big Brother Awards Deutschland nennt und Jahr für Jahr größer wird. In diesem Jahr musste eine größere Halle in der Ravensberger Spinnerei zu Bielefeld her, die mit stierenden Augenbällen und geschredderten Ausdrucken der Akten dekoriert war, die die Jury zu studieren hatte, ehe sie die Preise vergeben konnte (siehe dazu den Bericht über die Preisträger).

Staunend vernahm das Publikum die Geschichten, wie eine Saatgutlobby sich daran macht, eine kopiergeschützte Landwirtschaft zu entwickeln, in der der Bauer bei jeder Ernte Lizenzgebühren nachzahlen muss. Nicht minder staunenswert: die inquisitorischen Fragen, die 700 Handybesitzer beantworten mussten, die sich in einer Funkzelle aufhielten, als eine Restpostenbörse von Brandstiftern abgefackelt wurde. Zeugen wurden gesucht, doch die Fragen galten dem Täter. Die mobile Beweislastumkehr lieferte einen kleinen Vorgeschmack auf die echten Location Based Services, die in einem Überwachungsstaat installiert werden können.

Deutschland ist noch nicht soweit, aber auf dem Weg dorthin. Das Verdienst, diesen abschüssigen Weg weg von den bürgerlichen Freiheiten eingeschlagen zu haben, gebührt dem scheidenden Bundesinnenminister Otto Schily, dessen Nominierungsmeldungen zahlenmäßig noch die Nominierungen zu den RFID-Tickets der kommenden Fußball-WM überstieg. Für die Otto Schily als Sportminister insofern einen kleinen Zusatzpreis reklamieren könnte: Seiner Intervention ist es zu verdanken, dass die gesetzlich verbotene Speicherung von Personalausweis/Pass-Nummern in kommerziellen Datenbanken der FIFA gelockert wurde.

Als die Nominierung von Otto Schily für den "Lifetime Award" bekannt gegeben wurde, gab es stürmischen, lauten Beifall. Ausschlaggebend war die Art und Weise, mit der Schily und seine Berater den biometrischen Reisepass, den ePass unter Umgehung des Perlaments, unter Missachtung der gesellschaftlichen Debatte und unter Verletzung des deutschen Passgesetzes auf dem Wege einer EU-Verordnung durchgesetzt haben. Der Otto-Pass oder oPass ist in der öffentlichen Debatte und so kommt es, dass ausgerechnet Otto Schily, wiewohl nicht bei der Preisverleihung anwesend, eine Replik lieferte.

In mehreren Mitteilungen verteidigte Schily den biometrischen Reisepass, der von der Jury des Big Brother Awards als "Obsession" charakterisiert wurde. Sein Ministerium schickte Pressemeldungen aus, die sich auf den Kongress der Datenschützer in Lübeck bezogen und den ePass verteidigen sollten. Schilys Ausführungen zeigen, warum nicht nur professionelle Datenschützer besorgt sind, was den Pass angeht. Der von den Kritikern beklagte Umstand, dass etliche Teile der Bio PII-Studie, der großen Machbarkeitsstudie zum Einsatz biometrischer Reisepässe, geheim gehalten werden, wird von Schily ein einer Pressemeldung abgeschmettert: "Ein sehr kleiner Teil der Bio-P II-Studie ist als intern deklariert und nicht veröffentlicht, weil dort Methoden der Überwindung biometrischer Kontrollsysteme beschrieben und deren Erfolgstauglichkeit beurteilt werden. Damit soll verhindert werden, dass Kriminelle eine Hilfestellung bekommen. So selbstverständlich es ist, dass Sicherheitssysteme auch Schwachstellenanalysen unterzogen werden, so selbstverständlich ist es auch, dass diese Analysen nicht veröffentlicht werden."

In einer weiteren Pressemeldung heißt es: "Im Einklang mit der Forderung der europäischen Datenschutzbeauftragten legen die deutschen Rechtsnormen außerdem fest, dass ein Auslesen der biometrischen Daten nur durch die zuständigen Behörden erfolgen darf. Technisch wie rechtlich sind die biometrischen Daten damit abgesichert." Vereinfachungen dieser Art sind es, mit denen Otto Schily seinen zweifelhaften Ruhm noch im Abgang festigen möchte. Rolf Gössner, selber Rechtsanwalt, hatte als Laudator des Otto-Schily-Gedächtnis-Preises sichtlich Mühe, den Lebensweg des RAF-Verteidigers (von Gudrun Ensslin) über den engen Freund von Petra Kelly zum SPD-Rechtsausleger zu skizzieren. Fast wurde es ein anrührendes Portrait. Der aufrechte Gang, wie ist er mit dem Datenkraken vereinbar? Die Jazz-Combo, die die Preisverleihung begleitete, lieferte eine eigenwillige Interpretation zum Lifetime Award ab: Sie spielte das "Lied vom Tod" vom Jungen mit der Mundharmonika.                                                  Detlef Borchers

Heise Online, 29. Oktober 2005  http://www.heise.de/newsticker/meldung/65537

 

  SPIEGEL ONLINE - 28. Oktober 2005, 15:59

Otto Schily für "Lebenswerk" geehrt
Von Holger Dambeck

Die Big Brother Awards für die eifrigsten Datensammler Deutschlands gehen in diesem Jahr unter anderem an drei Politiker, einen Generalstaatsanwalt und das Organisationskomitee der Fußball-WM 2006. Otto Schily bekommt ihn für sein "Lebenswerk".

Es gibt Preisverleihungen, zu denen man als Geehrter gern hingeht. Der "Überwachungs-Oscar", wie der BigBrotherAward auch genannt wird, gehört sicher nicht dazu. So haben fast alle diesjährigen Preisträger bereits im Vorfeld ihre Teilnahme an der heutigen "Ehrung" abgesagt. Die Veranstaltung in Bielefeld, organisiert vom Verein FoeBuD, findet trotzdem statt. Für jeden Ausgezeichneten ist eine Laudatio vorbereitet - wie beim echten Oscar in Hollywood.

Innenminister Schily: Preis für "Aushöhlung des Datenschutzes"

AP

Innenminister Schily: Preis für "Aushöhlung des Datenschutzes"

Vergeben wird der Preis bereits zum sechsten Mal. Mit der Veranstaltung wolle man auf "ausufernde Kontrolle, Manipulation und Überwachung" hinweisen, teilten die Organisatoren mit. In den vergangenen Monaten seien fast 300 Vorschläge eingereicht worden. In der Jury saßen Datenschützer unter anderem vom Chaos Computer Club, der Deutschen Vereinigung für Datenschutz und der Internationalen Liga für Menschenrechte.

In diesem Jahr vergaben die Juroren den Preis in acht Kategorien. Otto Schily, noch amtierender Innenminister, gilt unter den Juroren offenbar als ganz besonders große "Datenkrake". Über sieben A4-Seiten wird begründet, warum der ehemalige RAF-Anwalt, der einst selbst überwacht wurde, den Preis für sein "Lebenswerk" verdient. Schily habe das deutsche und europäische Überwachungssystems auf Kosten der Bürger- und Freiheitsrechte ausgebaut und zudem hartnäckig für die Aushöhlung des Datenschutzes gearbeitet - unter dem Deckmantel von Sicherheit und Terrorbekämpfung, wie es in der Laudatio heißt.

Überraschung: Sie haben Post!

Kritisiert wurde außerdem die vom Minister betriebene "undemokratische Einführung des biometrischen Reisepasses". Dessen Technik sei unausgereift und unsicher und führe zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung der gesamten Bevölkerung.

Einer Schule aus Nordrhein-Westfalen wurde die zweifelhafte Ehre in der Kategorie Regional zuteil. Die Grundschule aus Ennigloh bei Bünde hatte die Namen von Schulanfängern an eine Bank und eine Sparkasse weitergereicht, ohne dass ein Einverständnis der Eltern vorlag. Die Banken schickten den Schülern daraufhin Werbebriefe.

Die Sparkasse Herford, mit der sich die Grundschule den Award teilen muss, bedankte sich artig für die Einladung zur Preisverleihung, sagte eine Teilnahme jedoch ab, weil man sich "dieses besonderen Preises nicht würdig" fühle. "Wir nutzen die Adressen von Schulanfängern, um diesen zu ihrem Einschulungstag eine Freude zu machen", heißt es in dem Schreiben, das SPIEGEL ONLINE vorliegt. Es sei ein Fünf-Euro-Geschenkgutschein verschickt worden. Dabei handle es sich um eine "positive Datenverwendung", bei der niemandem ein Schaden zugefügt worden sei. Zudem speichere die Sparkasse die Daten der Schulanfänger nicht.

Inquisitorische Fragenbögen

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulf erhält den Award für die "Zerschlagung der Datenschutzaufsicht" in seinem Bundesland. Die bisher eigenständigen Privacy-Wächter sollen ab Januar 2006 direkt dem Innenministerium zugeordnet werden, was nach Meinung der Jury gegen die EU-Datenschutzrichtlinie verstößt, die eine völlige Unabhängigkeit der Aufsicht verlangt. "Christian Wulff hat immerhin eine persönlich unterschriebene Absage geschickt", sagte FoeBud-Mitarbeiter Padeluun.

Das Organisationskomitee der Fußballweltmeisterschaft wurde für seine "inquisitorischen Fragenbögen" zur Bestellung von WM-Tickets ausgezeichnet. Kartenbesteller mussten persönliche Daten umfassend preisgeben, um an der Ticketauslosung überhaupt teilnehmen zu können. Außerdem kritisierte die Jury die Nutzung von RFID-Funkchips in den WM-Tickets. Damit werde versucht, eine Kontrolltechnik salonfähig zu machen - zum Nutzen eines WM-Sponsors, dem RFID-Hersteller Philips.

Massenabfrage von Handynutzern

Auch ein Generalstaatsanwalt wurde mit einem Award bedacht. Erhard Rex aus Schleswig-Holstein hatte großflächig nach Zeugen eines Großbrandes gesucht - mittels Handy-Ortung. Alle Personen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in bestimmten Funkzellen mit ihrem Handy telefoniert hatten, seien ermittelt und angeschrieben worden. Es handle sich um die erste Funkzellen-Massenabfrage, beklagte die Jury. Mobilfunkunternehmen seien zur Herausgabe sämtlicher Verbindungsdaten einer Region gezwungen worden. Die Einsicht in die zugehörigen Akten sei den Datenschützern des Landes Schleswig-Holstein verweigert worden, als sie den Fall prüfen wollten.

Generalstaatsanwalt Rex erklärte in einem Schreiben an die Jury, die Schilderung der Jury enthalte eine Reihe von Falschbehauptungen, an deren Ende eine völlige Verdrehung der Sachlage stehe. Derjenige, der für Datenschutz gesorgt habe, werde so zum Täter gestempelt, meinte Rex auf sich selbst anspielend. "Sie haben vielleicht Verständnis, dass ich die von ihnen angekündigte öffentliche Rufschädigung ... als nicht so humorvoll empfinde wie Sie."

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vom 29.10.2005

Ausgezeichnete Schnüffler

Oscar-Verleihung für Überwachung:
Otto Schily bekam »Big Brother Award« für sein Lebenswerk. Grundschule für Weitergabe von Daten der Erstkläßler an Banken ausgezeichnet

Rainer Rupp   Am Freitag war es wieder soweit: Acht Preisträger wurden mit dem BigBrotherAward (BBA) für besondere Mißachtung von Datenschutz und Bürgerrechten ausgezeichnet. In einer Feierstunde im Historischen Saal der Ravensberger Spinnerei in Bielefeld gingen die »Oscars für Überwachung« an Unternehmen, Organisationen und Politiker. Mit ihrer Hilfe soll das abstrakte Thema Datenschutz durch konkrete Beispiele anschaulich und allgemein verständlich gemacht werden. Die Preisverleihung, die bereits zum sechsten Mal stattfindet, wird unter anderem von dem »Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V.« (FoeBuD) und dem Chaos Computer Club (CCC) organisiert.

Die Jury hatte große Auswahl: Über 300 Delinquenten waren ihr gemeldet worden. Sie vergab den »Regionalpreis« an die Grundschule Ennigloh in Bünde. Die Schule hatte die Namen von Schulanfängern an Volksbank und Sparkasse in Herford für Werbezwecke (»Startkonto«) weitergegeben. Für seine Verdienste um die weitere Beschneidung des Fernmeldegeheimnises ging der Preis in der Kategorie »Politik« an den Innenminister des Landes Hessen, Volker Bouffier. Er wurde insbesondere für seine Initiativen für das »präventive« Orten und Abhören von Mobiltelefonen gewürdigt. Hervorgehoben wurden aber auch seine Bemühungen um DNA-Analysen bei Kindern unter 14 Jahren, die eine Straftat begangen haben, und das Scannen und Speichern von Kfz-Kennzeichen auch ohne Straftatverdacht.

In der Kategorie »Verbraucherschutz« ging der Preis an Franz Beckenbauer und das Organisationskomitee der Fußballweltmeisterschaft 2006, denn die Daten der Fragebögen zur Bestellung von WM-Tickets sollen an die FIFA und deren Sponsoren zu Werbezwecken weitergegeben werden. Als besondere Tat wurde die Nutzung von sogenannten RFID-Schnüffelchips in den WM-Eintrittskarten gewürdigt. Damit werde versucht, die Chips zur Kontrolle und Überwachung von Personen zum Nutzen des WM-Sponsors und RFID-Herstellers Philips salonfähig zu machen. In der Kategorie »Technik« ging der Sammelpreis an die flächendeckende Videoüberwachung, die aus Menschen »zu überwachende Objekte« macht. Den Preis in der Kategorie »Kommunikation« erhielt der Generalstaatsanwalt in Schleswig-Holstein, Erhard Rex, für die erste großflächige Fahndung mit Handy-Ortung nach Zeugen, die wie Verdächtige behandelt wurden.

Die Landesregierung Niedersachsen erhielt den Preis in der Kategorie »Behörden« wegen der Zerschlagung der Datenschutzaufsicht in Niedersachsen. Den Preis in der Kategorie »Lebenswerk« erhielt der scheidende Bundesminister des Inneren Otto Schily. Er wurde ausgezeichnet für die Einführung des biometrischen Reisepasses, der zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung der gesamten Bevölkerung führt. Hervorgehoben wurde aber auch sein Engagement für den Ausbau des deutschen und europäischen Überwachungssystems auf Kosten der Bürger- und Freiheitsrechte einschließlich seiner hartnäckigen Bemühungen um die Aushöhlung des Datenschutzes unter dem Deckmantel von Sicherheit und Terrorbekämpfung.

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Ausdruck erstellt am 29.10.2005 um 17:06:52 Uhr

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  29.10.2005


Otto kriegt Schnüffel-Oscar

BigBrotherAward an Noch-Innenminister und WM-OK verliehen  | 

Von Robert Meyer

Der inzwischen weltweit in 18 Ländern vergebene Anti-Preis für Datenschutz-Sünder wird in seiner nunmehr sechsten deutschen Vergabe in acht Kategorien verliehen. Der scheidenen Bundesinnenminster Otto Schily wird für sein »Lebenswerk« ausgezeichnet...

·  siehe Printausgabe vom 29.10.05